Gesundheitssystem Deutschland ↔ Verteilung der Niederlassungen !

in #steemit7 years ago
Liebe Steemis,

nach unserem letzten Post zum Thema Burnout haben sich einige Fragen ergeben, welche Grundsätzlich mit unserem Gesundheitssystem und dem ambulanten Fachärztemangel beschäftigt haben.

Grund genug für uns, euch also einen kurzen allgemeinen Überblick über dieses verworrene Konstrukt aus Regulierungen und Quoten zu geben, damit ihr eine Idee habt, weshalb ihr teilweise 1 Jahr auf einen Facharzttermin warten müsst.

Zuvor aber ein paar einleitende Worte über unser Gesundheitssystem im Allgemeinen.


Am 17.01.1845 trat das erste Gesetz in Kraft, das als Vorläufer unserer heutigen Krankenversicherung gesehen werden kann. Darin war erstens geregelt, dass es erlaubt wurde, Krankenkassen für Arbeitnehmer zu Gründen und zweitens, dass die Gemeinden Arbeiter und Gehilfen zum Eintritt in eine Krankenkasse zwingen konnten.


Heute ist grundsätzlich jeder Arbeitnehmer bis zu einem monatlichen Brutto von 4350€ pro Monat verpflichtet, in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert zu sein. Ein gesetzlich geregelter Beitragssatz von 14,6% ist vorgeschrieben, welcher je zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen wird. Der Zusatzbeitrag (Durchschnitt 2017: 1,1%) zahlt allein der Arbeitnehmer.


Mit diesen Beiträgen werden unter anderem ärztliche Leistungen finanziert, sowohl im Krankenhaus, als auch die aus der Niederlassung.

Die Finanzierung der Niederlassungen sieht so aus, dass ein niedergelassener Arzt jedes Quartal seine erbrachten Leistungen bei der Krankenkasse einreicht und daraufhin vergütet wird, er geht also in Vorleistung. Zusätzlich sind bestimmte Leistungen gedeckelt, das bedeutet, am Ende des Quartals kann es theoretisch möglich sein, dass ein Facharzt eine bestimmte Therapie nicht mehr verordnet oder aus eigener Tasche bezahlt.


Nun aber zu der Verteilung der Niederlassungen:


Die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist für die Verteilung der Niederlassungen zuständig. Sie wurde 1931 gegründet, weil damals jeder niedergelassene Arzt einzeln mit den Krankenkassen verhandeln musste und die KBV ihre Position als Vertragspartner stärken sollte.


Grundlage für die Verteilung ist die Bedarfsplanungsrichtlinie. Hier ist geregelt, wieviel Ärzte eines Fachbereiches sich in einer Region niederlassen dürfen. Je nach Fachrichtung kann dies sehr unterschiedlich sein. Während sich zum Beispiel 1 Hausarzt pro 1671 Menschen niederlassen darf, ist das Verhältnis bei einem Augenarzt 1: 13.399 bis 20.664.

Dazu werden Regionen in einzelne Planungsbereiche unterteilt, zu je ca 30.000 Menschen.

Diese Schwankung entsteht, weil regional noch einmal unterschieden wird in z.B Stadt, umliegendes Land oder rein ländliche Region.

Außerdem wird bei der Berechnung noch die Demographie hinzugezogen, also die Altersstruktur.

Regionen, in denen überdurchschnittlich viele Menschen über 65 Jahre leben, haben einen niedrigeren Schlüssel für Fachärzte, die überwiegend von älteren Menschen besucht werden (z.B Augenärzte, Urologen)


Eigentlich ist der Ansatz dieser Bedarfsplanungsrichtlinie doch gar nicht schlecht, wenn Ihr mich fragt. Warum kommt es denn dann aber dazu, dass wir bei Fachärzten und vor allem bei Spezialärzten so häufig ein halbes Jahr oder noch länger auf einen Termin warten müssen?



Dafür müsst ihr Wissen, dass noch einmal unterschieden wird in allgemeine Ärzte (Hausärzte, Urologen, Orthopäden, Physiotherapeuten etc..) spezialisierte Fachrichtungen (Anästhesisten, Radiologen, Fachinternisten, Kinder- und Jugendpsychiater) und gesonderte Ärztliche Versorger (Humangenetiker, Nuklearmediziner, Strahlentherapeuten etc.)


Nun wird regelmäßig geschaut, wie die einzelnen Planungsbereiche (ca 30.000 Personen pro Planungsbereich) versorgt sind. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, 1 Hausarzt auf 1671 Menschen würde einer 100% Versorgung entsprechen. Ab 110% spricht man von einer Überversorgung und es werden freiwerdende Niederlassungen nicht mehr nachbesetzt. So wird eine Überversorgung wieder reguliert.

Bei einer Unterversorgung ist es nicht ganz so leicht, denn da ist entscheidend, ob man Allgemeinarzt ist oder einer spezialisierten Fachrichtung angehört.

Bleiben wir beim Allgemeinarzt (z.B Hausarzt). Eine Unterversorgung wird dann angenommen, wenn das Verhältnis Arzt: P5KaAkTYGbN9NPm9FtQHKtXJ2RjkTMyPGio2GyoPXyo9aohmvTP7 Menschen unter 75% fällt. Das bedeutet in Zahlen, dass dann durchschnittlich auf einen Hausarzt 2089 Patienten kommen, also 400 mehr als bei einer normalen Versorgung. 

Bei Spezialisten gilt eine Unterversorgung sogar erst ab 50%.


Das führt dazu, dass bei den Ärzten quasi regelmäßig die Wartezimmer kurz vorm platzen sind, Ihr einen Tag Urlaub nehmen müsst wenn ihr einen Facharzttermin habt, weil die Wartezeit so lang ist und die niedergelassenen Ärzte kurz vor dem Kollaps stehen.


Denn die haben mit dem hippokratischen Eid geschworen, den Menschen zu helfen und machen regelmäßig Überstunden (so etwas gibt es ja eigentlich nicht, weil Sie ja selbstständig sind) um den Patienten zu helfen.


Zusammenfassend kann man sagen, dass Ärzte und Patienten die Leidtragenden sind eines gut gemeinten, aber bei weitem noch nicht optimalen Systems zur Verteilung der Niederlassungen.

Es müsste flexibler und schneller auf demographische Entwicklungen eingegangen werden, um eine optimale ambulante Patientenversorgung zu gewährleisten. 


Falls Ihr Fragen habt zu diesem unfassbar komplexen Thema oder zu anderen Themen rund um Medizin und Erste Hilfe stehen wir euch gerne mit Rat und Tat zur Seite.


Liebe Grüße


Euer Just Help Team

Raphael & Marc 


Quelle Bild:https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/fileadmin/_processed_/csm_Arztzahlstatistik-Bundesaerztekammer-AErztemangel_ee2b32ea41.jpg.


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