Wasser bügeln: Wie du Ziele durch flow-basiertes Denken ersetzt
Es scheint das ständige und irgendwie auch leidige Thema zu sein: Ziele.
Einer hat sie, der andere hätte sie gerne und der andere weiß gar nicht so wirklich, ob er jetzt welche haben darf, wielange sie in die Zukunft reichen sollen und wie die Geheimformel dazu eigentlich lautet.
Das Thema Ziele allgemein ist verkopft und stark abstrakt. Es enthält keinerlei Emotionen, lediglich nachgeplappertes Wissen, dass völlig gefühlskalt angewandt werden soll, um irgendwann mal etwas zu erreichen. Das unser Gehirn damit ungefähr soviel anfangen kann wie mit einer Aufbauanleitung von IKEA, wird hier außer Acht gelassen.
Durch durch ein, nennen wir es mainstream-mäßig beim Namen, “flow-basiertes” Denken und Handeln, entstehen einige Vorteile. Der Fokus, auf den wir unsere Aufmerksamkeit richten, wird hierbei in das Leben integriert, anstatt wie ein seelenloses Wesen Zielen nachzurennen. Mehr dazu in diesem Artikel…
Wasser bügeln?
Über den Zustand des Flow können wir nicht nachdenken. Es ist ein Geflecht aus tiefen, emotionalen Zuständen, die uns in einen Umstand von Watte packen. In diesem Umstand konzentriert sich unser Gehirn so stark auf den gegebenen Moment (Form) und die darin enthaltenen Dinge (Inhalt), dass es alles um sich herum vergisst, sogar die Zeit.
Dieser Zustand war bei unseren Vorfahren vorallem beim Jagen notwendig. Sie waren, vorausgesetzt, es entspach ihrem Gemüt, teilweise stundenlang in einem so tiefen Jagdtrieb, dass sie abends Essen für den kompletten Stamm mitbringen konnten. Mihaly Csikszentmihalyi, emeritierter Professor für Psychologie an der University of Chicago, schreibt dazu in seinem Buch Flow. Das Geheimnis des Glücks:
"Wenn du an etwas interessiert bist, konzentrierst du dich darauf, und wenn du dich auf etwas konzentrierst, ist es wahrscheinlich, dass du dich dafür interessierst. Viele der Dinge, die wir interessant finden, sind nicht von Natur aus > interessant, sondern weil wir uns die Mühe gemacht haben, auf sie zu achten. "
Flow-basiertes Denken orientiert sich an diesem Zustand. Es betrachtet das tägliche Verhalten wie einen Fluß, indem wir einfach mitschwimmen. Wir wehren uns nicht dagegen, sondern fließen einfach mit. Dieses “sein” ist notwendig, um kreativ zu erschaffen und friedlich zu leben. Alan Watts beschreibt diesen Zustand so:
"Du möchtest die Ruhe der Seele, aber der Versuch, sie zur Ruhe zu bringen, gleicht dem Versuch, Wellen mit einem > Bügeleisen zu beruhigen."
Wir zwingen den Fluß des Lebens, im Mikroverhalten den Tag, nicht, sich in eine bestimmte Richtung, ein bestimmtes Ziel zu bewegen. Wir nehmen lediglich leichte Anpassungen in unserem sowieso schon fließenden Verhalten vor, die z.B. bei Problemen zwangsläufig notwendig sind. Das ist kein gewaltvolles Stemmen gegen das, was ist, sondern einfach leben, ein mitschwimmen mit dem, was geschieht.
Positiver Nebeneffekt: Wir zwingen unserem Gehirn keine Erwartungen mehr auf. Da unser Leben komplett auf Erwartungen basiert, nach denen sich unser Verstand richtet, müssen wir keine weit entfernten Erwartungen mehr erfüllen. Erreichen wir dann nämlich unser Ziel nicht, was wahrscheinlich ist, neigen zur sofortigen Resignation.
Identifizieren, anpassen, automatisieren
Ich werde dazu gleich ein paar Beispiele aufzeigen, aber hier ist die Vorgehensweise in ihrer abstrakten Form:
Identifiziere den Prozess: Vergangene Erfahrungen werden durch unterschiedliche, kognitive Verzerrungen und Emotionen verfälscht. Erfahre die Dinge also so, wie sie sind, um eine gesamtumfängliche Sicht davon zu bekommen, was tatsächlich geschieht.
