Josef Madersperger: ein österreichisches Erfinderschicksal // Josef Madersperger: an Austrian inventor's fate

in #deutsch6 years ago (edited)

Ein Erfinder der Nähmaschine [DE]

Ein Denkmal im Resselpark am Wiener Karlsplatz erinnert an den Schneidermeister Josef Madersperger, dessen Geburtstag sich am 6. Oktober 2018 zum 250. Mal jährt. Sein Name reiht sich ein in die Liste jener Erfinder, die aus ihren genialen Ideen kein Kapital schlagen konnten und letztendlich verarmt starben.

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Josef Madersperger wurde in Kufstein in Tirol als Sohn eines Schneiders geboren. Wie zu jener Zeit üblich, erlernte er das Handwerk seines Vaters. Nach einem Brand des Elternhauses machte er sich 1790 mit seinem Vater zu Fuß auf in die Residenzhauptstadt Wien, wo er bis zu seinem Tode auch lebte.

Das Textilgewerbe erlebte um die Wende zum 19. Jahrhundert einen Aufschwung. Madersperger begann, sich intensiv damit zu befassen, wie die mühevolle Arbeit des Handnähens maschinell erleichtert werden konnte.

Die Nähhand

Nach jahrelangen Vorarbeiten, in die er all seine Freizeit und Ersparnisse gesteckt hatte, konnte er schließlich 1814 ein Gesuch um die Verleihung eines Privilegs (Patent) für seine Konstruktion einer mechanischen "Nähhand" einreichen. Mit der zweispitzigen Nadel und dem Öhr in der Mitte wurden die Bewegungen der menschlichen Hand nachgeahmt. Ein Jahr nach dem Ansuchen wurde ein auf sechs Jahre befristetes Patent auf die Erfindung gewährt.

Allerdings gelang es Madersperger nicht, die erforderlichen Taxen für das ersehnte Patent aufzubringen. Er fand auch keine Gönner, die ihm das erforderliche Kapital für eine technisch ausgereifte Konstruktion und Vermarktung seiner Erfindung vorgestreckt hätten. Das Patent erlosch ungenutzt.

Trotzdem gab der Konstrukteur nicht auf und tüfftelte weiter an seiner technischen Innovation. Er reichte noch zwei weitere Gesuche um Patentierung ein, die jedoch abgelehnt wurden.

1835 präsentierte Madersperger auf der ersten Wiener Gewerbeausstellung einen "Doppelstoff", den er aus Geweben aus Baum- oder Schafwolle und Flanell zusammengenäht hatte. Die dafür verwendete Maschine, die letzte Konstruktion seiner "Nähhand", konnte bereits mit Hilfe zweier Nadeln mit dem Öhr an der Spitze einen endlosen Faden mitführen und durch das Verschlingen der Fäden Steppnähte herstellen. Der Arbeitsgang war allerdings noch nicht vollständig mechanisiert.

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"Nähhand" um 1830, Technisches Museum Wien (Quelle)

Die aus Holz, Eisen und Messing zusammengebaute Maschine, vermachte Madersperger 1838 dem Wiener Polytechnischen Institut (Technische Universität Wien). Heute ist allerdings nur noch der Mechanismus erhalten, der im Technischen Museum Wien ausgestellt ist.

Im Frühjahr 1841 kämpfte der Erfinder noch einmal für sein Lebenswerk und stellte beim neu gegründeten niederösterreichischen Gewerbeverein ein Ansuchen um Förderung seiner Erfindung. Statt einer finanziellen Unterstützung erhielt er ein bronzene Medaille, obwohl die Kommission bescheinigte, dass die Maschine "... vielleicht in weiterer Folge irgendwie wichtig werden könne."

Vier Tage vor seinem 82. Geburtstag, am 2. Oktober 1850, verstarb Josef Madersperger mittellos in einem Bürgerversorgungshaus und wurde in einem Schachtgrab auf dem St. Marxer Friedhof begraben.

Der Siegeszug der Nähmaschine

Madersperger war nicht der einzige, der sich im 19. Jahrhundert mit der Konstruktion einer mechanischen Nähhilfe beschäftigte. Im Jahr 1830 erhielt Barthelemy Thimonnier, ein französischer Schneider, das Patent für ein voll funktionsfähiges Gerät, das als Basis der heutigen Nähmaschine gilt. Er eröffnete weltweit die erste Nähmaschinenfabrik, die jedoch von den Pariser Schneidern gestürmt wurde, die um ihr Nähhandwerk fürchteten.

