Deutschsprachige Interpreten der Extraklasse - GUNDERMANN - Der Film

in #deutsch6 years ago (edited)

Zeit fürs Kino...

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(Gundermann, seit 23.8.2018 in deutschen Kinos)

Gundermanns Lieder begleiten mich mein halbes Leben. In dieser Art hatte ich meinen ersten Gundermann-Artikel noch vor fünf Monaten begonnen:

"Wer diesen Musiker und Poet kennt, dem ist jetzt schon warm ums Herz.
Wer ihn nicht kennt, selbst wenn er nicht in der DDR lebte, wird staunen und wenn er sich öffnen kann, sehr schnell verzaubert sein."

Wen es interessiert kann den Artikel HIER nachlesen.


Song - Hier bin ich geboren

Heute könnte ich eine solche Einleitung nicht mehr schreiben. Etwas ist zerstört, ein Zauber verloren. Denn ein neuer Aspekt der Betrachtung ist leider hinzu gekommen. Nicht das ich mich nicht vorher damit auseinander gesetzt hätte.
Ich habe Gundermann Anfang der Neunziger Jahre und im Teenageralter für seine Stasitätigkeit kritisiert, wenn mein Vater die Musik im Auto hörte. Damals kam seine IM-Arbeit gerade ans Tageslicht.
Aber Gundermanns Lieder waren zu stark, zuviel Verbundenheit mit dem Lebensgefühl unserer Vor-und Nachwendezeit die mich, bis heute, bei jedem Hören aufs neue versöhnt haben und ihn für mich zu einem der besten deutsche Interpreten machen.

Wie konnte das geschehen, wie konnte dieser Mann, einer der größten deutsche Rockmusiker und Texter, sich von diesem Gestapostaat einverleiben lassen? Schlimmer die Frage, warum er es scheinbar niemals verstanden hat, seine Taten im Nachhinein zu reflektieren. Ja es stimmt.
Man konnte in diesem System zum Täter werden, ganz ohne eigene Schuldgefühle....

Gundermann - der Film

Nach gefühlt zehn Jahren gehe ich zum ersten Mal wieder ins Kino. Ich komme auf den letzten Drücker, wundere mich beim Bezahlen über den hohen Preis, stelle fest, das Mittwoch und nicht Dienstag, also Kinotag ist und ich etwas durcheinander scheine. Der große Saal ist recht gut gefüllt, ich setze mich in die vorvorletzte Reihe mittig vor eine Art Sitztressen. Sehr gut, jede Menge Beinfreiheit als 1,95er.

Bis der Film endlich los geht sehe ich gefühlt zwanzig Trailer für Filme die mich nicht interessieren und währenddessen kommen immer wieder Leute durch die Tür und man hat jedes mal Angst, sie setzen sich genau vor die mühsam gesuchte Bleibe, ständig die Köpfe reckend und permanent hin und her wackelnd.

Dann geht echt noch mal das Licht an, ich denke schon: jetzt kommt ernsthafte noch ein Typ mit Eis um die Ecke aber man muss wohl schon selbst los traben. Jeder zweite hier hat aber sowieso schon Popcorn, Bier oder Wein auf dem Schoss.
Nach dem der Film endlich irgendwann los geht, kommt noch ein junges Paar und setzt sich direkt vor mich, ich rücke zwei Plätze zur Seite, der Film beginnt und Alexander Scheer überzeugt von der ersten Minute. Gundis Lieder, trotz oder durch Scheers Stimme sind für mich einer der Gründe, wieso das Prädikat "sehenswert" passend ist.

Schuldig ohne Reue

Je nachdem wo und unter welchem Einfluss (oder besser auch fehlendem Einfluss von außen) man lebte, konnte sowas schon vorkommen im Arbeiter und Bauernstaat.
Doch gab es die Möglichkeit Nein zu sagen, niemand musste hunderte Treffen mit seinem Führungsoffizier über Jahre hin abhalten, alle Freunde verraten ohne abspringen zu können, eigene Nachteile für das Leben in dem Fall klar eingeschlossen.

Der Film springt ständig hin und her zwischen dem Anfang der Neunziger Jahre und den Siebzigern in Hoyerswerda, einem Leben zwischen Baggerfahren im Tagebau und der hässlichen Wohnplatte auf dem Feld.

Er zeigt ausgewählte Episoden aus dem Leben des Liedermachers, unter anderem das Bekanntwerden von Gundermanns Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Jemand der sich mit der Geschichte nicht auskennt kann bei den Sprüngen im Film glatt durcheinander kommen.
Wie Gundermann in diese Zeit seines frühen Erwachsenenlebens kommt, wie er zu dem Mensch wurde, der sich zwar stets mit Oberen seines Betriebes, seiner Partei anlegt, sich aber völlig widersprüchlich in einem schwachen Moment vom Stasioffizier (Axel Prahl) einspannen lässt und dann sehr fleissig über Jahre Berichte schreibt.

Berichte über Alles und Jeden. Die Fragen, nach dem Warum bleiben dem Zuschauer offen. Wie kommt einer dazu solche Texte zu schreiben und gleichzeitig Kollegen zu verpfeifen, einer der nach der Wende zwar sehr unter seinen früheren Spitzeleien zu leiden scheint, letztendlich aber nichts begriffen zu haben scheint. Ich persönlich glaube, er war zu naiv und in seiner kleine Welt in Hoyerswerda zwischen Bagger und Singegruppe hat er es wohl so als richtig empfunden.

