Lightroom essentielle Grundlagen #1 deutsch • Ist RAW grundsätzlich besser als JPG?

in #photography7 years ago

Als Berufsfotograf, Dozent und Coach für Lightroom und Photoshop möchte ich hiermit einen Beitrag auch für diejenigen leisten die der Englischen Sprache nicht mächtig sind oder zumindest schwierigere Sachverhalte lieber in deutsch lesen.

Es handelt sich nicht um eine Klickanleitung wie sie zu hunderten im Internet zu finden sind, sondern um wesentliches Know How, welches Ihr zum Umgang mit Lightroom braucht und welches meiner Erfahrung nach bei Hobbyfotografen meistens fehlt...wodurch dann statt Freude mit dem Programm sich oft Frust einstellt weil die Bearbeitung extrem umständlich und zeitraubend erscheint.

Solltest du nach dem Lesen dieses Artikels feststellen dass RAW-Entwickeln vielleicht doch nichts für dich ist, heiß dass nicht dass du ein schlechterer Fotograf dadurch wärst, Lightroom hilft nur dabei, den Rahmen der Qualität deiner Kamera besser auszuschöpfen.

Oft werde ich in Seminaren gefragt:

“Wenn ich auf RAW stelle bekomme ich doch bessere Bilder, oder?”

Jaein ist die ganz klare Antwort laughing

Es kommt dann noch darauf an was du daraus machst!

Um das verständlicher zu machen möchte ich Euch ein Gleichnis anführen:

Johann und Robert kommen aus einem Bäckerladen der auch Backzubehör verkauft.

Johann hat einen fertigen Kuchen gekauft, Robert hingegen kommt mit einem Beutel voller Zutaten aus dem Laden.
Die Zutaten sind vom Bäcker Nikcanon als Heimbackmischung zusammengestellt.

Robert (das R steht hier für RAW) kann nun zu Hause noch entscheiden wie er den Kuchen backen möchte...sofern er etwas Backerfahrung mitbringt.
In seiner Tasche befinden sich nämlich noch ein paar mehr Zutaten die ihm der Bäcker zusammengestellt hat. Das Rezept gibt er ihm aber nicht mit wenn er einen anderen Ofen (Lightroom) verwenden möchte.

In der Tasche befinden sich neben dunklen Schkoflakes auch solche aus weißer Schokolade... er kann seinen Kuchen also sehr individuell an den Geschmack seiner Familie anpassen.

ABER.. er muß es noch machen! (Arbeit)

UND... er muß es können! (Erfahrung)... und das kann man ja glücklicher weise lernen.


Der Bäcker Nikcanon ist Profi, demzufolge bekommt Johann einen guten Kuchen (das J in seinem Namen soll für JPG stehen).
Die Schachtel um den Kuchen macht ihn gut transportfähig ohne dass sichtbare Schäden am Kuchen blieben (JPG-Komprimierung).

Allerdings Johann im nachhinein kaum noch etwas am Kuchen ändern, Schokoflocken hat er nur eine Sorte... sollte ihm der Kuchen zu süß sein, hat er Pech gehabt... vielleicht gibt es beim Bäcker eine andere Variante (Kreativmodus) die er das nächste Mal wählen kann.

Was ich damit sagen will:

Wenn du RAW entwickelst, dich also für den Weg entschieden hast den Kuchen selber zu backen... dann solltest du dir darüber im Klaren sein dass es nicht selbstverständlich ist dass dein Kuchen dann besser wird als der des Bäckers, d.h. der Kamerahersteller kennt die eigenen Kameras sehr gut und demensprechend wird ein JPG auch sehr gut in der Kamera entwickelt.
Lightroom ist nicht vom Kamerahersteller, bekommt wie im Fall von Nikon nicht mal die genaue Aufschlüsselung der RAW-Daten.

Deine erste Herausforderung sollte also sein, das RAW mindestens genauso gut zu entwickeln wie die Kamera es vermag.

Deine zweite Herausforderung wird es dann sein dies in einer rentablen Zeit hinzubekommen. Wir erinnern uns, die Kamera macht diesen Job im Bruchteil einer Sekunde.

Zur Entwicklung gehört zum Beispiel, passend zur gewählten ISO nachzuschärfen... das ist nicht nur Geschmacksache, sondern durch den oft verwendeten Tiefpassfilter in Kameras gehört Kantenkontrastverstärkung einfach zum Werdegang eines fertigen Digitalfotos dazu.

Wie kann man das bewerkstelligen?

Eine Hilfe die uns Lightroom dafür anbietet ist die Möglichkeit Einstellungen auf viele Bilder gleichzeitig zu übertragen (synchronisieren).

