Zwei Wochen Pflegepraktikum - fast ohne Medizin

in #praktikum7 years ago

Als ich am Freitagnachmittag das erste Mal in den 2 Wochen den Bus verpaßte, bin ich erstmal in Tränen ausgebrochen. Mir war schon beim Umziehen klargeworden, daß tatsächlich das passiert ist, was ich befürchtet hatte.

Und gestern früh verpaßte ich auch wieder knapp einen Bus und erneut war die emotionale Not groß, so daß ich einfach losgeweint habe. So ist mir das noch nie passiert.

Es waren Woche 2 und 3 von 5 Wochen Krankenhauspraktikum und ich habe in den 10 Tagen allerlei gemacht, aber um Medizin ging es praktisch gar nicht. Dazu, Fragen zu stellen, kam ich auch kaum - oder fehlte mir einfach der Mut? - und der Plan, zumindest in der 2. Woche auch mal mit den Ärztinnen mitlaufen zu dürfen, ging auch nicht auf. Ich habe also nicht nur keine Praxis in den Bereichen bekommen, die ich hätte beüben müssen, sondern auch keine Theorie, was Diagnostik angeht.

Am Anfang bekam ich noch Zettel mit der Belegung, ab dem 4. oder 5. Tag nicht mehr. Bei den Mittagsübergaben wachzubleiben, gelang mir kaum, dafür war ich in der ersten Woche regelmäßig gegen 3 Uhr wach. Ab Tag 4 (?) fuhr ich eine Stunde eher zur Klinik - mit dem ersten Bus, der in die Kreisstadt fährt.

Und dann war ich - je nachdem, ob ich noch Arbeitskleidung für mich holen mußte oder nicht - um kurz vor oder kurz nach sieben Uhr umgezogen auf der Station und durfte entweder die Kollegin bei der Morgenmessung unterstützen oder nicht. Dann ging es weiter mit der Morgenhygiene bei den Patienten, dem Austeilen der Frühstückstabletts (hier hatten wir ab Mittwoch der Woche 1 Unterstützung, mußten es seitdem nicht mehr selbst machen), Untersützung beim Essen bei wenigen Patienten (je nachdem entweder nur Brötchen schneiden, Brötchen schneiden und schmieren, Kaffee oder Tee in die Tasse oder Schnabeltasse gießen und mit Milch/Zucker/Süßstoff/Zitronensaft ergänzen, püriertes oder nicht püriertes Essen anreichen oder im schlimmsten Fall feststellen: die Patientin oder der Patient kann nicht mehr schlucken oder wehrt sich gegen die Kollegen - dann gab es nichts mehr!), dann weitere Körperhygiene, evtl. auch Wiegen von Patienten (auf der mechanischen Waage!), ggf. Betten neu beziehen, ab Beginn der zweiten Woche dann auch das Auffüllen und Putzen der Wäschewagen nach der Morgenhygiene sowie das Putzen der benutzten Schüsseln, Toilettenstühle, Bettpfannen (die gingen mit Inhalt direkt in die spezielle Spülmaschine - Gott sei Dank!), evtl. Patienten für den Transport zu Untersuchungen auf den Gang schieben (im Rollstuhl oder im Bett), Mittagessen verteilen (wie beim Frühstück hatten wir auch hier ab Mitte der 1. Woche nichts mehr zu tun), wiederum Essen anreichen und ggf. Medikamente, Mundhygiene bei der nicht mehr des Schluckens fähigen Patientin, Mithilfe beim Umlagern bettlägeriger Patienten, erneute Messungen von Temperatur/Blutdruck/Puls am Nachmittag nach der Übergabe an die Nachmittags-/Abendschicht (es gab ein Drei-Schicht-System). Medikamentenzuteilung für den nächsten Tag machte die Nachmittagsschicht, hier konnte und durfte ich nicht helfen.

Ich hatte eineinhalb Wochen versucht, darauf hinzuwirken, auch mal medizinischere Sachen machen zu dürfen - immerhin wird von mir vorausgesetzt, sicher Blutdruck und Puls messen zu können (womit ich mich schon immer schwer tue!) oder einen Venenzugang legen zu können. Als ich die Kolleginnen auf letzteres ansprach, erklärte sich zwar eine bereit, das mit mir am Montag zu üben, wurde aber am Wochenende krank und trotz ihrer Anwesenheit kam es nicht dazu (meine Dienstzeit überschnitt sich mit der der Nachmittagsschicht nur um zwei bis drei Stunden). Die anderen Kolleginnen, die ich darauf ansprach, zeigten mir mehr oder weniger freundlich einen Vogel.

Es bleibt der finale Eindruck, daß ich erneut Souveränität habe vermissen lassen und nicht gemäß meines (formalen) Ausbildungsstandes gehandelt habe. Daß ich vielleicht meinen Ausbildungsstand - es gehen ja einige pro Jahr zu diesen Praktika - in den Dreck gezogen habe.
Vielleicht ein altes Praktikantenleid. Aber für mich völlig neu und entsetzlich.

Im Hinblick auf die krankheitsbedingt strapazierte Personalsituation auf der Station bleibt auch die Frage: wäre es sich denn überhaupt ausgegangen, mehr gezeigt und erklärt zu bekommen? In zwei Schichten war eine Praxisanleiterin da, die mir bei unserer ersten gemeinsamen Schicht haarklein erzählte, erst kämen die Schüler, dann BFDler/FSJler und dann irgendwann die Praktikanten - in einem Ton, der weitere Fragen quasi verbot, obwohl von den anderen Personengruppen gerade keiner da war!
Also: Lust am Erklären nahezu Null!
Oder war ich einfach zu kurz da?

Grenzüberschreitungen gab es für mich auch. Jemanden waschen zu müssen, der danach noch genauso nach Schweiß roch, dessen Hände, Füße und Zehennägel nicht sauber zu bekommen waren. Der Umgang mit Patienten, die nicht mehr kommunizieren konnten außer durch ein bißchen Mimik oder auch mal abwehrende Handbewegungen. Von dem Patienten mit letzterem Verhalten weggehalten werden. Patienten auf Bettpfannen setzen. Zwangsläufig beobachten müssen, wie sich der Zustand von Patientinnen weiter reduziert. Eine Patientin mit abnehmender Kontrolle über Beine, Arme und Rückenmuskulatur davon abhalten müssen, aus dem Bett steigen zu wollen, um endlich aufs richtige Klo gehen zu können. Die verschiedenen Charaktere der Pflegerinnen, von denen einige auch doch mal richtig genervt waren, wenn Kolleginnen nicht zupackten.

Vom Gefühl her bin ich mit ein wenig Erleichterung, aber auch viel Schwermut, gegangen. Weil es sich eben nicht so entwickelt hat wie erhofft, aber auch weil mich das Schicksal der Patienten echt mitnimmt. Einige sind mir ja in der Zeit durchaus ans Herz gewachsen.

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