Was heißt hier eigentlich Armut? #Mittwochsquickie

Eigentlich ist ja heute Donnerstag und nicht Mittwoch, aber dieser Spruch ist schon abgenutzt, oder?

Ja, was heißt hier eigentlich Armut?

Für @wakeupkitty heißt es offenbar, keine Rücklagen zu haben, keine Extra-Ausgaben tätigen zu können.
Armut oer armselig

Für @felixgarciap das Fehlen von Glauben und/oder Hoffnung (korrigiere mich bitte, falls ich das falsch wiedergebe).
Mittwoch Meditation über Armut

Daß beide einen Bogen vom Materiellen über das Geistige spannen, gefällt mir sehr gut.
Eigentlich gibt es daher ihren Beiträgen nicht mehr viel hinzuzufügen. Wenn es nicht den einen oder anderen Kritikpunkt gäbe. :/

Solange Du ein zuhause hast, kein Haarausfall, mehr als einmal am Tag zu esse, mehr als zwei Kleidingstücke, fernsehen und telefonieren noch möglich ist gibt es keine Armut.

Bis auf die zwei Kleidungsstücke und den Haarausfall sehe ich das genauso. (Fast möchte ich um eine separate Erklärung bitten, was Haarausfall mit Armut zu tun hat.)

In meinem Spind beim Technischen Hilfswerk (der Katastrophenschutzorganisation der Bundesrepublik Deutschland) hängen zwei T-Shirts und zwei Langarmshirts. Dazu ein Fleecepullover, eine dicke Hose mit vielen Taschen, eine dicke Jacke. Dazu kommen ein Paar Stiefel, ein Paar dicker Kniestrümpfe, ein relativ neuwertiger Helm, ein Gürtel, Hosenträger, 2 verschiedene Paar Arbeitshandschuhe. Damit soll man auch mal eine Woche in den Einsatz fahren können. Nach einer zweitägigen Übung bei Sommertemperaturen sind beide kurzärmligen Shirts durchgeschwitzt. Und dabei bin ich kaum körperlich tätig - ganz im Gegensatz zu 80% der Helfer.
Unterwäsche, Socken, dünne Arbeitshandschuhe, Mützen, Westen, weitere Pullover und/oder Shirts ... die Liste ließe sich noch fortsetzen ... erwerben oder stellen wir selbst. Komfort ist also möglich, aber auf eigene Kosten.

Und da fällt mir auf, daß wir mit der in unserer Welt gewohnten Hygiene einen ganz schönen Luxus genießen.

Ich bin krankheitsbedingt ALG2-Empfängerin. Damit gelte ich statistisch gesehen als arm.

Manchmal fühle ich mich auch so. Wenn ich mal wieder mit schlechtem Gewissen in einem Restaurant sitze, wo ein Stammtisch stattfindet (ohne Restaurantbesuch geht es anscheinend nicht). Denke ich an die vergangenen zwanzig Jahre zurück, geht es anscheinend nicht ohne. Nicht bei der Studentengruppe, nicht bei den Linux-Enthusiasten, nicht bei den Funkamateuren und bei dem kleinen Schützenverein auf dem Land auch nicht. Das Essengehen als Erlebnis und soziale Veranstaltung gleichermaßen. Und bei jeder dieser Gruppen habe ich den Sinn dieser Restaurantbesuche zumindest im Stillen schon mal in Frage gestellt. Bei den Funkamateuren entziehe ich mich aktuell aufgrund von terminlichen Überschneidungen mit anderen Gruppenabenden oder Müdigkeit.

Ich konnte mir vor 20 Jahren als Auszubildende keine großen finanziellen Ausgaben leisten, ich konnte es gegen Ende meines Studiums und in den Jahren danach nicht und ich kann es auch jetzt nicht.

Ich habe trotz dieser Ereignisse nie nach Reichtum und Sicherheit gestrebt, vielleicht ist deshalb das aus mir geworden, was ich jetzt bin: jemand, der etwas gehetzt und/oder müde und/oder mürrisch wirkt, der nicht ganz allein für sich sorgen kann, der in den Tag lebt ...

Ich bin noch in einem Alter, in dem mich meine Eltern finanziell unterstützen können, und ich habe aus gutem Grund Angst vor der Zukunft. Nicht alle in meiner Maßnahme haben noch so ein Netzwerk.

Ich wohne in einer wirklich reichen Gemeinde mit super gutem Nahverkehrsanschluß nach fast überall hin zu fast jeder Zeit. An der Tafelausgabe gibt es nichts zu meckern: wir dürfen selbst bestimmen, was wir haben wollen, niemand drängt (auch wenn es manchmal echt lange dauert, was auch für die Ehrenamtlichen belastend ist). Ich habe ein Dach über dem Kopf (das ein bißchen teurer ist, als es sein dürfte) und ich komme weitgehend ohne Schulden und Mahnungen aus. Rücklagen aber habe auch ich keine.

