Mein Leben als Zombieanleger

in #zombie5 years ago

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Als Buy&Hold-Anleger hat man es manchmal nicht so leicht, da gerade Charakteren aus dem eher spekulativen Milieu einen mit gut gemeinten Tipps nur so überschütten. Das hätte man wesentlich besser absichern müssen! Da hätte man reagieren können! Dabei verstehen sie üblicherweise nicht, was eben eine Buy&Hold-Strategie im Kern ausmacht! Eben genau dieses ganze Hintergrundrauschen auszuschalten und nicht an sich heran zu lassen.

Das ist schon fast mehr meditatives Training als Investieren. Nicht ohne Grund gab die Börsenlegende Kostolani (übrigens ein Spekulant ;)) den Tipp, dass man sich ein paar Aktien kaufen sollte und danach Schlaftabletten. Würde man dann wieder aufwachen, wäre alles okay. Natürlich muss man da auch immer ein wenig sein Augenzwinkern drin erkennen, aber ich kann da im Kern nur zustimmen.

Ein besonders garstiger Vertreter aus dem spekulativen Milieu beschimpfte mich gar einmal als „Zombie-Investor“, weil man quasi „Hirntod“ und mit aller Gemächlichkeit am Markt agieren würde. Ich stimmt zu, was ihn dann erst recht in rage geraten ließ. Aber ich kann mich durchaus mit einem Zombie identifizieren. Ich brauche für das Agieren am Markt nicht besonders viel Wissen. Chart-Analyse Orakel, Fundamentalanalyse jede Woche, ein Gespür für den Markt ...

Nichts davon brauche ich. Ich muss nur ein solides Unternehmen finden und einmalig eine Entscheidung treffen. Danach lege ich mich wieder schlafen und fresse lieber das Gehirn von anderen als das eigene zu sehr ständig damit zu belasten. Und kommt doch mal jemand daher und schießt einen in den Kopf, dann steht man immer wieder auf, schüttelt sich ein paar Mal und geht dann seinen Weg weiter.

Da kann man durchaus schon einige Male im Staub liegen bis man an seinem Ziel ankommt. Natürlich sieht man dann auch eher abgewrackt aus und ist nicht einer dieser glorreichen Investoren, die immer richtig lagen und sich emporheben gegenüber den tausenden der Gescheiterten hinter sich. Aber mir geht es hier ums Geschäft und nicht um Ruhm.

Lasst uns also einmal ansehen, wie man so als Zombie investieren kann und dabei so richtig auf die Fresse kriegen kann. :) 2015 erwarb ich Aktien der Firma „RIB Software“, die sich auf Software im Umfeld des Bauwesens eine Nische aufgebaut hat, die ich für vielversprechend hielt. Bewusst auch als eine eher spekulativeren Titel im eigenen Depot. Wer bereits eine Weile dabei ist, wird sie vielleicht kennen.

Der Einstandspreis lag damals bei ca. 13 € und war damals bereits recht hoch bewertet. Mir ging es aber nicht ums Timing, also bin ich rein. Bis 2017 entwickelte sich die Aktie wie vorhergesagt, langsam und stettig nach oben. Zum Ende des Jahres lag man dann bei 20 € und blieb relativ lange auf diesem Niveau. Endes des ersten Quartals 2018 kam überschlugen sich dann die Ereignisse. Eine gute Nachricht jagte die nächste und man muss wissen, dass es ständig Übernahmegerüchte seitens größerer Softwarefirmen bei RIB gibt.

Der Kurs stieg massiv an und ich war erstmalig auch als Buy & Hold-Anleger an einem Punkt, dass ich mir gedacht habe, dass die Kiste langsam ein wenig heiß wird. Ich hätte hier ausnahmsweise wohl auf das Gefühl hören sollen, aber da niemand in die Zukunft sehen kann, hätte es auch anders weiterlaufen können. Ich hielt sie... Marktschwankungen interessieren mich nicht, weder nach oben, noch nach unten.

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Ich rechnete mit einer Korrektur, aber was dann kam, habe ich so nicht erwartet. Die Kurse brachen um über 50% ein und stürzten auf fast 18€ herunter. Einige Bekannte stiegen an dieser Stelle aus, um ihre Verluste zu begrenzen. Ein aus meiner Sicht eher dämmliches Argument, wenn man gerade mit 50% baden gegangen ist.

Das gesamte Jahr 2018 schien ihnen aber recht zu geben. Nicht mehr als Crash ging die Aktie allerdings weitr nach unten, sondern folgte einem allgemeinen Siechtum nach Süden, was dann Ende 2018 noch durch die eingetrübte Marktsituation insgesamt beschleunigte. Bis auf 9,5€ ging es insgesamt abwärts und damit unter meinem Einstandspreis.

Aber was soll man als Hirntoter auch tun? Genüsslich ein wenig vor sich an einer Protein-Mahlzeit herumschmatzen, stärkere Rücksätzer mit einem edlen Getränk begießen und mal gucken, was es sonst so an der Börse gibt. Und natürlich das Gespött jener Leute anhören, die zwischenzeitlich raus gegangen sind um ihre Verluste zu begrenzen.

