Nichts

in #yolo5 years ago

Vor ein paar Jahren hatte ich meiner Lehrerin "Nichts" ans Herz gelegt und ihr vorgeschlagen, dass wir das doch im Unterricht lesen könnten. Letztes Wochenende auf einem Klassentreffen haben sich meine ehemaligen Schulkollegen an das Buch erinnert und daran, mit was für Widerwillen sie es damals gelesen hatten.

Heute wurde ich von @theaustrianguy dazu animiert über ein Buch zu schreiben und auch wenn Nichts nicht zu meinen Lieblingsbüchern gehört, gehört es dennoch zu den wenigen Geschichten, die mir von vorn bis his hinten im Gedächtnis geblieben sind. Diese Geschichte werdet ihr aber nicht lesen, sondern eure eigene.

Stell dir vor, du sitzt gerade im Unterricht. Oder in der Vorlesung oder in der Arbeit. Und es gibt da einen Kollegen den du gut kennst. Ihr seht euch jeden Tag und eigentlich sind eure Lebenswege nicht allzu unterschiedlich. Aufeinmal steht dieser Kollege ganz abrupt auf. Er verkündet laut, er hatte gerade eine Erkenntnis.

"Nichts bedeutet irgendetwas,
das weiß ich seit Langem.
Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun.
Das habe ich gerade herausgefunden."

Du hast keine Ahnung was du antworten sollst und die anderen Kollegen auch nicht. Der Kollege marschiert nach dieser Aussage aus dem Gebäude und setzt sich auf eine Bank vor dem Gebäude. Jeden Tag sitzt er auf dieser Bank und zieht seine vorbeigehenden Kollegen damit auf, dass sie ihren Verpflichtungen nachgehen, obwohl diese schlussendlich zu Nichts führen. Deine Kollegen und du versucht das Ganze so gut es geht zu ignorieren, aber der Kollege auf der Bank macht sich hartnäckig über euch lustig.

Eines Tages wird es einer Kollegin zu viel und sie veranlasst ein Besprechen mit der gesamten KollegInnenschaft. Während dieser Besprechung, eröffnet sie einen Plan, um dem Kollegen auf der Bank zu beweisen, dass es Sinn gibt. Der Plan schaut so aus, dass von allen Kollegen ein Objekt, das demjenigen von Bedeutung ist, gesammelt und zusammengelegt wird. Diese Ansammlung von Bedeutungen soll am Ende dem Kollegen auf der Bank gezeigt werden, um ihm das Gegenteil seiner Aussage zu beweisen und ihn wieder auf die rationale Seite der Gesellschaft zu bringen. Da logischerweise kein Kollege dazu bereit wäre, ein Objekt, das ihm von wahrer Bedeutung ist, zu opfern, beschließt ihr folgendes: Der Kollege, der ein Objekt opfern muss, darf sich anschließend einen anderen Kollegen aussuchen und auch das Objekt, das dieser Kollege opfern muss.
Ihr seid alle einverstanden, weil ihr den Kollegen auf der Bank nicht mehr aushält und ihm ein für alle Mal zeigen wollt, dass es Bedeutung auf der Welt gibt.
Das Projekt nennt ihr den "Bedeutungsberg".

Die erste Kollegin muss ihr Armband abgeben. Sie sucht sich einen Kollegen aus, der Tag ein Tag aus von seinen Sneakers schwärmt. Diese muss er opfern und er ist natürlich am Boden zerstört. Er sucht dich als nächsten Opferer aus und entscheidet sich für dein Smartphone als Opfer. Du bist komplett versteinert. Dein Smartphone? Aber dein Smartphone ist doch essentiell. Auf deinem Smartphone ist alles. Deine Erinnerungen, deine Zukunftspläne, dein Medium und deine Vision. Wie kann von dir so ein Opfer verlangt werden. Du wirst jedoch dazu gedrängt. Du hast keine Wahl und gibst dein Smartphone her. Du verfluchst das Projekt und schwörst insgeheim Rache. Du suchst dir eine Kollegin aus, die dir seit Monaten Fotos von ihrem Fisch zeigt. Du verlangst von ihr, ihren geliebten Fisch zu opfern. Sie weint tagelang bis sie eines Tages mit der Idee kommt, dass ein Kollege die Urne seiner verstorbenen Mutter opfern muss. Das Spiel geht wochenlang so weiter und mangelt nicht an Grausamkeit mit den eskalierenden Opfergaben die von Unschuld bis hin zu Gliedmaßen reichen.
Als das Projekt abgeschlossen wird, werden die öffentlichen Medien auf euch aufmerksam. Ein Museum für Gegenwartskunst kontaktiert euch und bietet euch eine Summe von über 50 Millionen Euro für den "Bedeutungsberg" an. Ihr könnt es kaum fassen, dieses Projekt hat euch tatsächlich reich gemacht!
Ihr ruft als Kollektiv den Kollegen auf der Bank zu euch und zeigt ihm stolz euren "Bedeutungsberg".
Ihr zeigt ihm all die Objekte die von Bedeutung sind und somit das Leben mit Sinn erfüllen.
Ihr erwartet ein Erstaunen, einen Ausruf der Anerkennung von dem Kollegen, doch es kommt

Nichts.
"Falls dieser Misthaufen jemals etwas bedeutet hat, war damit an dem Tag Schluss, als ihr eine Bezahlung angenommen habt." Ihr seid sprachlos. Der Kollege hatte gewonnen. Ihr könnt nicht fassen, dass ihr alles umsonst geopfert habt. Nicht nur alles, aber vor allem

Sort:  

Diese Geschichte wird mir auch in Erinnerung bleiben. Das ist doch was und nicht nichts.
Danke für's Teilen!

Hm, da mit Sicherheit eine Erkenntnis gewonnen werden konnte, gibt es sehr wohl mehr als nur "Nichts" am Ende.

Meine Schwester hatte dieses Stück vor ein paar Jahren mit ihrer Theatergruppe aufgeführt und sie spielte genau jene Person, die mit ihrer Aussage über "Nichts" alles ins Rollen brachte. Es war ein grandioses Stück!

Danke für diesen Post, das weckt einige Erinnerungen :)

... Über die Erkenntnis des Kollegen philosophiere ich innerlich bereits seit Jahren. Leider ist tägliches Banksitzen keine Option. Denn das ist weder praktikabel, noch macht es einen Sinn. Dem Nichts müsste man mit nichts begegnen, doch wie ginge das?

Sehr schöne Geschichte!

Erst wenn das Nichts sich selbst nichtet und dabei vom Schlund des Nichts in alle Ewigkeit genichtet wird, dann . . ja, was dann?
Ach was . . . das Nichts ist nie Etwas, es kann weder gedacht noch erzeugt werden.
Nichts ist nur ein Wort, das sich in seiner endlosen Negation selbst um die Existenz bringt.
Na ja . . . fast.

Zwar kein Buch, aber definitiv auch nicht












.

hehe nice one,
aber doch, es ist ein Roman, geschrieben von Janne Teller

Danke fürs den Blog!

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