Die Regel dabei:

Vom Allgemeinen zum Speziellen

Das wiederum bedeutet:

zunächst wendest du die Einstellungen auf alle Bilder an die für
alle Bilder gleich sind,

dann folgen Einstellungen von grossen Teilmengen

und schliesslich kleinere Teilmengen und Einzelfotos.

Solltest du dich verleiten lassen nicht nach dieser Regel vorzugehen stößt du spätestens bei der Bearbeitung von 400 Hochzeitbildern an die Grenzen des zeitlich Machbaren.

Nun kommt spätestens die Frage der Teilmengen auf.

An dieser Stelle möchte ich nochmals erwähnen dass sich gute Vorbereitung in Lightroom schnell auszahlt.
In meinen Augen handelt es sich um ein "Must-have", nicht etwa um ein "Nice-to have", also um eine notwendige Bedingung um von dem Programm profitieren zu können.

Für manch einen mag das enttäuschend bzw. abschreckend klingen. Für alle anderen, und jene die sich trotzdem zu Arbeit durchringen, erkläre ich im Folgenden wie es geht.

Vom Allgemeinen zum Speziellen,

was genau bedeutet das in der Praxis?

1. Alle Bilder

Hier könnte man zum Beispiel sch Meta-Daten mit den copy-rights einfügen.

2. JPG und RAW

Es versteht sich von selbst, dass Bilder die schon entwickelt sind, also die JPGs, nicht wie unbehandelte RAWs behandelt werden sollten.

3. ISO Empfindlichkeit

Da der Sensor deiner Kamera bei verschiedenen ISO-Einstellungen verschieden zu entrauschende und nachzzuschärfende Resulte hervorbringt sollten die verschiedenen Iso-Aufnahmen getrennt von einander entwickelt werden.

4. Objektive

Diese Gruppe "behandelt" Lightroom automatisch schon dadurch getrennt als es möglich ist Profile um der spezifischen Objektivverzerrung entgegenzuwirken automatisch anwenden zu lassen. Auch die Behandlung von Farbsäumen (CA) gehört in diese Gruppe.

5. Licht und Location

Verschiedene Lichtsituationen bzw. Orte bedürfen spezieller Anpassung der Belichtungsparameter und des Weißabgleichs.
Da sich diese beiden Parameter gegenseitig beeinflussen ist es unabdingbar diese beiden Regler zusammen im Wechselspiel zueinander zu justieren.

Nun die gute Nachricht:

Gruppe 1-4 können von Lightroom automatisch aufgeteilt und bearbeitet werden!
Das ist eine sehr gute Nachricht, da dies eine unschätzbare Zeitersparnis darstellt die die Entwicklung von RAW-Fotos erst alltagstauglich macht. Es ist erstaunlich wie viele Menschen Lifgtroom nutzen ohne diese wichtige Funktion zu kennen.

Es bedarf einer Vorbereitung, aber wenn diese einmal vorgenommen wurde steigt die Effizienz bzw. Sinnhaftigkeit für den Anwender des Produktes Lightroom um ein Vielfaches.

Lightroom ist in der Lage schon beim Import der Daten nach bestimmten Kriterien bestimmte Entwicklungspresets anzuwenden.

Das Programm erkennt ob RAW-Daten oder JPGs vorliegen und wendet bestimmte Einstellungen an, es erkennt die Kamera (sogar die Seriennummer falls gewünscht um verschiedene Einstellungen je nach Kamera des selben Models vorzunehmen), und es erkennt die ISO-Stufe der importierten Bilddaten.

Sind diese Einstellungen gemäß deinen Vorlieben erst mal automatisch von Lightroom vorgenommen, ist das bereits die halbe Miete.
Es bleibt die Farbbalance und Belichtung bzw. die Tonwerte an den Bildern vorzunehmen.
Irgendwelche "Looks" bzw. das Finetuning erfolgt dann zum Schluß... dazu gibt es jede Menge Tutorials im Internet.
Ob die Sinn manchen, wenn man sie auf ein unkontrolliert entwickeltes Foto aufsetzt sei mal dahingestellt.

Wie findest du deine optimalen Einstellungen bezüglich ISO deiner Kamera heraus?

Du benötigst eine Testserie in welcher du alle ISO-Stufen die du in Zukunft verwenden möchtest durch fotografierst.

Das ist sehr einfach und kann drinnen (aber besser tagsüber) erledigt werden.

Und so geht es genau:

Setze deine Kamera auf ein Stativ und gehe in den manuellen Belichtungsmodus "M".