Mit dem neuen Jahr 2019 kam dann die Wende. Da die Ziele des Unternehmens grundsätzlich weiterhin intakt waren, lief der Kurs langsam und konstant in einer sehr gesunden Form weiter nach Norden. Aktuell sind wir wieder über 20€. Wir haben hier also sowohl eine fantastische Höchstgrenze gesehen, sowie einen extrem tiefen Fall. Und am Ende bin ich immer noch im Plus.

Ca. 60% im Plus zzgl. einer Dividende von ca. 5%. Der behässigte Spekulant mag nun anmerken, dass man da ja hätte alles mögliche im Chart sehen können und ruhig ein paar Gewinne hätte mitnehmen können, um dann wieder günstiger einzusteigen. Die meisten bleiben allerdings eben Maulhelden, die so ein Wissen nur im nachhinein haben. Wäre es alles so klar gewesen, wo sind sie den denn gewesen?

Vielleicht wäre der Kurs von 35€ ja nur der Auftakt zu mehr gewesen, weil eben ein Übernahmeangebot auf den Tisch kam. Ja, die Stimmung war dort Bombe und entsprechend sollten da alle Alarmglocken angehen. Aber Buy & Hold ist eben auch dann, wenn man solche Stimmungen einfach mal ignoriert und sich auch da nicht verunsichern lässt.

Einer der Verlustbegrenzer ist nun übrigens wieder eingestiegen. Nicht bei 9€, sondern jetzt zu 20€. Das ist ziemlich genau der Punkt an dem er damals verkauft hatte. Aber die Marktlage sei ja nun eine ganz andere! Stürzt es nun wieder ab, hat er seine Verluste nicht begrenzt, aber einiges an Transaktionsgebühren bezahlt.

Für mich als hirntoter Anleger klingt das nach einer eher dummen Anlagestrategie. Ich habe mir noch ein paar Aktien der Deutschen Börse ins Depot gelegt, weil es scheinbar einen guten Markt für zittige Anleger gibt und werde nun einfach noch ein wenig sabbernd die Wand anstaren und mal abwarten, wie sich das alles langfristig so entwickeln mag.

Als Zombie mag man vielleicht nicht der smarteste der Anleger sein. Aber zumindest hat man als solcher Anleger sehr viel Zeit und streßt sich nicht die ganze Zeit so. Es hat seinen Grund, dass in den Filmen die Zombie in ihren Häusern immer solange warten bis eine Gruppe von Leuten reinkommt. Man muss dann eben sich nur kurz anstrengen. Ständig nur etwas hinter herlaufen kann so anstrengend sein... ;)

Wie immer gilt, dass dies keine Anlageberatung ist. Ich stelle hier meine persönliche Strategie vor, die ich selbst fahre und davon überzeugt bin. Nicht jede Strategie funktioniert für jeden Anleger gleich. Ich versuche bewusst zu zeigen, dass nicht jeder der eigenen Entscheidungen (oder Nicht-Entscheidungen) unbedingt das Ergebnis liefern, dass man erwartet hat. Trotzdem glaube ich, dass mit etwas Geduld man am Ende besser darsteht als mit dem Unsicherheitsfaktor Zukunft ständig zu interagieren. Ich hoffe das ist ein wenig unterhaltsam gelungen ;)

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Werde im Kryptobereich wohl auch zum Zombieanleger, da ich hauptsächlich überall für sehr long drin bin.

Außerdem kann man sich durch deine Taktik einiges an Zeit, Nerven und versehentlichen Verkäufen sparen ;-)

Posted using Partiko Android

Werde im Kryptobereich wohl auch zum Zombieanleger, da ich hauptsächlich überall für sehr long drin bin.

Ja, dass macht vermutlich auch in anderen Bereichen Sinn. Man denke ja nur mal an Immobilien. Niemand käme auf die Idee eine zu kaufen und diese 2 Tage später wieder zu verticken. Glaubt man etwas mit echten Wert zu haben, sollte er langfristig steigen.

Außerdem kann man sich durch deine Taktik einiges an Zeit, Nerven und versehentlichen Verkäufen sparen ;-)

Definitiv. Wenn es einem also mal wieder unter dem Finger juckt (die Vegetarier mögen mir vergeben...), einfach mal ein saftiges Steak in die Pfanne hauen. Danach ist man meist gar nicht mehr so trigger happy ;)

hahaha :D

seit wann hast du nen Witness laufen? :O

Oh je, da war was. Seit ich realisiert habe, dass der Speicher der Maschinen hier leider bei weitem nicht dazu ausreicht und ich das Hardwareupgrade seit ein Jahr vor mir her schiebe ;)

Aber in diesem Jahr gab's dich MIRA.. also sollten die Anforderungen jetzt (sehr?) viel geringer sein..

Will auch nen Node laufen lassen. Muss mich aber erstmal um ne Lebensbasis und nen Ort zum Leben (und dann auch für die Node) kümmern..^^

MIRA ist mir tatsächlich entgegangen. Als ich damals rumspielte brauchte man nahezu 16 GB RAM. Unter Berücksichtigung, was da sonst noch so drauf lief, war das dann doch zu fordernd. Werde ich mir nochmal ansehen.

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