Rettung unter dem Hakenkreuz

So hoffentlich habe ich mit dem Titel ein wenig Klickbait generiert und der eine oder andere ist nun hier mit hohem Puls und fragt sich, wie man für einen Post hier einen so absurden Titel wählen kann. Doch wer aufmerksam und offen den ganzen Post liest, wird verstehen, wieso ich diesen gewählt habe. Wie eigentlich bei jedem geschichtlichen Ereignis – und beim Thema Nationalsozialismus im speziellen – sollte man stets ein gewisses Maß an Distanz und Objektivität bewahren und nicht mit zuviele naiven Idealen Dinge herein interpretieren.

So wird es in diesem Post um eine Person namens John Rabe gehen. Durch den Film rückte diese in Europa eher unbekannte Geschichte zunehmend in die öffentliche Wahrnehmung und ist daher vielleicht mehr Menschen bekannt als die „Schmutzige Wäsche des Kaisers“ (https://steemit.com/vergangenheitskontrolle/@gammastern/die-schmutzige-waesche-des-kaisers), die ich das letzte Mal aufgriff. Wer sie nicht kennt, wird sicherlich am Ende ein wenig verwundert und vielleicht auch nachdenklich zurück bleiben.

Ich gebe gleich an dieser Stelle die Warnung ab, dass ich hier auch Augenzeugenberichte hinzuziehen werde, die weit jenseits dem sind, die ich mir als Mensch erklären kann. Diese können auf zarte Gemüter verstöhrend wirken und einem an der Menschheit zweifeln lassen. Dies ist eine reale Geschichte und entsprechend gibt es kein Happy End, sondern nur eine Kette von Ereignissen, die einen nachdenklich und schockiert zurück lassen.


JohnRabe.jpg
(John Rabe)

Die Geschichte handelt vom Hamburger Kaufmann „John Heinrich Detlef Rabe“, der 1882 in Hamburg geboren wurde. Allerdings wird die Geschichte nicht in Deutschland spielen. Den Rabe zog es bereits sehr früh in die weite Welt hinaus. Mit 21 Jahren bekannt er seine kaufmännische Lehre und arbeitete 1903 bis 1906 in Afrika. Besonders viel Informationen über diesem Zeitraum lässt sich nicht finden, man sollte es aber im Hinterkopf behalten, dass ein Großteil seiner Sozialisierung nicht unbedingt hier in Deutschland stattfand.

Bereits kurze Zeit danach im Jahr 1908 zog es ihn jedoch wieder in die Ferne hinaus und er ging nach China. Bereits 1910 fing er an in Peking für die deutsche Firma Siemens im Vertrieb zu arbeiten. Seine Leistungen schienen dabei sehr beeindruckend zu sein und schnell wurde er von den Vorgesetzten als Kandidat für eine Position mit mehr Verantwortung empfohlen. Bis er diese erhielt verging noch eine Weile, doch 1931 war es soweit und er wurde Geschäftsführer in der damaligen Hauptstadt Nanjing.

An dieser Stelle sollte man sich einmal die weltpolitische Lage der damaligen Zeit vor Augen halten. Eine schwere Wirtschaftskrise erschütterte die Welt und hielt diese im Würgegriff und fungierten als Brandbeschleuniger der faschistischen Bewegungen, die überall in der Welt entstanden und sich als Ausweg aus der Krise anboten.

Im Epizentrum dabei stand Nazi-Deutschland unter dem Politiker Adolf Hitler, der sich als charismatischer „Führer“ in dieser chaotischen Zeit anbot. Und so verstöhrend wie dies aus unserer Zeit auch wirken mag, so war er für viele Zeitzeugen eben tatsächlich ein Ausweg aus der Misere und eine Versprechen auf eine bessere Zeit. Hitler galt immerhin als Mann der kleinen Leute und gleichzeitig als jemand mit guten Kontakten zur Industrie.

Es überrascht daher nicht besonders, dass viele Menschen ihm und seiner Ideologie daher auf dem Leim gegangen sind. Unter Ihnen auch ein Kaufmann namens John Rabe, der ein begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus war und unter diesem eine große Chance für das Deutsche Reich sah. Und während dies - zumindest für die Befürworter des Faschismus - zunächst auch so schien, zogen in der Welt langsam die dunklen Wolken auf.

Japanese_troops_entering_Tsitsihar.jpg

(Japanische Truppen maschieren in der Mandschurei ein.)

Den während allgemein bei uns immer geglaubt wird, dass der zweite Weltkrieg in Europa begann, so hielt der Fachismus bereits wesentlich früher Asien fest in seinem Würgegriff. 1931 gab es Sprengstoffanschläge auf die Eisenbahn in der Südmandschurei, die als Vorwand dienten, dass japaniche Truppen einmarschierten um dort für „Ordnung“ zu sorgen. Da der chinesische Bürgerkrieg bereits wütete, war dies für die Japaner ein leichtes Spiel und man besetzte einen Teil von China und errichtete einen faschistischen Marionettenstaat.

Anti-Comintern_Pact_signing_1936.jpg
(Unterzeichnung des Antikominternpaktes zwischen den Japanern und dem deutschen Außenminister)

Am 7. Juli 1937 kam es dann zu einem folgeschweren Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke bei denen sich japanische und chinesische Soldaten gegenseitig Feuergefechte lieferten. Wie genau es zu diesem Vorfall kam und ob er von einer Seite proviziert wurde ist nicht abschließend geklärt, allerdings nutzen die Japaner die Gunst der Stunde dies als Auslöser eines neuen Krieges gegen China zu instrumentalisieren. Man erhoffte sich einen schnellen Sieg über das geschwächte China, doch es gab zunächst erbitterten Widerstand der chinesischen Soldaten. Die aktuelle Geschichtsschreibung geht von bis zu 200.000 toten Japanern aus, die sich Gefechte mit den Chinesen im Häuserkampf lieferten. Die Anzahl der chinesischen Toten ist unbekannt.

Auch wenn es nicht im geringsten die folgenden Ereignisse entschuldigt, ist davon auszugehen, dass diese Schlacht nahe von Shanghai durchaus dazu führte, dass die japanischen Soldaten einen sehr starken Hass gegen die Chinesen entwickelten. Chinesische Soldaten, die man gefangen genommen hat, wurden schlichtweg exekutiert. Das japanische Militär legt den Offizieren keinerlei Auflagen auf um ein schnelles Vorrücken zu ermöglichen, so dass keinerlei Schutz der Zivilbevölkerung mehr beachtet.

