Landleben

Der Bass-Speaker hat 2m Durchmesser, mindestens. Der Kaffee in meiner Tasse schwingt im Takt der Thaischnulze mit, obwohl das Haus, aus dem die Beschallung tönt, ca 40 Meter entfernt ist. Aber keiner stört sich dran, im Gegenteil die Frauen in meinem Blickfeld singen mit, incl dieser typisch tahiländischen Handverdrehungen.
Wahrscheinlich freuen sie sich mit dem Verursacher dieser morgendlichen Dorfbeschallung oder haben Mitleid mit ihm oder sind schadenfroh, wer weiß das schon. Immerhin muss oder darf dieser Morgen heiraten.

Übrigens, es ist 7.30 am Morgen

Aufgewacht bin ich gegen 5, weil es doch ziemlich laut wurde; es scheint hier eine Menge Hähne zu geben. Nicht die einzigen Frühaufsteher, die Mama des Hauses klapperte da, wo ich die Küche vermutete, eine Kolonne von Trekkern und Trucks fuhr an meinem Kopfkissen vorbei (es ist Erntezeit). Also konnte auch ich aufstehen.
Man sagt ja, dass die Träume der ersten Nacht in Erfüllung gehen. Meiner wird in Erfüllung gehen. Ich habe von einer toten Katze im Rinnstein geträumt, ziemlich wahrscheinlich, dass ich diesem Bild im Wachzustand begegne.

Nach einigen Tassen Kaffee (instant Nescaffee 3 in 1)habe ich mein Handy eingeschaltet, 4G in vollem Ausschlag, ich habe mir für 500Baht (12,50€) ein 30 Tage Paket mit max 4Mbps gekauft und meinen Rechner an den Hotspot gehängt. 4 Mbps, viel mehr hatte ich in #Neuland auch nicht, dort war es nur teurer.
Dafür gibt es hier die Tradition von Tischen und Stühlen nicht. Wir haben gestern auf dem Boden gegessen, vom Beton nur durch eine Bambusmatte getrennt, jetzt sitze ich an der Wand und versuche meinen schmerzenden Rücken und meinen plattgedrückten Arsch zu ignorieren, obwohl ich ein Kissen drunter habe. Die Mama des Hauses, die seit 7 Uhr zusammen mit der Restaurantbesitzerin in derem Restaurant sitzt, lacht sich innerlich wahrscheinlich kaputt über das europäische Weichei, welches ihre Hauswand platt drückt.

Innerlich, weil die Leute reden nicht viel. Ich meine nicht mit mir. Sie sprechen kein Englisch und selbst wenn ich schon etwas besser Thai sprechen und verstehen könnte, würde mir das nicht helfen,hier wird Isaan gesprochen. (Ich bin derzeit in Isaan, in einem Dorf ca 100 km westlich von Udon Thani und wohne die nächsten Tagen im Haus der Familie meines Führers/ Guides.)

Die Leute reden auch untereinander meist nur dann, wenn es notwendig ist, wenn irgendeine Tätigkeit koordiniert werden muss. Der normale Smalltalk, (Gut geschlafen, guten morgen, blabla..) scheint hier völlig zu fehlen, auch die Frauen gegenüber sitzen schweigend nebeneinander. Vielleicht liegt das auch nur an meiner Anwesenheit.

Ich bin hier, weil ich morgen zur Hochzeit eingeladen bin, nicht zu der, deren Musikprobe ich immer noch genießen kann, zu einer anderen in der nächsten Stadt, in Nong Bua Lampu, ca 30km entfernt Richtung Nordosten. Und weil ich schon mal hier bin, bleibe ich auch ein paar Tage, um mir das ländliche Thailand anzusehen, den armen, rückständigen Teil, so authentisch wie möglich. Deshalb wohne ich bei einer Familie, die von ca. 5000Baht (125€) im Monat lebt. Mal sehen wie lange ich das aushalte. In Phuket regnet es sowieso dieser Tage.

Meine wöchentliche Automiete (Ford Fiesta) ist doppelt so teuer, wie die Familie im Monat zur Verfügung hat und davon leben Großmutter, Großvater und Enkelin. Das sind schon Unterschiede. Meine täglichen Schachteln Zigaretten kosten mehr wie die drei in einem Monat für Essen, trinken, Kleidung und Rücklagen haben. Und ich rauch nur Camel (60Baht), hier eine Billigmarke im Gegensatz zu Marlboro (145Baht).

Massage ist in Thailand allgegenwärtig. Ob automatisiert oder herkömmlich. So auch im Warteraum der Inlandsflüge. Entspannung ist für mich aber was anderes.

Die Reise hierher war bequemer als gedacht. Es gibt einen täglichen Flug direkt von Phuket nach Udon Thani, wir zahlten für zwei Personen und Handgepäck 3450BAht (ca 80€) oneway. Ich musste , wahrscheinlich wegen der vielen Kamerateile meine Tasche wieder einmal leeren , aber das bin ich ja schon gewohnt.

Angekommen in Udon Thani wartete der Autovermieter schon auf uns. Autoübergabe auf dem Parkplatz, dann endlich eine Zigarette nach den Stunden im Auto zum Flughafen, im Flughafen von Phuket selbst, im Flieger und im Flughafen von Udon Thani und vor der zweistündigen Fahrt zu diesem Dorf, denn im Auto ist Rauchverbot , ja sogar auf dem Markt, wo wir kurz stoppten, war Rauchverbot.

Rauchen ist sowas von gestrig,
diesen Eindruck habe ich hier in Thailand viel stärker als in D.

9.50 Uhr, die Schnulzen sind zu Ende, die Musik bleibt aber laut und thai, nur jetzt Karaoke. Ich bin begeistert

Dann ins Auto und los. Ich musste Gott sei Dank nicht fahren, wir wollten schnell ankommen. Und ich habe mich noch immer nicht an den Verkehr auf der falschen Seite gewöhnt. Zwei Stunden später waren wir dann am Ziel. Nachfahrten sind hier noch viel spaßiger als in D.

Zwischendurch waren wir noch kurz einkaufen. Die Preise hier sind im Durchschnitt 50 bis 70% niedriger als in Phuket.
Da ich sowie nichts verstehe und selbst die meisten Früchte nicht kenne, fungiere ich nur als Träger. Das einzige was ich selbst gekauft habe, ist ein schweinefleischgefülltes Gemüse namens Malá, welches wie ein Kohl mit einem bitteren Abgang hat, eine Frucht namens Tschungpuu, welche wie eine leckere junge Birne, aber weniger süß schmeckt und etwas namens Ma´ffai, süß mit einem Lemongeschmack.

Von Mangos habe ich erstmal genug. Auf Dauer schmecken die einfach nur süß und nicht fruchtig genug. Allerdings habe ich heute bei den beiden Kindern eine neue Varainte, Mango zu essen gesehen, die ich unbedingt ausprobieren musste. Köstlich!
Dazu nimmt man eine kleine Mango, schneidet sie ob auf, drückt Kern und Fleisch heraus, stopft die Schale mit sticky Reis, knetet das ein wenig und hat so süßen Reis mit Mangogeschmack, Kleinkinderessen also.

und jetzt brauche ich Bewegung und Abstand von diesen Lautsprechern. Ich mache einen Spaziergang.

Jedesmal, wenn der Karakokesänger seine Stimme erhebt, krähen die Hähne, kein Scherz !