Über den Tod. Was ist er, woher kommt er? Was bedeutet er für dich?

in #deutsch6 years ago

Über den Tod. Was ist er, woher kommt er? Was bedeutet er für dich?

Am Anfang stand ein Zitat.

"Je mehr Glück Dir zuteil wird, desto mehr Unglück wiederfährt Dir."

(Johannes von Tepl, Der Ackermann[von Böhmen], Kapitel 12)

Person und Werk.

Johannes von Tepl lebte ca. von 1350- 1415. Er studierte an der Universität in Prag, und war Zeit seines Lebens als Autor, Direktor und Notar tätig (hier habe ich mich bei meinem Morgenzitat schwer geirrt, da ich fest der Meinung war er wäre ein Mönch gewesen). „Der Ackermann“ (von Böhmen) entstand um 1400 herum. Das Werk ist aus mehreren Aspekten heraus bemerkenswert.

Zum einen, ist es das erste Prosawerk in neuhochdeutscher Sprache überhaupt. Es bezeichnet also den beginnenden Übergang vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Hochdeutsch.
Weiters ist es auch ein gutes Beispiel für die Wertschätzung der Frauen im Mittelalter. Häufig meint man ja Frauen wären im Mittelalter nur zweite Klasse gewesen. Was nicht stimmt. Denn, erst die Renaissance bringt das antike Frauenbild zurück, was dann in späteren Jahrhunderten zu viel Unmut führen sollte, und wohl immer noch tut. Doch darum geht es mir hier nicht.

Der Text.

Das wirklich interessante ist der Text selbst. Er ist ein Dialog zwischen besagtem Ackermann (also einem Bauern) dessen Frau vor kurzem gestorben ist, und dem Tod, welchen er vor Gott des Mordes wegen verklagt. Das Zitat spricht im Übrigen der Tod.
Hier ist auch der historische Hintergrund von Bedeutung. Um 1400 herum erreicht der demografische Niedergang Europas, ausgelöst durch die drei großen Pestwellen um 1350, in den 70ern und um 1390 herum. Danach konnte man zwar die Ausbrüche beschränken, sie sollte aber für die nächsten Jahrhunderte eine Geisel Europas bleiben.
Auch das Muster des Gerichtsprozesses ist für diese Zeit nicht außergewöhnlich. So wurden oftmals auch Seuchen, Naturkatastrophen oder auch Schädlinge offiziell verklagt. Hier kommt noch das ganzheitliche Denken früherer Jahrhunderte zum Tragen. Wenn alles eins ist, und in Form der Schöpfung ist das ja auch so, so hat alles seine Berechtigung. Auch eine Geisel. Nur stellte sich auch die Frage in welchem Ausmaß, und ob nicht eine Übertretung des gerechten Maßes vorlag.

image.png
Quelle
Rochus-Altar in der Kirche St-Roch in Montpellier. St. Rochus ist der Schutzpatron gegen Seuchen und die Pest.

Doch zurück zum Text.
Die Argumente der beiden sind, so finde ich, bemerkenswert.
Der Ackermann klagt zunächst bitter über seinen Verlust und beschimpf den Tod zunächst. Was sich dieser allerdings nicht gefallen lässt, und ebenso, zwar eloquenter im Ausdruck, aber in seiner Bedeutung genauso gemeiner Art, antwortet.
Schließlich beschließt der Ackermann den Tod vor Gott zu verklagen um ein gerechtes Urteil zu bekommen, ob der Tod nun gerecht und notwendig sei oder eben nicht. Hier ist erstaunlich, dass der Ackermann ganz subjektiv argumentiert, der Tod hingegen objektiv. Die Disputation, obwohl der Text nicht sonderlich lang ist, geht zurück bis zum Sündenfall und behandelt selbst die Frage wie den der Tod in die Welt kam.
So fällt auch das Urteil Gottes zum Ende „ganzheitlich“ aus: „Darumb clager hab ere, Tot syge! – Darum gebühre Dir, Kläger, Ehre, Dir Tod, der Sieg!“

In Zeiten in welchen die Menschen, scheinbar wie verblendet, nach ewiger Jugend und, im Endeffekt, nach ewigem Leben im Diesseits suchen, entbehrt dieser Text nicht eines gewissen Stachels.

Nun meine Frage an euch. Was haltet ihr vom Tod? Ist er Glück? Ist er Unglück? Was ist überhaupt Glück? Und was ist Unglück?

Links zum Thema:

https://www.britannica.com/biography/Johannes-von-Tepl
https://www3.nd.edu/~gantho/anth354-532/Ackermann492-507.html

Das Werk selbst als Download:

https://www.gutenberg.org/ebooks/47465

Ich würde mich über einen Kommentar sehr freuen.

Ansonsten wünsche ich euch ein erholsames und grüblerisches Wochenende!

