Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 54v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

Zur vorangegangenen Passage geht es hier.

Selbstverständlich gibt es bei all dem das Problem, die Sache normalen Menschen zu erklären. Auf die Durchschnittsperson in ihrem Alltag wirken die Gesetze und sonstigen Manifestationen des Staates nicht immer wie die wahre Freiheit. In den meisten Fällen, so Hegel, liegt das daran, dass der Durchschnittsmensch ahnungslos ist hinsichtlich dessen, was wahre Freiheit überhaupt ist, und es ist irrelevant, wie sehr man jemandem die höhere Dialektik näherbingt, auf diese Personen werden Gesetze immer wie eine Einschränkung der Freiheit wirken.

Doch Hegel gab auch zu, dass es durchaus viele Fälle gibt, in denen die Freiheit und die Interessen des Einzelnen tatsächlich übergangen, übertrumpft und gar zerstört werden. Ein Grund dafür liegt darin, dass die Grundprinzipien des Staates allgemeingültig und notwendig sind, und daher kann nicht erwartet werden, dass sie in jedem Einzelfall perfekt angewandt werden können. Hegel erklärte, dass "das allgemeine Recht nicht für die Einheit der Masse geschaffen ist. Diese findet vielmehr ihre Interessen entschieden in den Hintergrund gerückt wieder."

Das Problem ist aber nicht, wie das Allgemeine in das Spezifische umgesetzt werden soll. Jeder Einzelne muss aus der Perspektive der Moral anerkennen, dass niemand bestimmtes dem Zweck entspricht; vielmehr sind die Menschen ein Werkzeug zur Erreichung höherer Ziele. Aber wir werden lernen die Vorstellung zu tolerieren, dass Einzelne, ihre Wünsche und deren Gewährung geopfert werden und ihr persönliches Glück aufgegeben und dem Zufall preisgegeben wird, wo es auch hingehört; und dass als eine allgmeine Regel der Einzelne zum Mittel wird für einen anderen Zweck. Und nur falls Hegels Argument nicht auffiel:

"Eine einzelne Person, ich muss es wohl kaum sagen, ist etwas untergeordnetes und als ein solches muss sich jeder dem ethischen Ganzen unterwerfen."

Und wieder klingt Rousseau an:

"Daher, wenn der Staat das Leben fordert, dann muss der Einzelne dies aufgeben."

Das Leben des Einzelnen wird sogar ziemlich umfassend aufgegeben, sobald besondere Menschen auftauchen und Gottes Plan für die Welt vorantreiben. "Welthistorische Persönlichkeiten," wie Hegel sie nannte sind jene, die üblicherweise ohne es selbst zu ahnen, als Agenten des Absoluten die Entwicklung voran treiben. Solche Personen sind energetisch und konzentriert und sie sind in der Lage sich Macht anzueignen und die sozialen Kräfte so zu steuern, dass etwas von historischer Bedeutung passiert. Ihre Leistungen allerdings gehen mit großem menschlichen Leid einher.

Eine welthistorische Person ist nicht so unklug, um sich von einer Reihe von Wünschen ablenken zu lassen, die seine Ziele spalten. Er ist nur dem einen Ziel verpflichtet, alles andere ist egal. Es ist sogar möglich, dass solche Männer bei anderen großen und möglicherweise heiligen Interessen nachlässig sind; ein Vorgehen, das fraglos widerlich ist und moralisch abstossend. Aber in ihrer Macht müssen sie letztlich auch die ein oder andere unschuldige Blume zertrampeln - oder eben das zerstören, was ihnen im Weg steht.

Die unschuldigen Blumen wiederum sollten sich nicht gegen ihre Zerstörung wehren. Die welthistorische Persönlichkeit agiert im besten Interesse des Großen Ganzen. In dieser besonderen Person projeziert sich nämlich der Staat und der Staat ist die Zukunft des Kollektivs. Und selbst im Moment der Zerstörung hat die Blume nur dadurch einen Wert - den sie zelebrieren sollte - dass sie Teil einer größeren Zukunft ist.

Nietzsche vorwegnehmend meinte Hegel, dass die unschuldigen Blumen nicht einmal auf moralischer Ebene Einwände gegen das Vorgehen der welthistorischen Figur erheben sollte. "Die Geschichte der Welt ist als höher angesiedelt anzusehen als die Position der Moral." Die Bedürfnisse der historischen Entwicklung sind wichtiger als jene der Moral und daher sollte "das Gewissen des Einzelnen" nicht im Wege stehen beim Erreichen historischer Ziele. Das Herumtrampeln auf der Moral ist verzeihlich, da "von diesem Standpunkt betrachtet moralische Einwürfe irrelevant sind, sie dürfen nicht in Kollision gebracht werden mit welthistorischen Taten und deren Erreichen."

Zur nächsten Passage

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Das wäre dann wohl die "Hitler Passage". Angesichts einer solchen Philosophie wundert es mich nicht mehr, dass so viele intellektuelle Leute dem Typen hinterher und in den Abgrund gerannt sind. Denen wurde es einfach eingebleut.

Schade, dass man sowas hierzulande nicht in Schule/TV/Debatten lernt. Ich nehme an, es würde den beiden Narrativen schaden, dass Deutsche grundätzlich böse sind und auch, dass die Linke besser ist. Deren Patron Marx nämlich bezieht sich auf Hegel. Und wenn Hegels Arbeit aus gefährlichem Dünnpfiff besteht, dann... besser mal nicht weiterdenken.

DAnke für das erwähnen der Linken! Hab mir schon beim lesen gedacht, "irgendwie klingt das nach der Paradeausrede aller Ideologien".
Ob ich das dann auf die EU als supranationales Gebilde, oder den Klimawandel umlegen bleibt sich ja gleich, lediglich das Ziel änert sich.

Gerade darum lernt man sowas auch nicht in der Schule, und hört es nicht in den Medien :)

Ich verstehe langsam auch die Meinung von Woodow Wilson über Deutschland:

"I have always detested Germany. I have never gone there. But I have read many German books on law. They are so far from our views that they have inspired in me a feeling of aversion."

(Ich habe Deutschland immer verabscheut. Ich bin dort nie gewesen. Aber ich habe viele deutsche Jura-Bücher gelesen. Sie sind so weit von unseren Vorstellungen entfernt, dass sie mich zu einem Gefühl der Ablehnung bewegt haben.)

An der Uni war er in den 1870ern und das heisst, dass er bei seiner Ausbildung die volle Wucht deutscher Selbstüberhöhung abbekommen hat. Bedenkt man, dass sich das Recht (auch) aus der Philosophie ableitet kann man sich denken, was er an Deutschland wirklich furchtbar fand. Ich kann ihn irgendwie verstehen.

Hat was für sich das Zitat.

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