So zog die Japanische Armee eine Spur der Verwüstung, Tod und Elend auf seinen Weg in Richtung nach Nanking (Nanjing) der damaligen Hauptstadt und nahezu allen wurde langsam klar, was dies bedeuten würde. Als die japanische Armee sich der Stadt nährte, ergriffen vor allem die Ausländer, die dort lebten panisch die Flucht und suchten das Weite. Meist eben mit mehr Mitteln ausgestattet als die dort lebende Bevölkerung, die ebenfalls in Scharen vor den Japanern floh.

Eine Ausnahme bildete dabei der Deutsche John Rabe, der inzwischen ein wichtiger Repräsentant der NSDAP vor Ort wurde und entsprechend auch politischen Einfluss besass. So ist es nicht verwunderlich, dass er von einem internationalen Komitee zum Vorsitzenden der „Nanking Safety Zone“ gewählt wurde. Hierbei handelt es sich um einen Versuch in der Hauptstadt eine Schutzzone für die Zivilbevölkerung vor den Japanischen Truppen aufzubauen. Das ausgerechnet der Nazi John Rabe zum Vorsitzenden ernannt wurde, war vermutlich Kalkül der restlichen ausländischen Mitglieder, die ziemlich machtlos darstanden und die Hoffnung hatte, dass der Deutsche seinen Einfluss gelten machen könnte, um seine Verbündeten in die Schranken zu weisen.

Nanking_Safety_Zone_map.png
(Karte der Sicherheitszone)

Die Lage eskalierte weiter. Am 1.12. 1937 empfahl der amtierende Bürgermeister die Bevölkerung sich umgehend in die internationale Sicherheitszone zu begeben. 6 Tage später flüchtete er selbst aus der Stadt und defakto wurde das Komitee zur einzig noch real existierenden Organisation der zivilen Verwaltung und übernahm defacto die Rolle des Bürgermeister.

Man muss sich die Stadt im absoluten Chaos vorstellen wie hundert tausende von Menschen verzweifelt das weite Suchen vor einer wahllos mordenden Armee. Und in Mitten darin ein internationalen Team einer handvoll ausländischer Geschäftsleute und Geistliche, die versuchen in diesem Chaos ein wenig Ordnung zu schaffen.

Bundesarchiv_Bild_183-S34828,_Japanisch-Chinesischer_Krieg.jpg
(Japanische Truppen entlang der Eisenbahn auf dem Weg nach Nanking)

Am 8.12.1937 erreichte die japanische Armee die Hauptstadt und schloss diese nahezu umgehend ein und schnitt somit für die verbleibenden Menschen die letzte Fluchtmöglichkeit ab. Flugblätter wurden über der Stadt abgeworfen, dass eine sofortige Übergabe der Stadt erfolgen sollte. Doch das chinesische Militär reagierte nicht darauf. Gerade durch die bisher verübten Massaker wird kaum jemand von ihnen die Hoffnung gehabt haben noch lebend aus der Stadt zu kommen und im Falle der Kriegsgefangenschafft umgehend exekutiert zu werden und entschieden sich scheinbar für den Kampf.

Nanking_bodies_1937.jpg
(Angespülte Leichen entlang des Flussverlaufes)

Ohne Rücksichtsnahme auf die zivile Bevölkerung begannen die Japaner eine massive Bombardierung der Stadt und zerstörten somit die Moral der chinesischen Soldaten entgültig. Sie nahmen keine defensive Position ein, sondern versuchten eher panisch sich Ihrer Uniformen zu entledigen und an zivile Kleidung zu gelangen. Diese Panik sprang auch auf die Bevölkerung. Es folgte ein Ausbruchversuch von Soldaten, die den Fluss Jantsekiang zu überqueren versuchten und es ertranken zahlreich Menschen in den reißenden Fluten.

Am 13.12. marschierte die japanische Armee mit nur geringen gegnerischen Widerstand in die Stadt ein. Was nun geschieht ging in die Geschichte ein als das „Massaker von Nanking“ und wütete für mehrere Wochen. Was in diesen Tagen in der Stadt passierte möchte ich an Hand einige Zeugenaussagen versuchen aufzuzeigen, die nichts für schwache Gemüter sind.

Chinese_civilians_to_be_buried_alive.jpg
(Chinesische Zivilisten werden unter den Augen japanischer Truppen lebendig begraben)

Das Rote Kreuz sammelte Zeugenaussagen von Überlebenden zusammen, die wie folgt geschildert wurden:

„Nach deren Aussagen schnitten die marodierenden japanischen Soldaten Frauen die Brüste ab, nagelten Kinder an Wände oder rösteten sie über offenem Feuer. Sie zwangen Väter, ihre eigenen Töchter zu vergewaltigen und kastrierten chinesische Männer. Sie häuteten Gefangene bei lebendigem Leib und hingen Chinesen an ihren Zungen auf.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Nanking#cite_note-Sausmikat-8)

Gerade unter den japanischen Soldaten erreichte ein makaberer Wettbewerb zwischen zwei japanischen Offizieren weltweite Bekanntheit. Beide wetten darum, wer als erstes 100 Menschen mit dem Schwert enthaupten würde. Die japanische Presse war begeistert und berichtete davon wie von einem "sportlichen" Wettbewerb.

Contest_To_Cut_Down_100_People.jpg (Zeitungsbericht über die beiden Offiziere und ihre makabere Wette)

Ein Schüler aus der damaligen Zeit erinnerte sich daran, wie einer der Beiden während des Heimaturlaubs prallte:

Ich tötete nur vier oder fünf im Kampf mit dem Schwert…. Wenn wir eine Stellung genommen hatten, befahlen wir ihnen: Los, vorwärts, herkommen. Die chinesischen Soldaten waren dumm genug, einer nach dem anderen aus ihrer Stellung herauszukommen. Wir ließen sie antreten und streckten sie der Reihe nach nieder.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Nanking#cite_note-trial-10)
Man gab also mitunter unverholt zu, dass es hier keineswegs um einen „fairen“ Kampf ging, sondern man schlichtweg hilflose Kriegsgefangene töte.

