Eine Reise nach Budapest

in #reisen7 years ago

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« Komm nach Budapest!“, sagte meine ungarische Freundin Éva, die ich in einem Zug vor drei Jahren kennen gelernt hatte, als wir im Café Szamos in der Landstraßer Hauptraße zusammen Kaffee tranken. Drei Wochen später saß ich im Zug in Richtung Pannonische Tiefebene. Strahlend schön war der Tag. Éva empfing mich am Bahnsteig in Keleti und begleitete mich zu meiner Unterkunft im Hotel Benczúr. Ich kannte das Hotel von meiner letzten Reise und wurde begrüßt, als wäre ich längst Teil der Belegschaft. Ich erkannte viele Gesichter wieder und brauchte auch keine Daten mitzuteilen. Alles war schon da. Ich bezog ein großzügiges Zimmer mit Blick auf die wenig befahrene Straße, in der sich die hübschen Fassaden zahlreicher Botschaften verschiedener Nationen und mächtige Bäume im frischen Frühlingsgrün präsentierten. War es Lukács oder Zoltán, der mir das Gepäck ins Zimmer brachte? Ich werde die Zwillinge nie unterscheiden können. Im Kühlschrank würde sich eine bunte Obstplatte verstecken, meinte der Zwilling. Ein Geschenk des Hauses. Ich war wirklich verwöhnt.

Éva und ich erhielten eine Einladung zum Mittagessen auf der Terrasse, die die mittägliche Sonne freundlichst willkommen hieß. Der humorvolle Kellner nahm die Bestellung auf und beantwortete bereitwillig meine Frage. Der schmackhafte Zander, den ich wählte, war aus dem Plattensee gefischt worden, dem Balaton, wie ihn die Ungarn nennen. Er mundete vorzüglich. Gespräche über die Liebe und das Leben begleiteten die Mahlzeit und wurden erst unterbrochen, als der Blick erneut in die Speisekarte fiel. Ein Nachtisch durfte nicht fehlen. Zart und schlank erschien die überbackene Palatschinke vor mir auf dem Teller. Gefüllt mit feinstem Topfen. Ein lukullisches Vergnügen.

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Nach dem Essen bat Gergely Muskovics, der Chef-Rezeptionist, um ein Foto vor dem Hotel. Koch und Kellner wurden gerufen, um die Gruppe zu komplettieren. Eva bemühte sich, um eine gelungene Aufnahme. Wir hatten unseren Spaß. Mir war das Hotel zu meinem Budapester Zuhause geworden. Wohin das Auge blickt, es begegnet einem in erster Linie Freundlichkeit. Ich empfehle den Ort aufs Wärmste: www.hotelbenczur.hu/de

Wie immer hatte sich Éva um ein kulturelles Programm für das Wochenende bemüht. Das Tourismus-Magazin SERVUS, www.servus.hu/ , das sie monatlich veröffentlicht, gibt Auskunft über viele gute Adressen und Veranstaltungen in der Stadt. Für Freitagabend wählte sie einen Besuch im Béla Bartók-Haus, im Stadtteil Pasaret im zweiten der dreiundzwanzig Bezirke Budapests. Der grüne, hügelige Randbezirk ist geprägt von vornehmen Villen und blumenbewachsenen Gärten. Das Haus in der Csalán Straße 29 bewohnte Ungarns berühmtester Komponist und Musiker, Béla Bartók, von 1932 bis 1940. Heute ist es ein Gedenkhaus, das von dem preisgekrönten Klavier- und Orgelkünstler Csaba Király geleitet wird. Bei seiner Gestaltung im Jahr 1981 half Béla Bartók, der ältere Sohn von Bartók, mit. Sein Wille war es, das ganze Erbe seines Vaters an einem Ort auszustellen.

Ágnes gab mir eine private Führung durch die drei Geschosse, in dem ich das Leben eines Genies nachempfinden durfte. Ich staunte über die Sammlungen des Künstlers und noch viel mehr über dessen Leidenschaft, das Volksliedgut des Landes zusammenzutragen. Der Musikethnologe Bartók unternahm dafür weitläufige Reisen durch Ungarn, Rumänien, die Slowakei und die Türkei und sammelte über 10.000 Lieder, die er mittels Phonograf registrierte oder niederschrieb. So mancher liedkundige Bürger, der eine Melodie zum Besten gab, glaubte gewiss, einem Teufelsgerät gegenüberzustehen. Die eigene Stimme durch den Phonografen - einer damals bahnbrechenden technischen Errungenschaft - wie ein Echo zu vernehmen, versetzte so manchen Laien in Angst und Schrecken. Heute ist das kaum noch vorstellbar. Nur bei genauerem Hinsehen könnte einem bange werden ...

