Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 29v100

in #busy7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Heidegger und der Postmodernismus

Heideggers Philosophie besteht in der Integration der beiden Hauptlinien deutscher Philosophie, der spekulativ-metaphysischen und der irrationalistisch-epistemologischen. Nach Kant verabschiedete sich die kontinentale Tradition schon bald unverdrossen von der Vernunft und stürzte sich auf wilde Spekulationen, zusammenprallenden Willen und verstörende Emotionen. In Heideggers Synthese der kontinentalen Tradition finden sich entsprechend ganz offensichtlich viele der Zutaten des Postmodernismus. Heidegger bot seinen Anhängern die folgenden Schlussfolgerungen, von denen alle mit nur leichten Modifikationen von den Postmodernisten übernommen wurden:

  1. Konflikte und Widersprüchlichkeiten sind die tiefsten Wahrheiten der Realität.
  2. Die Vernunft ist subjektiv und nicht in der Lage, Wahrheiten über die Realität zu erkennen.
  3. Die Bestandteile der Vernunft - Worte und Konzepte - sind Hindernisse, die auseinandergenommen und weggeräumt oder alternativ demaskiert werden müssen.
  4. Logische Widersprüche sind kein Zeichen des Scheiterns und haben grundsätzlich keine Bedeutung.
  5. Gefühle, und vor allem morbide Gefühle der Unruhe und Angst sind ein besserer Leitfaden als die Vernunft.
  6. Die gesamte westliche Philosophietradition - ob Platon, Aristoteles, Locke, oder ob sie kartesianistisch ist - die auf dem Gesetz der Nichtwidersprüchlichkeit und der Unterscheidung zwischen Objekt und Subjekt basiert ist ein Gegner, den es zu überwinden gilt.

In dieser Liste fehlt noch Heideggers starker sozialer und politischer Kollektivismus, den er ebenfalls von den beiden Hauptlinien deutscher Philosophie geerbt hat. Allerdings war dies nie so explizit, wie Heidegger es ausdrückte, der überdies auch starke wissenschafts- und technologiefeindliche Ansichten hegte. Auch Heideggers Humanismusfeindlichkeit kam noch nicht zur Sprache und seine regelmässigen Aufrufe dazu, sich dem Sein zu unterwerfen, sich dem Sein gegenüber schuldig zu fühlen, dem Sein zu gedenken, und sogar "die Menschheit für die Wahrheit des Seins zu opfern" - etwas, das wenn wir noch immer logisch schlussfolgern dürfen bedeutet, dass wir uns dem Nichts opfern sollen. (Diese Elemente in Heideggers Philosophie werden in Kapitel vier eine Rolle spielen im Zusammenhang mit den politischen Hintergründen des Postmodernismus.)

Die Postmodernisten werden in der nachfolgenden Generation die metaphysischen Überbleibsel und die gelegentlichen Streifzüge in den Mystizismus in Heideggers Philosophie über Bord werfen. Heidegger betrieb noch immer Metaphysik und er sprach davon, dass es da draußen in der Welt eine Wahrheit gibt und wir sie suchen müssen, oder sie uns sie finden lassen muss. Die Postmodernisten dagegen sind Antirealisten und halten es für sinnlos, nach Wahrheiten da draußen zu suchen oder nach einer Sprache, die diese einfangen könnte. Als Antirealisten werden sie auch jegliche Formulierungen metaphysischer Annahmen ablehnen und anstattdesen die Annahme vertreten, dass mit allgegenwärtigen Konflikten und Widersprüchen lediglich der Fluss empirischer Phänomene beschrieben wird; und auch wenn sie den dritten Punkt voll übernehmen werden, so werden sie Heideggers leise Hoffnung aufgeben, dass die ultimativen uns mit der Realität verbindenden Urkonzepte am Ende enthüllt und demaskiert werden können.

Die Postmodernisten werden einen Kompromiss erzielen zwischen Heidegger und Nietzsche. Auf epistemologischer Ebene haben sie mit Heidegger und Nietzsche gemein, dass sie die Vernunft heftig ablehnen. Metaphysisch dagegen werden die Postmodernisten alle Versuche Heideggers nach dem Sein zu suchen aufgeben und anstatt Nietzsches Drang nach Macht in die Mitte des Daseins stellen. Vor allem Foucault und Derrida und insgesamt die meisten wichtigen Postmodernisten werden Nietzsches Sinn für die Verherrlichung des menschlichen Potenzials aufgeben und sich anstattdessen Heideggers Humanismusfeindlichkeit zu eigen machen.

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