Das es hierbei keineswegs nur um eine Rachaktion gegen den ehemaligen Feind handelt, bezeugen auch die vielen Berichte über Vergewaltigung und Missbrauch von Frauen:

„Es war üblich, einer jungen Frau, nachdem sie von der Gruppe vergewaltigt worden war, eine Flasche in die Vagina zu stecken, und die Frau dann, indem man die Flasche in ihr zerstörte, zu töten“

„Eines Tages schleppten sie dort eine etwa 20-jährige, sehr hübsche Frau herein. Zwölf Soldaten brachten sie in ein leeres Zimmer im Keller, belästigten sie mit anzüglichen Bemerkungen, rissen ihr die Kleider vom Leib und vergewaltigten sie. Von morgens um fünf bis sechs Uhr abends.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Nanking#cite_note-Sausmikat-8)

All dies sind allerdings nur einzelne Berichte und lassen sich durch zig weitere bezeugen. Es handelte sich hierbei keinswegs mehr um einen kriegerischen Akt, sondern es wurde eine barbarische Armee ohne Organisation auf die Zivilbevölkerung losgelassen und die Akteure dieser überboten sich in Ihrer Kreativität zu töten. Zivilisten wurden erschossen, erstochen, geköpft, in diversen Flüssigkeiten ertränkt und lebendig begraben. Die Armee nutzte Trompetensignale um untereinander zu signalisieren, dass Chinesen versuchten zu flüchten und man diese ergreifen und töten solle.

Insgesamt kamen in diesen Wochen bis zu 300.000 Chinesen ums Leben. Die schiere Masse an Toten, versetzte einige japanische Offiziere bereits am ersten Tag in Ratlosigkeit. So schrieb der Kommandant der sechzehnten Division in sein Tagebuch:

„Wir sehen Gefangene überall, so viele, dass es keinen Weg gibt, mit ihnen umzugehen. Die allgemeine Richtlinie ist: ‚Keine Gefangenen machen‘. Das führte dazu, dass wir uns um sie mit allem Drum und Dran kümmern mussten. Sie kamen in Horden, in Einheiten von Tausenden oder Fünftausenden, wir konnten sie nicht einmal entwaffnen… Später hörte ich, dass die Sasaki-Einheit (die Dreizehnte Brigade) alleine ungefähr 1500 beseitigte; ein Kompaniekommandeur, der das Taiping-Tor bewachte, ‚kümmerte‘ sich um weitere 1300. Weitere 7000 bis 8000, gesammelt beim Xianho-Tor, kapitulieren. Wir brauchen einen wirklich großen Graben, um mit diesen 7000 bis 8000 umgehen zu können, aber wir können keinen finden; darum schlug jemand den folgenden Plan vor: ‚Teilt sie in Gruppen von 100 bis 200, dann locken wir sie zu einem passenden Ort, um ihnen den Garaus zu machen‘.“

Ein Soldat schrieb folgendes:

„Zu dieser Zeit war die Kompanie, zu der ich gehörte, in Xiaguan stationiert. Wir benutzten Stacheldraht, um die gefangenen Chinesen zu Zehnerbündeln zusammenzuschnüren und banden sie an Gestelle. Dann schütteten wir Benzin auf sie und verbrannten sie lebendig … Ich fühlte mich, als würden wir Schweine töten.“

Ein Fotograf hielt die Bilder auch mit Worten fest:

„Ich habe alle Arten von schrecklichen Szenen gesehen … kopflose Leichen von Kindern auf dem Boden liegend. Sie zwangen die Gefangenen, ein Loch zu graben und sich davor hinzuknien, bevor sie enthauptet wurden. Einige Soldaten waren so geschickt, dass sie dieses Geschäft auf eine Art übernahmen, den Kopf vollständig abzutrennen, aber ihn an einem dünnen Stück Haut noch am Rumpf hängen zu lassen, so dass das Gewicht den Körper hinunter in den Graben zog.“

Wieso ich die Berichte hier in Gänze wiedergebe? Weil ich denke, dass jedes Auslassen davon einer Verherrlichung gleich käme und die Situation wie sie in der Hauptstadt bestand beschönigen würde. Es steht außer Zweifel, dass hier ein Exzess der Unmenschlichkeit am Wüten war, die teilweise sogar die Japaner erstaunte. So gab der Oberberfehlshaber der japanischen Truppen an, dass er während der Eroberung der Stadt an Tuberkulose erkrankt sei und er daher nicht anwesend war. Er erklärte Jahre später bei den Tokioter Prozessen:
Iwane_Matsui.jpg
(Der Oberbefehlshaber der japanischen Truppe war angeblich gesundheitlich bedingt nicht anwesend)

„Meine Männer haben etwas getan, was absolut falsch und äußerst bedauernswert ist.“

Er wurde schuldig gesprochen und gehängt.

International_Committee_for_Nanking_Safety_Zone.jpg
(Das Komitee. Von Links nach Rechts: Ernest Forster, Lewis Strong, John Rabe, Casey Smythe, Eduard Sperling, George Fitch)

Und dies ist eigentlich nur der eigentliche Auftakt für die eigentliche Geschichte. Den zu diesem Zeitpunkt sitzt der deutsche Nazi John Rabe zusammen mit seinem Komitee bestehenden aus Engländern und Amerikanern ebenfalls fest und versucht die Durchsetzung der Schutzzone zu gewährleisten. Er macht seinen Einfluss als NSDAP-Funktionär geltend und schreibt entsetzt nach Berlin an Adolf Hitler persönlich.

Die japanischen Verbündeten würden schreckliche Greultaten und Unmenschlichkeiten begehen und müsse Einhalt geboten werden. Trotz seiner Überzeugung als Nationalsozialist, überstieg die Grausamkeit die sich ihm bot so sehr, dass er sich sicher war, dass die Deutschen eingreifen würden. Ob seine dramatischer Appell je Hitler erreichte ist ungewiss. Vielleicht wurde dieser bereits vom Sekretäriat abgefangen und ausgefiltert. Vielleicht amüsierten sich die Nazis über ihren verwirrten Kollegen aus Fernost. Vielleicht waren sie selbst zu sehr damit beschäftigt ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu organisieren.