Ich würde sagen: Armut fängt da an, wo das Herumknappsen mit dem Geld belastend wird. Wo die Mittel für Gesundheitsleistungen fehlen oder sogar die für die Unterkunft.

Persönlich arm fühle ich mich aber eigentlich auch wegen fehlender Perspektiven. Und da bin ich meines Wissens im Kurs nicht alleine. Nur geht jeder mit dem Thema anders um.
Manchmal hasse ich mich für die Dinge, die ich nicht schaffe.

Als die Mauer fiel, galten die DDR-Bürger als arm (und daran hat sich in den Köpfen nichts geändert). Wenn ich an meine Kindheit denke, kommt mir alles andere als Armut in den Kopf. Ab und zu schreibt mal jemand in einer Zeitung, daß die Infrastruktur in manchen ländlichen Gegenden der ehemaligen DDR heute (nach 30 Jahren!) in einem schlimmeren Zustand ist als zuvor. Wer die Gegend um die nordbayrische Stadt Hof kennt, wird bestätigen, daß dort die Zeit stehen geblieben ist und der sichtbare Verfall groß. Gleich und doch anders. Ob in Hof oder Selb auch jemand die "Alternative für Deutschland" wählt?

Findet Armut nicht auch da statt, wo sich die Gesellschaft spaltet - egal, aufgrund welcher Kriterien?
Denn auch das nehme ich aus der Maßnahme mit: in der Nähe einen türkischen und einen asiatischen Lebensmittelladen und/oder ebensolche Restaurants zu haben ist für mich: etwas, das ich sehr schätze. Mit anderen Worten: Luxus.

Ich denke, Armut beginnt auch da, wo die persönlichen Mögichkeiten nicht mit dem Standard in der Gesellschaft Schritt halten. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir das Ehrenamt beim THW nicht leisten, weil ich die Fahrtkosten selbst trage. Eine sehr strenge Auslegung der Hartz4-Gesetze würde dazu führen, daß womöglich die Kosten für die Verpflegung während der Übungen, die ich absolvieren muß, um einsatzfähig zu sein, meinen Bezügen gegengerechnet werden.
Und ich habe hier meine Party bei Steemit, ohne über die Folgen nachzudenken.
Ich Närrin.

Ich möchte mit einem Zitat von @felixgarciap schließen.

Im Moment plädiere ich für eine Welt, in der die durch Armut verursachten Ungerechtigkeiten beseitigt werden.

Ganz ähnlich hat sich (so verstehe ich es zumindest), Carola Rackete geäußert (Carola Racketes eigenartiger Plan). Eine Frau, die in ihrer Heimat eher geschaßt als bewundert wird.

Ich glaube, solange es weiter funktioniert, daß mit dem Wort "Sozialismus" Angst geschürt wird vor "den bösen Linken", wird es kein Ende der Armut geben. Nicht in Deutschland und auch nicht anderswo.

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Hallo isarmoewe
Ich lass dir mal ein Upvote da
viel Spaß damit
Grüße vom ohthom

armut beginnt dort,wo hass und neid entsteht-
niemand wäre arm--ob mit oder ohne geld--wenn alle sich an die hände fassen und da sind,wenn hilfe gebraucht wird-

Wahre Worte.

Danke für den Einblick in deine personliche Welt.
Wir in Deutschland haben ein sehr starkes Gefälle zwischen arm und reich.
Der Vergleich mit anderen bei Insta und Co erzeugt erst Neid und zuletzt Missgunst.
Ich persönlich denke auch, dass wir wohl nie eine faire Situation für alle schaffen können, da die Menschen einfach zu unterschiedlich sind.
Ich habe Flüchtlinge kennen gelernt, die durch ihre damalige Situation überhaupt keine Perspektiven hatten aber jetzt alle Möglichkeiten ausnutzen sich zu bilden, um ein eigenes Geschäft aufzuziehen.
Die Idee vom BGE sollte viel mehr besprochen werden, denn es würde uns Deutschen auch die Ängste nehmen ins bodenlose zu fallen, wenn wir mit unserer Idee scheitern.
Die Kultur des Scheiterns muss auch hier bei uns mehr gewürdigt werden, wie in den USA.
Ein koplettes sozialistisches System mit Planwirtschaft usw, würde die genialen Ideen einiger Startups ausbremsen.
Wenn man sich mal ernsthaft mit der Zukunft und den Jobs von morgen beschäftigt, wird man ganz bestimmt eine Nische besetzen können.
Einen Job zu haben, wofür man gerne aufsteht, ist schon mal das halbe Leben.
Blogger und soziale Themen/Berufe werden zukünftig wohl auch aufwerten, denn harte körperliche Arbeit wird aussterben.
Stillstand ist der Tod, deshalb hör niemals auf neugierig auf was neues zu sein.
Wollen wir mal hoffen das es bald ein kostenloses Studium für alle gibt und das BGE uns die Ängste nimmt.

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