Stelle die Blende auf einen gleichbleibenden Wert, zum Beispiel 8.
Die Schärfentiefe soll schließlich immer gleich bleiben, der einzige Unterschied der Bilder sollte die gewählte ISO-Einstellung sein.

Dies gewärleistest du durch Anpassung der Belichtungszeit.

Stelle die Kamera so ein, dass RAW und JPG paralell geschossen werden, sofern die Kamera dies zulässt.

In Lightroom betrachtest du die Bilder bei 100% (1:1).
Nun gilt es die optimale Kombination aus Entrauschung und Nachschärfung herauszufinden.

Falls Interesse besteht und bekundet wird, erkläre ich euch das gerne auch noch genauer.


Für eine Hand voll Steems komme ich als Coach auch gerne persönlich vorbei um bei der Einrichtung zu helfen... das geht bei weiteren Entfernungen übrigens auch prima mittels Skype.

Solltest du grundsätzlich jede Art von Vorbereitung von Lightroom
ablehnen, weil das Programm schließlich bezahlt ist und jetzt
gefällig sofort seinen Dienst verrichten soll, verzichtest du
auf die maximal mögliche Qualität deiner Kamera obwohl du
beim Kauf derselben sicherlich nicht für Qualtät zahlen wolltest ohne diese dann auch komplett nutzen zu können.

Stelle nun die "Details", also die Nachschärfung und Entrauschung aller Bilder nach und nach optimal deinen Anforderungen entsprechend ein und erstelle jedes Mal eine Vorgabe.

Das hat zudem den Vorteil dass du ein Gefühl für das Rauschverhalten deiner Kamera bekommst...ab wann das Rauschen stark ansteigt und ähnlich Merkmale deiner Kamera für die es sich lohnt sie zu kennen.

Das alles muß natürlich für RAWs und JPGs getrennt durchgeführt werden, denn die Kamera hat die JPGs ja schon geschärft und entrauscht. Auch hier ist es wieder gut zu vergleichen... das RAW sollte schon etwas besser werden, die ganze Arbeit soll ja Sinn machen.

Wichtig beim Festlegen der Vorgaben:

Nur die Details, evtl. generelle Objektivkorrekturen und Prozessversion anhaken!

Die Vorgaben sind dienlich wenn die mühsam erstellten Einstellungen auf andere Rechner übertragen werden sollen, und dienen auch der Übersichtlichkeit. Auch fall eine Einstellung irgendwann grundsätzlich geändert werden soll ist dies sehr hilfreich.

Und nun kommt der entscheidende Schritt:

Lightroom soll lernen die vorgenommenen Einstellungen jedesmal anzuwenden wenn ein Bild importiert wird. Hierbei soll berücksichtigt werden ob es sich um ein RAW oder JPG handelt, aus welcher Kamera es kommt und bei welcher ISO es aufgenommen wurde.

Diese Einstellungen nennen sich Standardeinstellungen und müssen
für jede Bild-Variante einzeln durch Aufrufen der Funktion festgelegt werden.

Menu: Entwickeln / Standardeinstellungen festlegen

Also für jedes Bild der Serie einmal aufrufen
(sobald die optimale Entrauschung und Schärfung eingestellt ist) und...

Fertig!

Jetzt ist deine Kamera gewappnet stets eine bestmögliche Grundqualität in deinem Sinne zu liefern.

Ich freue mich über Anmerkungen und Fragen.
Vielleicht gibt es Wünsche in Bezug auf Themen zukünftiger posts?
Wie wichtig ist für Euch die Informationen auf deutsch zu lesen?

Natürlich teste ich das hier auch gerade, da mir deutsch zwar leichter fällt, englischsprachige Artikel aber möglicherweise eine grössere Reichweite erzielen.

Durch Resteemen helft ihr mir diese Schulungen evetuell rentabel zu machen, dafür bin ich dann sehr dankbar und revanchiere mich dann gerne durch upvoten eurer Artikel.

Bobby

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Sehr interessanter und hilfreicher Artikel. Ich arbeite auch schon eine ganze Zeit mit Lightroom und RAW, stelle aber fest, dass ich noch einiges tun kann, um meinen Workflow zu optimieren.

Danke für dein Feedback. Dein Name passt auch schon gut zum Thema Lightroom ...fällt mir da auf :-)

Stimmt, der Name ist durch meine Cutter-Tätigkeit entstanden. Zum einen benutzt man da auch ziemlich viele shortcuts, um schnell ans Ziel zu gelangen, zum anderen ist der Name eine Anspielung auf meine Vorliebe für kurze, schnelle Schnitte.

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