Am Tag vor dem Einmarsch der Japaner schreibt Rabe verzweifelt in sein Tagebuch:

"Es pocht an beiden Haustoren - Frauen und Kinder bitten flehentlich um Einlaß. Da ich das Jammern nicht mehr mit anhören kann, öffne ich beide Tore und lasse alles hinein, was hinein will."

Dies sind keine leeren Worte. Er weitete die Schutzzone auf sein Anwesen aus und lässt alle Chinesen herein, die bei ihm um Schutz ersuchen. Auf insgesamt 3qkm zwängen sich insgesamt 250.000 Menschen. Rabe und sein Komitee versuchen alles in Bewegung zu setzen um an Medikamente und Reis für die Versorgung zu kommen.

Dies führt zu teilweise skurilen Szenen, die nur schwer vorstellbar sind. Immer wieder drängen japanische Divisionen in die Schutzzone ein und werden von Rabe mit dem Parteibuch der NSDAP unter dem Arm vertrieben. So sehr wie die Japaner sich während des Massakers dem Wahnsinn hingeben, scheint niemand von ihnen wirklich riskieren zu wollen einen politischen Konflikt mit dem deutschen Verbündeten zu riskieren.

material_143981434091093_400x300.jpg
(Schutz unter der Hakenkreuzflagge vor japanischen Bombern)

Um die Flüchtlinge vor der japanischen Bombardierung zu schützen, lässt Rabe über dem Werksgelände ein Symbol spannen, dass den Piloten signalisieren soll, dass es sich um die zivile Schutzzone handelt. Wer nun denkt, dass es sich hierbei um ein rotes Kreuz handelt irrt. Den der Nationalsozialist spannt eine rund 20qm große Flagge mit Hakenkreuz auf, um den Japanern zu signalisieren, dass es sich um eine Schutzzone unter dem Schutz des Deutschen Reichs handelt. Dieser Schutz existiert defacto nicht, da Rabe keine Rückendeckung aus Berlin bekommt. Trotzdem ist das Symbol dem verbündeten bekannt und flöst Respekt ein. Die verzweifelten Flüchtlinge suchen ausgerechnet Schutz unter dem Symbol, dass für viele Menschen in den folgenden Jahren für Leid und Tod stehen wird.

Während des Massakers fliehen viele der verbleibenden 27 Ausländer. John Rabe bleibt trotz des Appells von Siemens sich umgehend aus der Krisensituation zurück zu ziehen und heim nach Deutschland zu kehren. Trotz seiner Sozialisierung im Ausland scheint ihm der hanseatische Stolz geblieben zu sein.

Man soll sich keine Illusion darüber machen, dass die Schutzzone ein starre Grenze gewesen ist. Immer wieder drangen japanische Soldaten ein und zerrten hunderte von Flüchtlingen heraus, die vermutlich ebenfalls den Tod fanden. Trotzdem gelang es immer wieder die Soldaten zurück zu drängen und man respektierte die deutsche Authorität, so dass nur wenige Granaten und Schüsse auf dem Gelände fielen und die meisten Menschen innerhalb der Schutzzone das Massaker überlebten.

Das Komitee versuchte dabei mitunter auch in der Stadt die Greultaten zu dokumentieren und auf 16mm-Film festzuhalten. Rabe selbst schrieb darüber:

"Ich will mich mit eigenen Augen von diesen Greultaten überzeugen, damit ich später als Augenzeuge davon reden kann."
Er schien also mitunter bis zum Schluss zu glauben, dass es sich hierbei um ein bedauerliches Versehen handeln würde und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Natürlich nicht von den Siegermächten, sondern eben durch Vertreter des Nationalsozialismus.

Bereits damals erzeugte Rabe mit seinem Engagement Verwirrung unter den anderen ausländischen Vertretern, die Probleme hatten den immensiven Konflikt zwischen Rabes Überzeugung und seinem Handeln herzustellen:

"Der Kopf der Sicherheitszone ist John Rabe, ein weißhaariger Deutscher, geschätzt von jedem, der ihn in Nanking kennt."
"Rabe gehört hier zu den Nazikreisen. Wir haben ihn ja jetzt kennengelernt. Er ist ein fabelhafter Mensch mit einem großen Herzen. Wie soll man das unter einen Hut bekommen, eine solche Persönlichkeit und diese Bewunderung für den Führer?"
Er war nicht das was man sich unter einem Nazi vorstellte. Ich hätte niemals geglaubt, daß er ein Nazi war. Nein, er hielt mit nichts hinterm Berg: er hat das nicht erwähnt, daß er ein Nazi war."

Und ähnlich wird es den meisten heute auch von uns gehen, die immer gelernt haben, dass Nazis die Bösen waren und nun hier konfrontiert sind mit einem Mensch, der eindeutig einer war und gleichzeitig seine Menschlichkeit nicht verlor.

Ende Januar verkündete die japanischen Besatzer, dass es gelungen sei die öffentliche Ordnung wieder aufzubauen und die willkürlichen Massaker endeten. Im Februar packte John Rabe seine Koffer um zurück nach Deutschland zurück zu kehren und erhielt von den geretteten Chinesen ein Tuch mit der Aufschrift:

"Du bist der lebende Buddha für 100.000 Menschen."

Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt 250.000 Chinesen durch den Einsatz der Sicherheitszone dem Zugriff durch japanische Truppen entzogen wurde. Das Lager blieb bis zum Mai 1938 erhalten und wurde danach aufgelöst.

Rabe kehrte zurück nach Deutschland und schien sich weiterhin für das Massaker zu interessieren und mit Vorträgen darauf aufmerksam machen zu wollen. Auch Hitler sollte Bildmaterial zur Verfügung gestellt worden sein, damit dieser sich ein Bild von den Greultaten machen konnte. Der Student Erwin Wicker, der Rabe 1936 kennenlernte hielt später zu seinen Bemühungen fest:

"Er wollte ihn Hitler zeigen, in der stillen Hoffnung, daß er seine Pro-Japan-Politik änderte: mit diesen Leuten können wir nicht zusammenarbeiten. Ein völliges Mißverständnis Hitlers, den er für einen Mann hielt, den man mit humanitären Geschichten und humanitären Argumenten beeinflussen könnte."