1945 erfand der Amerikaner Elias Howe eine Zweifaden-Nähmaschine, die 300 Stiche pro Minute schaffte. Er hatte jedoch Schwierigkeiten mit der Vermarktung seiner Maschine und versuchte sein Glück daher in England. Zurück in Amerika, musste er feststellen, dass Isaac Merritt Singer sein Steppstichverfahren kopiert hatte. Howe ging mit einer Patentrechtsklage vor Gericht gegen Singer vor. Das Verfahren endete mit einer Nachzahlungspflicht von Lizenzgebühren an Howe.

Isaac Merritt Singer war einer der erfolgreichsten Nähmaschinenproduzenten. Seine mit vergoldeten Ornamenten verzierten Nähmaschinen sind heute begehrte Sammlerstücke.

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Quelle

Quellen:
Heinz Jankowsky, Österreichs große Erfinder, 2000
Josef Madersperger (Wikipedia)


An inventor of the sewing machine [EN]

A monument in the Resselpark at Vienna's Karlsplatz remembers the master tailor Josef Madersperger who was born 250 ago, on October 6, 1768. He is one of those inventors who could not capitalize on their ingenious ideas and end up dying in poverty.

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Josef Madersperger was born in Kufstein in Tyrol, as the son of a tailor. As it was customary at that time, he learned his father's trade. After a fire in his parents' house in 1790, he and his father set off on foot for Vienna, where he lived until his death.

The textile industry expanded at the turn of the 19th century. Madersperger began to work intensively on how the laborious work of hand sewing could be made easier by machine.

The "Nähhand" (Sewing Hand)

After years of preparatory work, into which he had put all his free time and savings, he was finally able to submit an application for a privilege (patent) for his construction of his mechanical "Nähhand" in 1814. With the two pointed needle and the needle-eye in the middle the movements of the human hand were imitated. One year after his application, a patent was granted for a limited period of six years.

However, Madersperger was not able to pay the necessary taxes for the desired patent. Nor did he find any patrons who would have provided him with the necessary capital for a technically mature construction and marketing of his invention. The patent expired unused.

Nevertheless, the constructor did not give up and continued to work on his technical innovation. He filed two more patent applications, but they were rejected.

In 1835 Madersperger presented a so called "Doppelstoff" (double fabric) at the first Viennese trade exhibition. He had sewn it together from fabrics like cotton, sheep's wool and flannel. The machine used for this was the last construction of his "Nähhand". It could already carry an endless thread with the help of two needles with their needle-eyes at the tip. By twisting the threads, quilting seams could be produced. However, the process was not yet fully mechanized.

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"Nähhand" about 1830, Vienna Museum of Technology ( (source)

The machine, assembled from wood, iron and brass, Madersperger gave to the Vienna Polytechnic Institute (Vienna University of Technology) in 1838. Today, however, only the mechanism is exhibited at the Vienna Museum of Technologie.

In spring 1841, the inventor fought once again for his life's work and applied to the newly founded Lower Austrian trade association for support for his invention. Instead of financial support, he received a bronze medal, although the Commission certified that the machine "... might somehow become important in the future."

Four days before his 82nd birthday, on October 2, 1850, Josef Madersperger died penniless in a public pension institution. He was buried in a shaft grave at the St. Marx cemetery.

The triumphal march of the sewing machine

Madersperger was not the only one who worked on the construction of a mechanical sewing aid in the 19th century. In 1830, Barthelemy Thimonnier, a French tailor, received the patent for a fully functional machine, which is the basis of today's sewing machines. He opened the world's first sewing machine factory, which was however stormed by the Parisian tailors who feared for their jobs.

In 1945, the American Elias Howe invented a two-thread sewing machine that made 300 stitches per minute. However, he had difficulties marketing his machine and therefore he tried to be successful in England. Back in America, he found that Isaac Merritt Singer had copied his lockstitch technique. Howe filed a patent lawsuit against Singer in court. The proceedings ended with Singer having to pay royalties to Howe.

Isaac Merritt Singer was one of the most successful sewing machine manufacturers. His sewing machines decorated with gilded ornaments are now popular collectors' items.