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Wenig später saß ich mit Eva im kleinen Konzertsaal und erwartete, den Klängen zweier viel gepriesener Künstler des Landes zu lauschen. Der berühmteste Cellist Ungarns erwies uns die Ehre, Miklós Perényi, am Klavier war es Csaba Király, der Direktor des Hauses persönlich. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit in erster Linie auf das Cello, war ich doch auf diesem Instrument Expertin im Anfangsstadium. So würde es später Zsuzsanna resümieren. Und sie hat Recht. Es ist nicht einfach, Herr über Bogen und Saiten zu werden. Aber die Aussicht dem Cello irgendwann den sauber gespielten, und so unvergleichlichen Klang zu entlocken, wird mich hinreichend motivieren, nicht aufzugeben. Virtuos und in beeindruckender Leichtigkeit strich der Maestro über die Saiten. Ich neidete ihm sein Können. Werke von Liszt, Bartók, Brahms und Bach wurden geboten. Das Publikum war verzaubert und dankte den musikalischen Genuss mit viel Applaus. Ganz zufrieden traten wir die Heimreise an.
Samstagfrüh lachte erneut die Sonne. Budapests Metrolinie 1, die älteste Europas, brachte mich ins Zentrum, wo mich ein fröhlicher Kunsthandwerksmarkt zum Frühlingsbeginn überraschte. Handgebasteltes aller Art wurde ausgestellt. Tönerne Ware, Originale aus Holz, Glas und Metall und genähte Stücke gefüllt mit frischem Lavendel. Menschen drängten um die Mittagszeit zu den Grill-und Gulaschbuden und löschten ihren Durst mit den prall gefüllten Krügeln Bier. Ich erwarb das eine oder andere gefällige Mitbringsel und traf Éva um 13 Uhr vor dem Café Gerbeaud. Über den Budapester „Graben“, der kleineren Schwester der beliebten Einkaufsstraße in Wien, der Váci utca, flanierten wir bis zum Restaurant Kárpátia, wo wir aufs Neue zum Mittagessen geladen waren.

Die historischen Mauern der Gaststätte, www.karpatia.hu/en, zählen 130 Jahre und waren Teil der angrenzenden Franziskaner-Kirche. Heute versammeln sich unter den kunstvoll gestalteten Kreuzgewölben Familien, um traditionelle Feste zu feiern. Wir zogen die Terrasse vor und profitierten von den warmen Frühlingstemperaturen. Der Kellner empfahl frischen Spargel und einen Wels aus der Theiß, dem zweitwichtigsten Fluss des Landes. Dieser fließt im Osten Ungarns von Nord nach Süd parallel zur Donau und trifft als längster Nebenfluss derselben in Serbien auf seine große Mutter.

Éva lobte ihre Wahl der Speisen so sehr wie ich die meine. Dass zum Fisch auch Weißkraut passen würde, erlebte ich zum Ersten Mal in Budapest. Es war eine wirklich gelungene Kombination. Zum Abschluss liebäugelten wir mit einer Variation an Strudeln, die auch prompt erprobt wurde. Wir waren begeistert und satt wie schon lange nicht. Ein Erinnerungsbild wurde festgehalten und ich versprach, den Restaurant-Tipp mit einer treuen Leserschaft zu teilen.

Wir hätten gut daran getan, eines der Fahrräder zu schnappen und bei Budapests Manifestation „I bike Budapest“ mitzumachen. Hunderte orangefarbene Radler kamen uns auf der bestbefahrenen Rákóczi út entgegen, gefolgt von Abertausenden sportlichen Ungarn jeden Alters. Es war fürwahr ein Spektakel. Ich verfolgte es lange vom Balkon des Urania Kinos aus, während Eva ungehalten auf ihre Freundinnen wartete. Diese steckten wohl dank Demo im überforderten Großstadtverkehr fest.