Rabe erhielt daraufhin Besuch von der Gestapo und wurde 3 Tage lang verhaftet. Er wurde entlassen unter der Bedingung, dass er über die Vorfälle in Nanking schweigen soll und nicht weiter über die Vorkommnise berichten solle. Seine Filmaufnahmen wurden beschlagnahmt. Sein Arbeitgeber Siemens kündigte Rabe kurze Zeit danach, da keine vergleichbare Position für seine Fähigkeiten mehr Vorliegen würde. Siemens berichtet heute, dass man ihm eine temporäre Stelle im Verkauf in Kabul anbot.

Auf Grund einer Diabetes-Erkrankung galt er gesundheitlich als angeschlagen. Als das Deutsche Reich den Krieg verlor und die Allierten als Besatzer einmarschierten, wurde auch Rabe als Mitglied des NSDAP angeklagt. Ein Gesuch seinerseits im Rahmen der Entnazifizierung entlastet zu werden wurde zunächst von den Briten abgelehnt. Erst im Rahmen eines Revisionsprozesses wurde sein humanitärer Einsatz 1946 anerkannt und er wurde begnadigt. Er arbeite wenige Jahre danach weiter bei Siemens als Übersetzer ohne Verantwortung.

Am 5. Januar 1950 erlag Rabe einem Schlaganfall und verstarb in ärmlichen Verhältnissen. Seine Geschichte geriet in Europa in Vergessenheit, da es hier bereits zuviele andere Schicksale gab und man selbst in den Abgrund blickte. Anders sah es jedoch auf der anderen Hälfte der Welt aus, wo er zu einer Legende wurde und von den Flüchtlingen als der „Deutsche lebende Buddha“ oder der „Gute Deutsche von Nanjing“ bezeichnet wurde. Amerikanische Stellen sprechen ihn dabei die Rolle eines „Chinesischen Schindlers“ zu. Die New York times betitelte ihn als „Der gute Nazi“.

Residence_of_John_Rabe,_Nanjing.jpg
(Ehemaliges Haus von John Rabe und heutiges Denkmal)

Sein Grabstein wurde 1997 nach Nanjing in eine Gedenkstätte an das Massaker überführt. Insgesamt sind die Chinesen für sein Wirken bis heute hin dankbar und man brachte in Nanjing, Berlin und Hamburg identische Gedenktafeln zu Ehren von Rabe an. Es waren Vertreter der Botschaften und des ehemaligen Arbeitsgebers Siemens anwesend. 2005 stifteten chinesische Studenten eine Bronzebüste von Rabe, die nun in seinem Wohnhaus in Nanjing steht und als Gedenkstätte fungieren. Sein ehemaliger Student - inzwischen Schriftsteller - Erwin Wickert war anlässlich der Feier anwesend.


Durch den Film der 2009 die Ereignisse zusammenfasst, erlangte die Geschichte um John Rabe auch in der breiteren Öffentlichkeit Bekanntheit. Wie so oft bei Filmen, fokusiert man sich hier jedoch auf jene Aspekte, die besonders leicht für den Zuschauer transportieren lassen. Dabei kann der Eindruck entstehen, dass John Rabe im Rahmen der Kriegswirren ein Herz für die Chinesen zeigte mit denen er jahrelange in der gleichen Stadt lebte.

Insbesondere die anderen Mitglieder des Komitees werden dabei als sehr hilflos und feige dargestellt. Dies ist aus geschichtlicher Sicht jedoch falsch, da dieses humanitäre Rettungsprojekt nicht nur die Leistung von Rabe gewesen ist, sondern eben auch von den Amerikanern und Briten, die im Rahmen des Komitees versuchten das schlimmste abzuwenden.

Die japanischen Greultaten sind barbarisch und lassen sich nur durch das Lesen der Augenzeugenberichte überhaupt erahnen. Das die Japaner im Rahmen ihrer Aufbereitung das Thema versucht haben unter dem Teppich zu kehren, sorgt für Spannungen zwischen den Ländern bis heute. Man versäumte eine Aufarbeitung wie es Deutschland nach dem Krieg versuchte und man die Schuld an dem unsäglichen Leid das über die Menschen gebrachte wurde zu akzeptieren.

Im Rahmen der Tokioter Prozesse wurden viele Offiziere für die Greultaten zur Verantwortung gezogen und hingerichtet. Gerade eigene Aufzeichungen dienten dabei oft als Beweismittel, da ansonsten viele Vorgänge in dem Chaos nicht beweisbar gewesen wären.

John Rabe sollte nicht blind als „Lebender Buddha“ gefeiert werden, da man eben sehr schnell in einen Bereich rutscht in dem man sich durch Nazis instrumentalisieren lässt, da diese eben in ihren Reihen jemanden hatten, der eben doch noch etwas Menschliches in sich trug. Diese Tatsache selbst, darf nicht davon ablenken, dass es tausende andere gab, die den japanischen Truppen in Sachen Grausamkeit in absolut nichts nachstanden.

Denn Rabe war ein überzeugter Nazi und trat mit Begeisterung in die Partei ein – nicht aus Notwendigkeit. In seinen Tagebüchern wird dies teilweise auch durchaus sehr offen ersichtlich:

"Heute ist Kaisergeburtstag - ein kurzes Gedenken wird wohl auch einem Nazi nicht schaden."

Den während seiner Zeit als Siemensvertretung in Nanjing war er ein konservativer, kaisertreuer, bürgerlicher Nazi.

Trotzdem ist es gerade dieser Kontrast der diese Geschichte meiner Meinung nach so interessant macht und zeigt, dass Menschlichkeit ein Aspekt ist, der auch in den dunkelsten Stunden reifen kann. Das es auch unter Tätern die Momente geben kann in denen sie erkennen, dass sie gerade auf der falschen Seite stehen.

Es ist nicht bekannt, ab welchem Zeitpunkt Rabe mit seiner Ideologie brach. Bis zu seiner Rückreise nach Deutschland hielt er zumindest fest daran, dass das was in China geschah unrecht war und man keineswegs mit Japan verbündet bleiben dürfe. Die Realität holte ihn allerdings vermutlich schnell ein als der Krieg dann auch Europa erfasste. Wie sein Standpunkt zu den Greultaten auf europäischen Boden war, ist mir leider nicht bekannt.