Mache kleine Anpassungen: Schon eine falsche Schraube an einem Möbelstück kann das Gerüst zum Zusammenbrechen bringen. Gleichzeitig kann diese Schraube also auch für den Halt verantwortlich sein. Frage dich also in deinem fließenden Zustand, z.B.: “Ist diese Kleinigkeit notwendig? Was würde passieren, wenn ich sie weglassen würde?” oder eben “Welche Kleinigkeit könnte die Dinge ein wenig besser machen?” Verhaltensänderungen entwickeln sich durch stetige Anpassungen, also Verwerfungen und Hinzufügungen.
Automatisiere: Du wirst spüren, dass sich viele Dinge auch ohne deinen Einfluss verselbstständigen. Wenn du sie in die Richtung lenkst, in die sie fließen sollen, positiv. Wenn du sie in eine falsche Richtung lenkst, in die sie nicht fließen sollen, negativ. Zu diesen Automatisierungen gehören Gewohnheiten, Veränderungen von Glaubenssätzen, Meditation usw.
Auf der Bahn, auf der wir uns in Richtung eines Ziels bewegen, richten wir den Blick nicht mehr ständig auf ein fragiles Ziel in der Zukunft (x Euro, y Follower, z Verkaufszahlen).
Wir reagieren im Flow-Modell in Mikroreaktionen auf das, was geschieht. Wir treffen bewusste Entscheidungen, die uns nicht überlasten, unser Gehirn nicht ständig in einen Gefahrenzustand versetzen, indem wir sowieso irgendwann resignieren, da es uns so vorkommt, als ob wir ständig etwas tun müssten:
“Oh nein, ich muss ja noch zum Sport gehen, da ich in 8 Wochen 10 Kg weniger wiegen möchte.”
“Ich habe gar keine Lust, jetzt 1000€ zu sparen, um mir in einem Jahr ein Auto kaufen zu können.”
Was wären die Alternativen? Wie können wir unseren Blick neu ausrichten, neue Veränderungen einfach im Geschehen einfließen lassen? Sehen wir uns ein paar Beispiele an.
Gesundheit
Ich mag das Thema Gesundheit als Beispiel deshalb, da es so unglaublich viele Regeln und Richtlinien enthält, die schlichtweg aufgrund unseres neurobiolischen Aufbaus nur für denjenigen Sinn machen, der daran mitverdient, aber nicht für denjenigen, der am Ende darunter leidet.
Da wir grundsätzlich unter einer sogenannten “Verzerrungsblindheit” leiden, innerhalb derer wir individuell oder kollektiv schädliches Verhalten ausblenden bzw. unterbewerten, wie z.B. lügen, fremdgehen, zuviel ungesund essen usw., kann es im Sinne der Gesunheit förderlich sein, die folgenden Schritte innerhalb unseres flow-basierten Denkens einzufügen.
Obwohl ich kein Befürworter von Tracking bin, sind sie hier im ersten Schritt einfach notwendig, allerdings keine dauerhafte Vorgehensweise.
Identifiziere den Prozess: In jeder Ernährungsform, die ich mal ausprobiert habe, ware ich überrascht, wieviele oder wiewenige Kalorien ich letztendlich zu mir genommen habe. Unser Körper sendet uns hier nicht immer die korrekten Signale. Ein Menü bei McDonalds mit 1100 Kalorien fühlt sich nämlich nur so an, als wäre es nichts. Schreibe deine Kalorien deshalb auf.
Mache kleine Anpassungen: Kleinigkeiten können sich schon massiv auf die Gesundheit auswirken, wie z.B. das Weglassen von Snacks, das Überspringen des Frühstücks, ein wenig mehr Proteine bzw. mehr von dem Gemüse essen, das ich mag. usw.
Automatisiere: Nach höchstens 21 Tagen macht dein Gehirn aus den kleinen Anpassungen, vermischt mit dem “Ist-Zustand” im Moment (nicht in der Zukunft) eine Gewohnheit, da es sich auf das, was du ihm lieferst, konditioniert. Eine Automatisierung wurde geschaffen.
Logisch, oder? So funktionieren wir alle. Wir orientieren uns an dem, was wir im Moment haben und tun.
Wir machen kleine Veränderungen, anstatt uns mit der vollständigen Ladung des "nicht Komfortablen" zu konfrontieren. Wir gehen täglich ein Stück weiter, den Blick auf das gerichtet, was ist, nicht das, was werden soll, denn was werden soll, kommt dann automatisch.