Von entsetzten Bekannten und Kollegen angesprochen,

sagte er nach der Wende sinngemäß : "Ich habe mir nichts vorzuwerfen Wenn ich die geplante Ausreise von Freunden ausplauderte, war das o.k. Man hätte ja auch einen Ausreiseantrag stellen können." Später sagt er zu sich selbst: "Ich glaube ich habe von mir selbst ein falsches Bild gehabt."

Wahr ist wohl aber,

dass ihn die IM-Tätigkeit offenbar nach der Wende sehr belastet hat. Der Film dreht sich fast ausschließlich um dieses Thema. Das ist gut.

Davon ausgehend wird in Rückblenden gezeigt, wie er sich in der DDR politisch einbrachte und wie er mit seiner Frau Conny zusammenfand. Hier muss man auch sagen: Miese Nummer, Frau mit zwei Kindern dem Kumpel ausgespannt. Am Ende zieht der Kumpel in Gundas Wohnung und er bei seiner neuen Frau mit den zwei Kindern ein. Wohnungen waren knapp aber echt krass und un gewöhnlich entgegen kommend von dem anderen Mann.

Er gewinnt Inspirationen für seine Lieder und Songs, während er auf dem Bagger sitzt und Braunkohle abbaut. Sein Leben und seine Umwelt sind geprägt von Widersprüchen: Seine Arbeit in einer Art Weltraumlandschaft zerstört die Erde, gleichzeitig beschreibt und besingt er die Schönheiten der Natur.

Als überzeugter Kommunist

stößt er mit seiner Direktheit und Eigenwilligkeit an Grenzen. Durch seine Tätigkeit für die Staatssicherheit hofft er, Verbesserungen im Arbeitsschutz und bei den Arbeitsbedingungen erreichen zu können merkt aber selbst nach der Wende kaum, welchen Schaden der Verrat von Freunden und Kollegen auslöste.

Dieser Punkt stößt mir, als DDR-Kind, echt unangenehm auf aber ist wohl leider unter Naivität und einer kleinen Welt in Hoyerswerda zu verbuchen. Gern hätte ich mehr gesehen von seiner Entwicklung, wie wurde er zu dem jungen Mann der großartige Lieder schreibt und doch Stasispitzel wurde.

Das Gundi es uns heute nicht mehr erklären kann, bleibt für mich doppelt schade. Nicht getrunken, nicht geraucht und viel zu früh von uns gegangen. Gundermann fehlt und sein Platz bleibt immer frei.

Gundermann - Aktuell im Kino - Viel Spaß. Großartig gespielt von Alexander Scheer (u.a. Sonnenallee, Gladbeck)


Engel über dem Revier

Sort:  

war schön zu lesen. Tcha is der Lebenslauf wirklich so verwunderlich. Manchmal möcht man so sein und manchmal so, mal der gute mal der böse und so manches mal soll man so sein wie andere es wollen, wie sie es meinen zu brauchen. Im Prizip sagt man doch alle Stasi, Gestapo Funktionäre können keine Menschen mit herzvollen musikalischen Texten und Character sein und ist dann tatsächlich überrascht wenn doch.

Ich glaube auch er war sich nicht wirklich im Klaren was er da tat, das merkt man auch an seinem Verhalten nach der Wende und wie er mit den Reaktionen der Betroffenen umging. Auch nicht jeder informelle Mitarbeiter ist ein Schwein und Täter, aber wenn man über 100 Treffen in 6 Jahren mit seinem Führungsoffizier hatte und die Erlaubnis in den Westen zu reisen (um die Kollegen aus der Singegruppe zu bespitzeln) war das schon was anderes. Da muss er wirklich sehr fleissig gewesen sein, das ist das, was viele, die in dem Staat als frei denkende Menschen, üble Probleme bekommen haben, nicht verzeihen können und dafür habe ich Verständnis.
Seine Songs sind für mich jetzt nicht weniger gut. Ich versuche mir ja auch nur ein Bild zu machen, der Film hat mich eher verwirrt was seine Person angeht. Schau vl. selbst mal rein.

wo das Kommentare schreiben doch so lange dauert, haben die meisten von uns sich doch angewöhnt die Worte auszuschreiben und auf Groß- und Kleinschreibung zu achten.. ..fast erstaunlich iwie :).

naja, manchmal passiert's mir schon wieder, dass ich die Pseudo-Steno aus meiner Schulzeit wieder auspacke; Pslk. für Persönlichkeit z.B., nur wird alles lich und keit zu l und k, z.B. Kleinlk. oder Gemeinsamk.

wenn doch alle nur einheitlich vllt oder vl usw. abkürzen würden...

achja Kommi, weil mich der Gundermann an irgendwas erinnert hat, mir aber immer noch nicht eingefallen ist woher (vllt weil ich den Schauspieler aus dem Skateboard DDR Film (Pseudo-Doku) wiedererkannt habe oso) und ich den ersten Song mochte und damit auch den Artikel (den ich mehr überflogen habe, aber die persönliche Beziehung z.B. habe ich dann doch wahrgenommen).

ist ja schon älter, also upvote dann auf nen kommi, auch wenn die 0,1 cent wohl eh nicht interessieren^^

Der Schauspieler hat auch in Sonnenallee mitgespielt, vielleicht kennst du ihn daher, der hat sich gut in die Rolle eingefuchst und gut gespielt. Gundi hat schon teilweise tolle Songs. Ich freue mich über jedes Vote, egal ob von einem 5 oder Millionen SP Account. Danke.

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