In jedem Fall glaube ich allerdings, dass seine Geschichte erzählt gehört. Wenngleich man die nötige Objektivität dabei wahen sollte. Dennoch zeigt sie eben, dass wenn viele Menschen Unrecht begehen, es oft nur wenige Bedarf um dieses zu lindern. Eine Sache, die wir uns als Menschheit gerade in dunklen Stunden in Erinnerung rufen sollten, wenn es darum geht einen Unterschied zu bewirken. Und gleichzeitig eine Warnung an all jene, die in der heutigen Zeit wieder Konflikte gutheißen dafür, wie schnell eine solche Situation entgleiten kann.

Die hier verwendeten Bilder gehören mitunter zu den unproblematischen. Man sollte im Hinterkopf behalten, dass die Nationalarchive mitunter auch die Gewalt gegen Kinder und Frauen gut dokumentiert haben und wirklich zutiefst verstöhrendes Material vorliegt. Obwohl ich die radikale Auffassung vertrete, dass man schonungslos bei solchen Themen draufhalten sollte, damit gar nicht erst wieder der Eindruck entsteht, dass es so etwas wie ein "sauberen Krieg" gäbe, habe ich mich gegen einiges an Bildmaterial entschieden.

Auch sollte es in diesem Artikel in keinster Weise um eine Schuldfrage gehen oder einen Fingerzeig auf die Japaner richten. Auch Nazi-Deutschland hat schlimmste Kriegsverbrechen begangen und ist auch damit nicht alleine. Als Menschheit müssen wir lernen solche Ereignisse als kollektive Warnung zu verstehen und uns nicht in Schuldfragen verfangen, sondern mit alter Kraft verhindern, dass so etwas erneut passieren kann.

Sort:  

Ein sehr interessanter Artikel. Ich kenne den Film tatsächlich nur vom Cover. Jetzt hast du mein Interesse geweckt. Ich wusste zwar, dass die Japaner damals in China ziemlich gewütet haben (u.a. ziemlich grausame Experimente mit Giftstoffen etc), aber dass das diese Dimension angenommen hat, war mir nicht bekannt. Das ist wirklich unvorstellbar grausam.
Während des Lesens zog ich auch direkt die Parallelen zwischen John Rabe und Oskar Schindler. Da bin ich ja, wie du schreibst, nicht der Einzige.

Ich werde mir den Film in nächster Zukunft mal anschauen.

Wie kommst du zu diesem fundierten Wissen? Wo hast du deine Quellen her? Nicht, dass ich an dir zweifle, aber ich bin erstaunt, weil solch konkretes Wissen ja nicht jeder hat und ich nicht glaube, dass du aus Wikipedia abgeschrieben hast.

Den Film kann man durchaus einmal zur "Unterhaltung" ansehen. Er übertreibt halt an einigen Stellen und verharmlost an einigen Stellen. Gut, irgendwie muss man ja auch mit einer begrenzten Zeitspanne her kommen.

Nun Geschichte ist insgesamt ein Steckenpferd von mir. Viele finden Geschichte immer recht langweilig, ich habe aber irgendwie einen Zugang dazu. Würde nicht sagen, dass ich viel dazu weiß, gelte aber da als wandelndes Lexikon. Die genauen zeitlichen Abläufe sind tatsächlich viel auch aus Wikipedia entnommen oder eben den offiziellen Gedenkseiten entnommen. Gerade eben einzelne Ereignisse sind dort meist sehr gut erfasst oder verweisen eben auch auf originale Quellen. Gerade bei solchen gut dokumentierten Geschichten, findet man aber eben auch viel altes Material von Zeitungen oder eben halt auch bei Siemens selbst. Dort hat ja durchaus auch eine Aufarbeitung von des Nationalsozialismus statt gefunden und man ist natürlich auch ein wenig stolz darauf, dass in einer solchen Zeit ein Mitarbeiter entsprechend Courage gezeigt hat.

Und vom Schreiben her ... ich denke immer, dass wenn man sich ein geschichtlichen Aspekt herausgreift eben nicht nur das Datum runterbeten sollte, sondern auch ein wenig das zeitliche Umfeld aufbauen sollte, damit es interessant wird. Was passiert ist, finden wir eben meist gar nicht so spannend ... warum und was Leute sich in der jeweiligen Zeit gedacht haben, dass ist es doch, was uns dann wirklich fasziniert. Je dichter man dabei in die Neuzeit kommt, umso besser dokumentiert ist dies meist, während man in die Vergangenheit hin oftmals dann eben nur wenige Quellen hat oder eben auch sehr Subjektive.

Man denke nur mal ans die "Entdeckung" von Amerika als vorwiegend christliche Missionare die indianische Kultur dokumentierten und natürlich viel Barbarei und Blutvergessen reininterpretiert. Liest man dann, dass man Indizen dafür hat, dass die Mayas Spezialeinheiten hatten, die mit Nicht-Lethalen Waffen ausgestattet waren, kommt man schon ein wenig ins Grübeln, ob deren Kultur wirklich so primitiv war. Leider eben zuviel verloren gegangen und damit eben auch ein großes Erbe für uns als Menschheit ingsesamt.

Schlimm sowas.
So ein Verhalten nennt man Blutrausch wenn ich mich nicht irre.
Finde ich gut das die Offiziere gehängt wurden, erschießen wäre zwar passender gewesen aber egal. Es ist auch die Aufgabe des Offiziers sowas zu verhindern!
Zwar sind die Asiaten bei der Kriegsführung generell brutaler als wir, da, im Kampf wohlgemerkt, der Feind immer besiegt gehört. Egal was es kostet.
Solche Exzesse jedoch sind Kalkül gewesen. Da die Soldateska ja vor einem simplen Ausländer mit Parteibuch noch Respekt gehabt haben, hätten sie auch auf die Befehle ihrer Offiziere gehört.
Wenn denn welche gekommen wären!
Ähnliche Exzesse gab es ja auch bei der Roten Armee und den Vertreibungen. Und auch hier war die Gewalt gewollt, weil bewusst nicht verhindert wurde.
Genauso wie bei Auschwitz, Dresden, Lienz oder Hiroshima.
Militärischer Nonsens weil nicht notwendig. Da es dennoch geschah muss man vermuten das es Absicht war.