Parzifal

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Hallo Parzifal,
die objektive Herangehensweise (Sichtweise) des Tod bezüglich seines "Jobs" ist eigentlich wenig verwunderlich.
Bemerkenswert in unserem Umgang mit Gott und dem Tod scheint mir die Tatsache, dass wir Ereignisse erst vermenschlichen müssen, um dann subjektiv und von unseren Gefühlen gelenkt, die Taten der "Fantasiegestalten" täglich neu zu bewerten.
Warum haben wir es nicht für notwendig empfunden, ähnlich mit der Geburt umzugehen? Aber dem Neugeborenen, gleich nach dem ersten Schrei, die Fratze des Todes (den Sensemann oder wie auch immer) zur Seite zu stellen, der sofort als Spielverderber entlarvt wird, das kostet uns keinen Wimpernschlag. Und wenn der Schwarze Mann dann das tut, was wir von ihm erwarten, dann verstehen wir den Anderen, den mit dem langen, weißen Bart dort oben im Himmel nicht mehr und beginnen sogar an ihm zu zweifeln.
Zu welchen obskuren Taten wir danach fähig sind, das erzählte uns ja bereits Ludwig Hirsch mit dem Dorftrottel.
Auf der anderen Seite und dies scheint mir auch ganz typisch für uns, ist der Sensemann ja auch ab und zu ein gern gesehener Wandersmann, der auf seinem Weg den einen oder anderen Deppen aufrafft, der einem schon lange ein Dorn im Auge war.
Oder die Bemerkungen:

  • Zum Glück war der Tod schneller
  • Glücklicherweise hat der Tod dem Leiden ein Ende bereitet
  • Wann bringt der Tod die Erlösung

Unendlich kann das fortgeführt werden. Manchmal glaube ich, wir sollten uns langsam an die Tatsache gewöhnen, dass der Tod nicht per Handschlag zu begrüßen ist.
Für mache unter uns mag das ein glücklicher Umstand sein - für die anderen noch Lebenden eher nicht, denn kurz vor dem Abgang mit ihm diskutiert hätten sie schon noch gerne.
Genug nachgedacht an einem Sonntagmorgen.
Grüße ins flache Land mit den hohen Bergen
Wolfram

Danke für deinen Kommentar!
Dachte schon keiner traut sich :)

Das mit dem Diskutieren vor dem Tod. ich denke, dass ist stark davon abhängig wie man zu sich selbst steht. Ob man süchtig ist nach dem "Leben", in welcher Form auch immer. Oder ob man meint noch etwas erledigen zu müssen. Oder auch klassisch, wie beim Jedermann. Am Ende mit dem Tod feilschen wollen, weil man auf einmal merkt das da doch noch was war. Und die Zeit nun endgültig abgelaufen ist.

Meine persönliche Sicht auf den Tod ist eigentlich ganz einfach. Ist halt so, was solls. Was mich wirklich daran bewegt ist die Frage wie ich sterben werde. Hier ist die Sache nicht ganz so klar. Zuallererst möchte ich einen friedlichen Tod sterben. Also nach Möglichkeit ohne Siechtum oder großen Schmerzen.
Noch wichtiger ist mir allerdings, zumindest hoffe ich das ich das auch so durchziehen zu können, einen guten Tod zu sterben. Also nicht in Schimpf und Schande zu sterben, ehrlos, verhasst, oder gar als böser Mensch. Wiederum klassisch, wie bei Ebeneezer Scrooge.

Doch muss ich gestehen, dass auch ich manchmal "irritiert" bin, wenn Unschuldige (sind sie das?, in welchem Zusammenhang?, usw.) sterben müssen, wären die "Täter" weiterleben dürfen. Für mich ist dabei der schlimmstmögliche Fall bei weitem nicht der Krieg, sondern die Abtreibung. Den der Tod mag schon auch vieles sein. Eines ist er allerdings sicher nicht. Das schlimmste was einem passieren kann. Denn, es gibt weit schlimmere Schicksale als zu sterben, sagt zumindest meine Lebenserfahrung.

Gruß zurück in das "Voralpenland"
Parzifal

Der zweite Satz hat mich beinahe tief getroffen. (Aber nur beinahe:)
Ich muss zugeben mit Absicht etwas gewartet zu haben, da ich Kommentare anderer Leser durchstöbern wollte.
Doch anstatt Kommentare traf mich lediglich der Schlag. Tod, Glück, Unglück und Gedanken - alles was uns durch jede Sekunde begleitet und keiner hat was dazu zu sagen. (Entschuldige meine Ausdrucksweise, aber das ist doch Shit.)

Ich bin selbst gespannt, ob ich bei unserer Begegnung überrascht, gelassen oder widerspenstig sein werde. Ihm entgegen zu gehen, obwohl ich nie und nimmer der Typ dazu bin, würde ich nie ausschließen.

Bis die Tage
Wolfram

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