Werte - die Passwörter unseres Lebens
Meinung unter Verschluss
Noch nie in der Geschichte durften wir so frei unsere Meinung äußern und dennoch wurde selten so viel gelogen und verschwiegen, wie heute. Es gibt sogar Menschen, die behaupten, dass wir in einer Meinungsdiktatur leben. Das Diktat bestimmt der Mainstream und "anders" zu denken ist kaum akzeptiert. In der Kommunikation erlebe ich immer mehr Menschen, die darunter leiden, dass sie ihre Überzeugung eben nicht offen aussprechen können, weil sie sonst mit Repressalien rechnen müssen - vom Chef, der Online-Community oder anderen Peers. Deshalb halten sie ihre ganz persönlichen Überzeugung lieber unter Verschluss, als wären es private Passwörter.
Freund oder Feind
Dieser Trend lässt sich in den sozialen Medien ablesen. Dort ist die Kommunikation so aufgebaut, dass man entweder uneingeschränkt FÜR eine Sache ist oder eben DAGEGEN. Querdenken gelingt in der „Like“ und „Upvote“ Szene nur den wenigsten. Das "Freund-Feindbild-Denken" wird damit ständig angekurbelt. Reale Gespräche verlaufen aber völlig anders: Jemand sagt etwas, ein anderer ergänzt den Diskurs um seinen Betrachtungswinkel und das Gespräch nimmt plötzlich eine neue Wendung. Das geschrieben Wort ist langsamer, als das gesprochene und kurze Textzeilen lassen nur wenig Platz um die eigene Sichtweise auszuführen. - Wahrscheinlich noch weniger als vor hundert Jahren beim Briefwechsel.
Meinungen sind wieder gefragt
Neu und begrüßenswert ist auf jeden Fall, dass es wieder "IN" ist „eine Meinung“ zu haben. Manche Menschen übertreiben es und haben dann beinahe zu jedem Thema eine Meinung, jedoch nicht immer eine Haltung. Wie eingekochte Marmeladen sind diese selbstgemachten Überlegungen abgepackt. Meinungen auf Vorrat werden gehortet für schlechtere Zeiten und zu allen Lebensthemen. Es gehört schließlich zum gelungenen Eigenmarketing sich über Themen und Lösungen Gedanken zu machen und ein Profil zu haben, das aussagekräftig ist. Andererseits wird Menschen auch schon mal gekündigt, weil sie in sozialen Netzwerken ihre Ecken und Kanten zu übertrieben präsentiert haben; wie zuletzt dem Jung-Vater in Wien mit seinem Wutvideo über den afghanischen Vergewaltiger beim Donauinselfest, der nach seiner Tat wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.
Positionierung ist verräterisch
Vielleicht sind deshalb tausende Katzenfotos, gedeckte Tische, Foodporn-Pics und andere Banalitäten so in Mode, weil man damit zwar online dabei ist, aber unverdächtig bleibt. Das Bekenntnis zum "besten Veggie-Burger" der Stadt ist noch kein großes Statement und verrät noch nicht viel über die eigenen Wertelandschaft.
Die Angst vor Konsequenzen über zu klar geäußerte Sichtweise sitzt mittlerweile tief und nicht jeder ist bereit mit den Folgen zu leben. Einen Shitstorm will schließlich niemand riskieren. Dabei geht es noch gar nicht groß um politische Botschaften, sondern um ganz einfache Betrachtungsweisen rund um das eigene Lebensdesign oder den Job.
Zuletzt beispielsweise hat ein Moderator laut darüber nachgedacht, ob sich in seinem Leben ein Kind zeitlich ausgeht und, ob seine Kraftreserven dafür ausreichen, da sich seine Beziehungspartnerin den nächsten Schritt vorstellen kann. Als selbständige Ärztin ist ihr jedoch auch klar, dass sie nicht zu Hause bleiben kann. Da war dann was los in seinem Posteingang.
Auf der anderen Seite erzählt ein Unternehmer von einer tollen Mitarbeiterin, die vor Jahren unglaubliche Arbeit geleistet hat und als Führungskraft bis zu 55 Stunden in der Woche in ihrem Job aufgegangen ist. Nach dem zweiten Kind möchte sie nun im Teilzeit-Modell mit 20 Stunden in den gleichen Führungsjob zurück. In einem Branchenforum hat er grundsätzlich darüber nachgedacht, ob man in nur 20 Stunden Führungskraft bleiben kann. Schließlich sind die zu führenden Mitarbeiter Vollzeit beschäftigt und die Wiedereinsteigerin selber wäre bei vielen Meetings nicht anwesend. Darüber hätte er besser nicht online gegrübelt.
In einem Online-Interview wurde eine Musikmanagerin gefragt, ob sie gerne Conchita (ehemals Wurst) vertreten wolle. Sie hat dies höflich verneint, da sie auf ein gänzlich anderes Musikgenre spezialisiert ist. Das hat bereits ausgereicht, um böse Postings zu ernten.
Die Selbstzensur verstümmelt Gedanken
Nicht jedes Medium eignet sich um Gedanken zu sortieren oder laut zu äußern, das ist klar. Aber wie passt es zusammen, dass wir heute zwar mehr sagen „dürfen“ als gesund ist für uns. Auf der anderen Seite gibt es wohl kaum jemanden, der beim Schreiben die berühmte "Schere im Kopf" noch nie erlebt hat oder dem Selbstzensur völlig fremd ist. Diese Autozensur ist dabei nicht zu verwechseln mit gesunder Selbstkritik.
Die allgemeine Rechtslage „der freien Meinungsäußerung“ scheint großzügiger zu sein, als der Bürgerjournalismus mit all seinen Reputationsgeißeln. Demgegenüber wächst paradoxer Weise das Gefühl, dass Politiker nur noch herum eiern und niemand mehr ehrlich sagt, was er denkt. Verwunderlich?
Fazit: Die Kommunikationsschere schneidet scharf zwischen „ist akzeptiert“ und „geht gar nicht“. Die nervige „Politische-Korrektheit-Gemeinde“ steht auf der anderen Seite des Werte-Rubikons den polternden Brüskierern gegenüber, wie Trump, Kim Jong-Un & Co. Letztere setzen sich mit ihren aggressiven Meldungen dann über alles hinweg. Dabei gibt es unter den „Gutmenschen“ mindestens so viele Kleingeister mit recht bösen Absichten, wie unter den offenkundigen „Bad Guys“ der Welt.
Volle 100% und resteemed :-)
@lichtblick thx!
toller beitrag!
@nutschiii Danke Dir!
Genau so ist es ;-) upvote und resteemt.
@thundersky Dankeschön;-)!
Da hat jemand den Durchblick! Danke für den Beitrag! resteemed und gevotet
Weiter so!
Alex
Dem würde ich absolut zustimmen. Sehr schön!
@homeartpictures thx!
sehr gern..... Tatjana
Sehr guter Artikel! Das ich dich jetzt erst gefunden habe ? tzzz...
@blueperegrina och, danke ;-)!
Kann dir nur beipflichten! Ich bin gespannt wo diese Entwicklung letztlich hinführt ...
@jedigeiss Danke!
Schön geschrieben und alles richtig. Bin mal gespannt, ob ich Deine Meinung in der einen oder anderen schärferen Form zu hören bekomme demnächst :-)
@leroy.linientreu freu mich schon :-). LG!