Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 50v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

Zur vorangegangenen Passage geht es hier.

Fichte über die Bildung als Mittel der Sozialisierung

Johann Fichte war ein Schüler von Kant. Geboren im Jahr 1762 studierte er in Jena, Wittenberg und Leipzig Theologie und Philosophie. 1788 las er dann Kants Kritik der reinen Vernunft und es sollte Fichtes Leben verändern. Er reiste nach Königsberg, um sich dort mit Kant zu treffen, dem damals wichtigsten Philosophen Deutschlands. Der große Mann aber war zunächst distanziert, weshalb sich Fichte in Königsberg als Tutor verdingte und dabei an seinem Moraltraktat Versuch einer Kritik aller Offenbarung arbeitete. Als er damit fertig war widmete er das Buch Kant. Daraufhin las es Kant, er bewunderte es und wollte, dass es publiziert wird. Im Jahr 1792 wurde es dann anonym veröffentlicht und daraufhin war Fichte in den Intellektuellenzirkeln ein Name: Der Stil des Buches erinnerte stark an Kant und der Inhalt hätte von Kant selbst stammen können und es hätte gut und gerne seine Vierte Kritik sein können. Kant verneinte die Autorenschaft und lobte stattdessen den jungen Autor, was dessen akademischer Karriere den entscheidenden Schub verlieh.

Sein großer Durchbruch aber - das Ereignis, mit dem sich Fichte dauerhaft nicht nur als führender Philosoph sondern auch als kultureller Anführer etablieren konnte - kam erst 1807. Ein Jahr nach Napoleons Niederlage gegen die Preußen trat Fichte öffentlich auf und rief leidenschaftlich dazu auf die Waffen zu ergreifen; es waren seine Ansprachen an die deutsche Nation.

In seinen Ansprachen nahm Fichte die Perspektive eines Philosophen ein, der die Abstraktionen aufgab, um den Kontakt zum praktischen Leben zu knüpfen, und zwar um das praktische Leben in den Kontext des Metaphysischen zu setzen. Er sprach zu den geschlagenen Deutschen und rief sie zu einer Erneuerung ihres Geistes und Charakters auf. Die Deutschen hatten den physischen Kampf verloren, so Fichte, nun aber stand etwas noch wichtigeres auf dem Spiel: Der wahre Kampf war der Kampf um den Charakter.

Wie konnte Deutschland nur unter die Herrschaft Napoleons geraten? Fichte gab zu bedenken, dass viele Faktoren verantwortlich waren, von denen die meisten etwas mit Infiltrierung oder Verweichlichung und aufklärerischen Gedanken zu tun hatten - "alles Böse, das uns nun den Ruin brachte stammte aus dem Ausland" - und dass es vieler Reformen bedarf in den Bereichen des Militärs, der Religion und der Regierungsverwaltung.

Das fundamentale Problem für ihn aber war klar: Das deutsche Bildungssystem hat versagt. Nur mit einer völligen Revision der Bildungsmethoden für Kinder kann Deutschland darauf hoffen, vor den Napoleons der Zukunft sicher zu sein. "In einem Wort, es ist die völlige Veränderung des existierenden Bildungssystems, das ich vorschlage, da dies der einzige Weg ist, die Existenz der deutschen Nation sicherzustellen." In Fichtes Bildungsphilosophie sind Themen von Rousseau, Hamann, Kant und Schleiermachr in einem Paket zusammengefasst, das noch mehr als ein Jahrhundert später Einfluss haben sollte.

In seinen Ansprachen kommen keine Zweifel auf, welches abstrakte System Fichte für das richtige hält. Mit Kant "wurde das Problem für uns vollständig gelöst und die Philosophie wurde perfektioniert." Allerdings wurde Kants Philosophie noch nicht systematisch auf die Bildungsmethoden für Kinder umgesetzt.

Fichte begann mit einem Rückblick, um zu sehen, wie Deutschland in diese Lage geraten konnte. Deutschland war einst ein große Nation. Im Mittelalter "waren die deutschen Bürger zivilisierte Menschen," und "diese Periode ist die einzige in der deutschen Geschichte, in der diese Nation berühmt und brilliant war." Das großartige an diesen Bürgern war ihr "Geist der Frömmigkeit, der Ehre, der Bescheidenheit und des Gemeinsinns untereinander." Sie waren groß, weil sie nicht individualistisch waren. "Selten nur stand da der Name einer Person, die sich abheben wollte, vielmehr waren sie alle ähnlich gesinnt und opferten sich für das gemeinsame Wohl."

Fichte war allerdings kein konservativer Apologet der guten alten Zeit. In Bezug auf das feudale Deutschland war er ein Reformer, der glaubte, dass es letztlich die korrupte Oberschicht war, die das Land ruiniert hat: "Ihre Blüte [wurde] zerstört von der Habgier und Tyrranei der Prinzen." Dazu wurden die Deutschen von der modernen Welt korrumpiert, weswegen sie letztlich im Angesicht von Napoleon impotent dastanden. Was aber an der modernen Welt hat zu dieser Korruption geführt? Die Selbstsucht: "Die Selbstsucht hat sich mit ihrer Ausbreitung völlig selbst zerstört," und ein "Volk kann völlig korrumpiert sein, beispielsweise aufgrund von Selbstsucht - diese Selbstsucht ist die Wurzel aller anderen von Korruption."

Zur nächsten Passage

Sort:  

Wer mehr über den Reiz des deutschen Mittelalters erfahren möchte, dem sei dieser Beitrag von @sevenseals über die hochmittlalterliche Blüte im deutschen Reich empfohlen.

Sneaky Ninja Attack! You have been defended with a 5.39% vote... I was summoned by @doodlebear! I have done their bidding and now I will vanish...Whoosh

This post has received a 20.16 % upvote, thanks to: @doodlebear.

Coin Marketplace

STEEM 0.18
TRX 0.16
JST 0.030
BTC 62863.58
ETH 2464.59
USDT 1.00
SBD 2.62