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source


related sources:
Heinz Jankowsky, Österreichs große Erfinder, 2000
Josef Madersperger (Wikipedia)

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Danke für den sehr informativen Beitrag :)

Im Frühjahr 1941 kämpfte der Erfinder

Da ist wohl ein kleiner Tippfehler ;)


Beste Grüße.

Ich danke dir für das aufmerksame Lesen, lieber Taldor :)

Dieser Lapsus, den ich natürlich sofort ausgebessert habe, ist mir leider trotz mehrmaligem Durchlesen unterlaufen.

Spannend, wieder was gelernt, wobei ich immer dachte auch Singer wäre eine österreichische Marke... Madersperger war offensichtlich seiner Zeit weit voraus, das Timing ist eben auch oft wichtig ;-)

Ich wusste auch nicht, dass die Singer Nähmaschinen ursprünglich aus den USA stammen.

Vielleicht lag es auch an mangelnden Marketingfähigkeiten von Madersperger, warum ihm der Durchbruch nicht gelungen ist. Dass die Zeit reif war, sieht man den Erfolgen anderer Erfinder, die sich ziemlich zeitgleich mit der Konstruktion der Nähmaschine beschäftigt haben.

Super interessant, danke für diesen tollen Bericht, liebe Anna!

Vielen Dank liebe Chriddi :)

Hallo Anna,

es klingt so unfassbar, ist aber trotzdem wahr.
Seit über 10 Jahren laufe ich fast täglich an einem alten Holzhaus vorbei, in dem eine der ganz alten Singer-Standmaschinen steht. Das Haus ist unbewohnt, das Dach deckt sich langsam selbst ab und ich darf den Besitzer nicht fragen, ob ich die Nähmaschine ins Trockene retten darf.
Alleine das Bekunden von Interesse macht die Singer augenblicklich unverkäuflich.
Es ist immer wieder zu bedauern, dass Dummheit keine Schmerzen verursacht.

Liebe Grüße
Wolfram

Hallo Wolfram,

eine starke Geschichte! Wie schade, dass ein so edles Stück vor sich hingammeln muss. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Maschinen oder Fahrzeuge aus vergangenen Zeiten in Kellern, Schuppen oder auf Dachböden dem Verfall preisgegeben werden. Sei es aus Unwissenheit, Desinteresse, Intoleranz oder einfach Dummheit, wie es in deinem Fall scheint.

Liebe Grüße aus Wien

Wenn Dummheit und erweckte Gier sich paart - dann kann es kompliziert werden.

Sehr interessant und lehrreich! Danke!

Danke für's Vorbeischauen :)

Meine Großmutter hatte so eine ähnliche Nähmaschine


das war für mich mein Raumschiff, bin auf dem Treter gesessen und habe mit dem Antriebsrad gesteuert (und manchmal meine Finger eingezwickt).

Das sind schöne Kindheitserinnerungen! Weißt du, ob die Nähmaschine noch existiert?

Die Nähmaschine meiner Mutter, die sehr ähnlich aussieht wie jene auf dem Foto, steht inzwischen bei meiner Schwester und wird bestimmt die nächste Generation auch noch erfreuen.

Die ist schon lange nicht mehr in der Familie. Ich bin als 19 jähriger weg von Wien und in der Zwischenzeit hat sich viel geändert. Alles was von der Zeit erhalten blieb sind einige alte Bücher meines Großvaters die er mir geschenkt hat, sowie einige Fotoalben. Ja, und eine silberne Schnupftabakdose die ich mit mir von Ort zu Ort brachte.

Oh wow. Wie ich diese alten Nähmaschinen liebe. 😄 Danke für den Artikel. Mit der Geschichte habe ich mich nie auseinander gesetzt.

Ich finde diese alten Nähmaschinen auch wunderschön. Meine Mutter hatte noch eine mit Trittbrett. Heute hat das gute Stück einen Ehrenplatz bei meiner Schwester :)

Ohhh wundervoll. 😍
Ich hätte auch so gerne eine.

So edle teile machen sich immer gut finde ich. 😄😄😄

Danke. Super interessant und gut geschrieben.

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Servus,

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Meine Mutter hatte so eine Nähmaschine, mit ihr hat sie uns behalten und ich glaube schöne Klamotten mit ihr ... Dieses Foto hat mich zum Lächeln gebracht, weil es mich an meine Mutter erinnert. Danke fürs Teilen!

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