Was die Welt im Innersten zusammenhält – Jürgen Beetz im Gespräch

in #kaiser7 years ago (edited)

Rückkopplung ist eines der mächtigsten Wirkprinzipien der Welt, schreibt Jürgen Beetz in seinem Buch „Feedback“ (Springer Spektrum 2015). Sie bestimmt unser Leben in allen Bereichen – von Wissenschaft und Technik über Gesellschaft und unser Alltagsleben.
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Herr Beetz, was genau ist unter diesem Prinzip zu verstehen?

Das habe ich in den ersten Kapiteln meines Buches mit vielen Geschichten anschaulich zu machen versucht. Kurz gefasst bedeutet es, dass eine Wirkung ihre eigene Ursache verändert. Weniger abstrakt: Wenn ich beim Autofahren Gas gebe, wird das Auto schneller. Ursache und Wirkung. Es ist aber schwierig, eine exakte Stellung des Gaspedals zu definieren, die genau 30 Stundenkilometer zur Folge hat – das ist ja abhängig zum Beispiel von der Steigung der Straße. Dazu muss ich eine Rückwirkung der gefahrenen Geschwindigkeit auf die Stellung des Gaspedals haben. Das macht der Fahrer durch Beobachtung des Tachos oder der Tempomat durch eine Messung. Wird das Auto zu langsam, wird Gas gegeben, wird es zu schnell, wird Gas weggenommen.

Das klingt eher einfach! Wieso behaupten Sie, daraus entstünde eine oft kaum zu beherrschende Komplexität?

Durch die Eigenschaften des Systems, zum Beispiel die Reaktionszeit. Hat der Tempomat eine Macke oder ist der Fahrer betrunken, kann es zu interessanten Verläufen in der gefahrenen Geschwindigkeit kommen. Eine der Tücken ist die sogenannte Totzeit, die Verzögerung zwischen Eingriff und Auswirkung. Dadurch kann das System ins Schwingen geraten – die Geschwindigkeit pendelt um den gewünschten Wert. Beim Auto hört es sich simpel an, bei trägen Systemen wie einem Containerschiff kann das haarig werden. Und jetzt verlassen wir die Technik und kommen ins tägliche Leben. Wenn in einem Restaurant die Qualität sinkt, kommen weniger Gäste. Dann aber müssen die Kosten reduziert werden und die Qualität sinkt weiter. Dann kommen noch weniger Gäste. Das ist der Rückkopplungseffekt, der Teufelskreis. Sie sehen überall – auch in der Politik, dem Sozialleben, der Wirtschaft, der menschlichen Kommunikation – denselben Effekt: nicht Ursache, Wirkung, und das war’s. Sondern immer und überall schlägt die Wirkung in zyklischer Weise auf das zurück, was sie erst verursacht hat. Dadurch entstehen dynamische und komplexe Abläufe, die oft sehr schwer zu beherrschen sind und immer wieder überraschende Wendungen nehmen.

Auch in der menschlichen Kommunikation?

Na klar! Ihre Frage ist die Ursache, meine Antwort die Wirkung. Sie wirkt auf die Ursache zurück – wir sind ein menschlicher Regelkreis. Dabei zählt nicht nur der Wortlaut, sondern der gesamte Kommunikationseisberg, die sieben Achtel, die unter der Wasserlinie sind: Gestik, Mimik, Tonfall, die verborgenen Bedeutungen. Die Rückkopplung kann positiv sein, also verstärkend: Wir übergießen uns wechselseitig mit Honig oder Häme, wie Le Pen und Macron. Oder sie ist negativ, also dämpfend und ausgleichend. Schlägt der eine über die Stränge, holt ihn der andere wieder herunter, wie man so schön sagt. Durch die Rückkopplung entsteht ein komplexes zeitliches Muster. Es ist ein dynamisches System, das dadurch entsteht.

https://kaisertv.de/2017/05/11/was-die-welt-im-innersten-zusammenhaelt-juergen-beetz-im-gespraech/

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Wen man hier alles entdeckt.
Hab schon einiges von dir auf YouTube gesehen XD

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