Und gerade darum sind dann solche Beispiele so herausstechend. Weil sie zeigen was wenige leisten können. Und das selbst die dunkelsten Stunden nicht das Gute im Menschen zum erlöschen bringen kann.
Wenn man will!

Super Bericht!!!

Ja, ich denke auch, dass da Kalkül dahinter war. Die Soldaten wurden "beschäftigt" und man musste sich nicht um Unterbringung, Verpflegung, Verwaltung der Kriegsgefangenen kümmern. Und Revolten musste man auch nicht unterdrücken..... Einfach nur grausam. Aber ich schätze, dass es in der Antike und im Mittelalter nicht viel anders war.

Ja, der Resourcenaspekt ist auf jeden Fall gegeben worden. Die Order Kriegsgefangene zu töten diente eindeutig dazu, weniger Material und Leute zu binden und Japan hat sich damals eben auch genau deswegen den Genfer Konfentionen verweigert. Aber gerade bei der Zivilbevölkerung macht es wenig Sinn, da man eben auch Infrastruktur wieder aufbauen muss und das will man eben auch nicht mit Soldaten machen. Gerade eben weil das Risiko für Revolte eher gering war, da ja China bereits im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten war.

Die Geschichte wechselt sich immer wieder ab was Grausamkeit angeht. Gerade das Mittelalter ist mitunter nicht immer so blutig gewesen wie man es angenommen hat. Gerade im christlichen Abendland galt sinnlose Gewalt gegen seine Feind als sehr verpöhnt. Auf der anderen Seite gibt es aber eben auch einen Vlad Draco, der dann völlig anders agiert.

Gut, ich selbst bin kategorisch gegen die Todesstrafe, da eine Gesellschaft gerade bei einer solchen Barbarei eine klare Antithese dazu bilden sollte. Aber ja ... was dort passiert macht wirklich fassungslos, weil zumindest ich nicht an etwas "Bösem" glaube und entsprechend erwarte, dass dort doch auch irgend jemand unter den Tätern hat Unrecht erkennen müssen und darauf wirken, dass ihm einhalt geboten wird.

Gerade bei Nanking nehme ich den Offizieren teilweise wirklich ab, dass es aus dem Rudder gelaufen ist. Die Doktrin keine Gefangenen zu nehmen ist eine klare Order gewesen und es besteht kein Zweifel daran. Aber gerade die Form der Barbarei die dort gelebt wurde, kann kaum gewollt sein. Böse gesagt, wenn es um die Ausrottung der Bevölkerung ging, wäre es logischer gewesen sie in Lager zu pferchen und dann kontrolliert umzubringen (wie die Deutschen es gemacht haben). Ein solches Chaos bindet dabei ja nur militärische Resourcen.

Insgesamt finde ich aber immer gerade solche Exzesse auch sehr lehrreich, da man eben auch versuchen muss zu verstehen, was genau eigentlich dazu führte. Den nur so kann man es verhindern. Ich fürchte, dass hier gerade bei den japanischen Soldaten auch sehr viel mangelnde Bildung mit im Spiel war und die Disziplin sehr gering waren. Gibt es dann von oben keine klaren Anweisungen, werden diese dann maximal Grausam ausgelegt. Plus natürlich auch, dass es vermutlich nach den vorherigen Gefechten für die Soldaten einen großen "Unterhaltungsfaktor" hatte.

Ich glaube das ZDF hatte mal eine sehr gute Dokumentation (hieß sie "Das Böse"?), die teilweise Schilderungen zwischen Wehrmachtssoldaten und Kindersoldaten nebeneinander legten und belegten, dass dort viele ähnliche Gedankengänge vorlagen. Einer von der Waffen-SS wurde z.B. gefragt, wieso er das Kind erschoss. Er war total schockiert und meinte: "Ja, was hätte ich doch tun sollen? Es hatte doch keine Chance, da ich gerade seine Mutter tötete und es sonst qualvoll verendet wäre!" Das sind dann schon Momente, wo man erahnen kann, wie einige Dinge zusammen kommen. Während in dem Moment sein Handeln ja sogar irgendwo perfide logisch erscheinen mag, fragt man sich als außenstehnder natürlich, warum er sich nicht bewusst ist, dass er die Ursache für das eigentliche Dilemma ist. Ähnliche Konstrukte gab es auch bei den Kindersoldaten im Kongo. Vielleicht erkennt man ja wirklich irgendwann einmal die Mechanismen um solche Exzesse zu verhindern oder wenigstens abzumilden.

Eines ist jedefnfalls klar. Krieg bringt immer das Schlechteste im Menschen zum Vorschein.
Und in der Regel ist es so, dass desto länger ein Konflikt dauert und desto mehr Menschen sterben desto grausamer wird er. Der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, weswegen er sich auch an die Gewalt gewöhnen kann.

Wegen dem Befehl keine Gefangene zu machen. Da ging es doch nur um Soldaten, richtig? Dann müsste sich doch die Gewalt gegen die Zivilisten aus einer anderen Quelle speisen.

Was das Ausrotten betrifft. Will man Menschen einer bestimmten Gruppe tatsächlich ausrotten ist der effektivste Weg dazu sie tatsächlich alle umzulegen.
Doch Lager, wie der GuLag machen nur Sinn wenn ich die Insassen als Zwangsarbeiter einsetze.
Wozu sonst ein Lager bauen was eine einfache Kugel erledigen kann?

Übrigens war die Waffen-SS kein Teil der Wehrmacht sondern der militärische Arm der NSDAP. Ähnlich wie die NKWD-Truppen der Sowjets.

Kein Zweifel.

Soweit mir bekannt ging es tatsächlich beim Befehl nur um kämpfende Verbände. Eine offizielle Order auch die Zivilisten zu töten gab es IMHO nicht.