Der Abend war einem besonderen Ereignis gewidmet. In besagtem Kino www.urania-nf.hu/en/mission werden nicht nur Filme geboten und wöchentliche Milongas veranstaltet. Einmal monatlich wird auch eine Vorstellung aus der MET in New York übertragen. Éva ist leidenschaftliche Opernliebhaberin und hatte oft von dem Angebot geschwärmt. Diesmal war ich mit dabei. Mit einiger Verspätung stießen Zsuzsanna, Veronika, Annemarie und Ildikó zu uns. Es blieb dennoch Zeit für ein Kennenlernen. Mit großem Interesse lauschte ich den Geschichten dieser Frauen. Nicht auf Ungarisch. Diesen Ehrgeiz habe ich noch nicht entwickelt. Mein Wortschatz umfasst ein Dutzend Vokabel und es bleibt zu hoffen, dass zumindest diese nicht verloren gehen. Aber Gott sei Dank sind fast alle Ungarn des Deutschen kundig, und wenn nicht, dann schafft die englische Sprache Abhilfe.

Der Kinosaal war prall gefüllt. Gespannt warteten wir auf die Darbietungen der Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni und Leoncavallos Pagliacci. Beide Dramen waren mir unbekannt, nicht aber das berühmte Intermezzo der Sizilianischen Bauernehre. Es ist die Art von Musik, die Gänsehaut auslöst. Ihr gebührte ein Sonderapplaus. Tragisch fürwahr sind die beiden Geschichten. Erschütternd die Dramen, in der die Liebe so gerne siegen würde, der Triumph aber dennoch den menschlichen Begrenzungen vorbehalten bleibt. In einer unaufhaltsamen Tragik eilen der verletzte Stolz und die mangelnde Selbstliebe dem Tod entgegen. Machtlos bleiben alle anderen zurück, während sich das zugetragene Leid über eine ganze Gemeinschaft ergießt. Ein Unglück fürwahr. Und in einer Echtheit gespielt, die erschaudern lässt. Gebührende Anerkennung wurde den Darstellern gezollt. Sie hatten eine Glanzleistung geboten. Vielleicht hätte ich den Applaus dennoch lieber ausgespart. Manchmal meine ich, dass wahre Anerkennung im Stillen passiert. Vor allem, wenn Kunst betroffen macht. Sehr bewegt verließen wir das Kino. Es war ein gelungener Abend.

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Selten hatte ich in einem Hotel so gut geruht wie in diesem und bestens ausgeschlafen erwachte ich am Sonntagmorgen. Nur die Sonne hatte Mühe aus ihren Federn zu kriechen. Eingebettet in dicke Wolken bevorzugte sie ihr Schläfchen auszudehnen. Nach einem reichhaltigen Frühstück mit großer Auswahl am Büffet packte ich meinen Trolley. Bevor es zurück nach Wien ging, besuchte ich Éva und ihre Familie im 14. Bezirk. Die Söhne Martin und Balázs waren da und ihre Freundinnen Lucie und Agi. Nur Peter, seine Frau und die kleine Bogi fehlten. Sie war erst zarte fünf Monate alt. Éva war in die Rolle der Gastgeberin geschlüpft und hatte einen Vormittag lang gekocht. Im großen Eisentopf brutzelte der Truthahn mit Zucchinigemüse. Im Rohr standen die in Folie gewickelten Erdäpfel. Ein Aperitif eröffnete den Schmaus. Sehr herzlich war das Beisammensein, anregend die Gespräche und schmackhaft die Gerichte. Ein mit Maroni und Himbeeren gefülltes Plundergebäck bot einen krönenden Abschluss.

Gegen 15 Uhr trat ich die Heimreise an. Dankend nahm ich Abschied. Ein Taxi fuhr mich zum Bahnhof Keleti, wo mich ein gut gefüllter Waggon der ÖBB verschluckte und drei Stunden später in Wien Meidling wieder preisgab. Körper, Geist und Seele hatten über das Wochenende wunderbare Nahrung bekommen. Sie hatten allesamt gelebt wie Gott in Frankreich. Auch die Waage sollte ihnen Recht geben …

Viszontlátásrá, Budapest. Auf ein baldiges Wiedersehen.

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