Das klingt immer kalt, aber ... wenn Du jedem unterwegs eine Kugel gibst, stehst Du vor einem logistischem Problem. Du kannst die Leichen nämlichen nicht einfach offen darliegen lassen, da es dann richtig unangenehm wird und auch für deine Leute bald eine Belastungsprobe wird. Dies klingt ja auch ein wenig bei dem Japaner durch, der verwundert darüber ist, wieviele feindlichen Einheiten man ergreift. Es gibt da auch eine recht gute Schildung eines Waffen-SS-Offiziers der in der Ukraine gewütet hat und in seinem Tagebuch über sein Leid klagt, dass er nicht genügend Leute hat um die Gräbe auszuheben. Er kommt dann auf die Idee eine Schlucht zu nehmen und die Leute platzsparend zu stapeln. Eine solche eiskalte Logik ist dabei dann das wirklich schockierende. Gerade die Deutschen und Briten setzten daher zumeist immer auf Lager, weil Du damit meist eine Panik eingegrenzt hast und damit nur regional das Problem hast.

Das mit der Waffen-SS will ich lieber nicht diskutieren ;) Den in den meisten Gebieten war diese im Einsatz der Wehrmacht unterstellt und kann daher durchaus zu deren kämpfende Verbände gezählt werden. Das gilt natürlich nicht anders herum, so dass man jeden aus der Wehrmacht als Waffen-SS-Angehörigen sehen sollte. Zum Zeitpunkt des Krieges war die SS übrigens nicht mehr der NSDAP unterstellt, sondern nur noch Hitler und Himmler persönlich. Die Partei hätte keinen Einfluss mehr auf sie nehmen können. Unterm Strich glaube ich aber auch nicht wirklich relevant, wieso ein Mensch zu einem eiskalten Killer geworden ist. Im Krieg häuft sich sowas leider nur enorm. Der erste Schritt ist aber stets immer eine "Entmenschlichung" seines Gegners. Dies fällt scheinbar eben gerade Eliteeinheiten immer besonders einfach. :-/

Diskutieren eh nicht.
Ich erwähns nur aus zwei Gründen.
Zum einen weil es eben eine ideologische Truppe war, und eben nicht Teil der regulären Armee.
Zum anderen weil gerne alle in einen Topf gewprfen werden.

Toller Artikel über einen ambivalenten Menschen!

Wobei er in den frühen 30ern ja bei weitem nicht der Einzige war, der sich blenden hatte lassen, und auch nicht der Einzige, der später doch versuchte, dem Morden entgegen zu wirken. Oskar Schindler ist ja z.B. ein weitaus bekannterer Fall.
Beim Lesen der Augenzeugen-Berichte versteht man dann auch, warum die japanische Besatzungszeit bis heute für Spannungen zwischen China bzw. Korea und Japan führt. Dass nach wie vor japanische Premiers zu Schreinen pilgern, an denen diese Verbrecher geehrt werden, muss für die Nachkommen der Opfer kaum zum Aushalten sein. Da lobe ich mir die deutsche Aufarbeitung.

Edit und PS: Könntest du evtl. noch ein paar Quellenangaben zu John Rabe nachliefern?

Ja, gerade die Aufarbeitung ist eine Sache, die in Japanern vermutlich eher unglücklich gelaufen ist. Ich glaube da haben wir Deutsche es in Europa besser gemacht, da wir einen solchen Spannungsbogen mit den Nachbarn nicht mehr haben. Zumindest nicht auf nationaler Ebene. Das schon viel wert.

Wo vermisst Du konkret welche. Habe diesmal versucht zumindest viele Zitate mit Quellen zu belegen.
Siemens selbst hatte eine Seite über ihn bei sich, eben sehr aus Firmensicht:
https://www.siemens.com/history/de/aktuelles/1180_rabe.htm

Gerade viele Zitate aus seinem Umfeld gab es hier:
https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/diktaturen/in_seiner_heimat_vergessen.html

Eine gute Seite bei der auch ein wenig auf sein früheren Leben eingegangen wird und noch ein wenig über sein Innenleben ging:
http://www.john-rabe.de/page179/index.html

Eine wirklich gute Quelle ist auch das Buch das Erich Wickert über ihn verfasst hat: https://www.amazon.de/John-Rabe-gute-Deutsche-Nanking/dp/3421050988/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1532102135&sr=8-1&keywords=3421050988

Die Koreaner sind auch immernoch sauer auf Japan wegen japanischer Kriegsverbrechen. Die haben in der ganzen Gegend da drüben gemordet als gäb´s keinen Morgen.

Hallo

Du hast einen Upvote vom steem-bootcamp bekommen. Dieser stammt aus Kuratorenhand und wurde nicht via bot vergeben. Derzeit am Ruder: @arzon-cnaster
Weiter So!

Ich habe deinen Artikel nicht ganz gelesen, aber irgendwann fiel mir auf, dass ich den Film dazu gesehen habe.
Gibt immer wieder ermutigende Geschichten in der Geschichte der Menschheit, in denen Personen zu ihren Werten (zurück)finden.
Als eine solche, ist auch diese sicherlich teilenswert.
Insofern Danke.

Danke :)
Ja, der Film ist doch recht bekannt gewesen und lässt sich durchaus auch gut sehen, wenn man einen Überblick über die Geschichte haben möchte. Über das Massaker und den Kriegsverlauf davor gibt es auch einen chinesischen Film, der recht gut war, allerdings habe ich ihn nicht mehr gefunden. Ist vielleicht an einigen Stellen auch ein wenig zu einseitig gewesen, da eben doch ein wenig mit dem Zeitgeist angestrichen. Da liefen doch viele mit rotem Armband durch die Gegend, wobei es vor allem eben Anhänger der Republik waren. Trotzdem hat man einige der japanische Offiziere recht gut erfasst bekommen.



This post has been voted on by the steemstem curation team and voting trail.

There is more to SteemSTEM than just writing posts, check here for some more tips on being a community member. You can also join our discord here to get to know the rest of the community!

Wow. Der Artikel ist scheinbar ja richtig gut angekommen und bedeutet für mich einen sehr eindeutigen persönlichen Rekord. Vielen Dank an dieser Stelle bei allen Leser und jenen die resteemt haben. Ich habe mich sehr gefreut!

Hi @gammastern!

Your post was upvoted by utopian.io in cooperation with steemstem - supporting knowledge, innovation and technological advancement on the Steem Blockchain.

Contribute to Open Source with utopian.io

Learn how to contribute on our website and join the new open source economy.

Want to chat? Join the Utopian Community on Discord https://discord.gg/h52nFrV

Coin Marketplace

STEEM 0.20
TRX 0.14
JST 0.030
BTC 66937.04
ETH 3270.78
USDT 1.00
SBD 2.74