Gedankensprünge / Thought Leaps

in Deutsch Unplugged3 years ago

english below...

Gestern hat @chriddi in einem Kommentar nachgefragt, wie groß denn unser viel gepriesener Dachgarten eigentlich sei. Und erzählte beiläufig von ihrer ersten Gartenparty seit ... na ja, seit Corona und die damit verbundenen Maßnahmen alles ein wenig schwieriger machen. Von seltsamer Beklommenheit beim Treffen mit 20 Leuten.

Ich konnte gar nicht spontan antworten, weil sich da ein Gedankenkarussell in Bewegung setzte bei mir. Also eins, das ich schon kenne - mit den hier beschriebenen Überlegungen schlage ich mich schon sehr lange herum.

Der Anfang ist einfach: es sind insgesamt etwa 300qm Dach- und Terrassenfläche, wovon vielleicht 60qm effektiv bepflanzt werden können. Inwieweit wir dieses ehrgeizige Ziel erreichen, bleibt abzuwarten ;-)) Tja, und von vergangenen und künftig geplanten Dachkonzerten schrieb ich bereits.

Genau wie @chriddi es beschreibt, fühlt sich der Gedanke daran momentan befremdlich an. Abgesehen davon, daß auch wir im Freundeskreis durchaus Leute haben, die als absolute Bedenkenträger bis auf weiteres nicht an solchen Zusammenkünften teilnehmen würden, ist man selbst mittlerweile befangen. Das hat nichts mit Angst oder Sorgen zu tun; ich hatte von Anfang an weder Panik, mich anzustecken, noch bestand große Wahrscheinlichkeit dafür (man erinnere sich an meine Sozialphobie und meine Abneigung, Menschen um mich herum zu haben). Ich habe nichts desto trotz die Entwicklung aufmerksam beobachtet und das Virus selbst als schwerwiegende Gefahr für bestimmte Personengruppen wahrgenommen. Nach anfänglicher Unsicherheit und Faktensammlung über, sagen wir, drei Monate hinweg, komme ich nur noch ins Strudeln, was die behördlichen An- und Verordnungen angeht. Mal ganz zu schweigen vom Verschwinden jedes bei uns eigentlich manifestiert legitimen demokratischen Prozesses... Darauf wollte ich aber nicht hinaus - hier werden irgendwann Gerichte, Forscher und Zeitzeugen offenbaren, wie groß das gesellschaftliche Versagen war.

Eigentlich ging es mir um die eigene Unwohligkeit, die sich eingeschlichen hat, obwohl ich mich selbst effektiv wirklich wenig manipuliert, beeinflußt oder verschreckt fühle. Ich bin unsicher, ob man überhaupt verantworten kann, so ein Event zu veranstalten. Ich habe ein Vermögen in Konzertkarten an der Pinnwand zu hängen, die ich nach und nach verkaufe - obwohl sich ihre Gültigkeit ein um's andere Mal verlängert hat. Die Idee, wieder wie früher in der Arena oder Halle zu tanzen - abwegig. Und das hat nichts mit dem aktuellen Stand der Verordnungen zu tun. Das ist im Kopf!

Was ist in den anderen Köpfen passiert, in denen, die wesentlich mehr unter Maßnahmen zu leiden hatten, als ich - vieles hat mich einfach gar nicht betroffen. Ich fahre jeden Weg mit dem Auto, lasse mich generell beliefern statt offline einzukaufen, verweigere mich ärztlicher Behandlung und was bei Behörden derzeit nicht online funktioniert, lasse ich eben bleiben. Das empfinde ich als absolut privilegierte Situation. Die Beschäftigten, die Schüler, die ihre Tage maskiert verbringen müssen... Hört jemand die Warnrufe von Psychologen, die mögliche Folgen der über lange Zeit nicht mehr wahrgenommenen Mimik aufzeigen? Ich las von einer Journalistin, einer jungen und weltoffenen Frau, daß sie schon seit einigen Wochen keinen Menschen mehr ohne Maske sehen mag, nicht einmal ihren Freund läßt sie gesichtsnackt in ihre Nähe - fällt niemandem auf, wie krank das ist? In den USA, wo mittlerweile ein Großteil der Bevölkerung durchgeimpft ist, hat man ein neues Krankheitsbild festgestellt: das Cave Syndrom. Genesene, Durchgeimpfte verweigern trotz niedrigster Inzidenzen, nicht mehr vorhandener Restriktionen, immer besseren Verständnisses von den virologischen Zusammenhängen, standhaft das "normale Leben": sie gehen nicht mehr aus ihren eigenen vier Wänden hinaus, verbarrikadieren sich quasi gegen die Umwelt. Das sind hausgemachte Agora- und Sozialphobien, posttraumatische Belastungsstörungen. Und nichts davon verwächst sich einfach wieder mit der Zeit! Die beste Formulierung, die ich dazu bislang gelesen habe, stammte von einem Schweizer Psychiater; er nannte unseren gegenwärtigen Zustand eine provozierte kollektive Angststörung. Klar ist das provokativ - war ja auch als Weckruf gedacht. Die Oberbergkliniken, ein Verbund psychiatrischer Spezialkliniken, haben bereits reagiert: sie klären auf ihren Webseiten über kollektive Angstörungen und Depressionen und deren möglichen chronisch manifesten Verlauf auf. Sie halten die Gesellschaft für dringend behandlungsbedürftig.

Aber das kann ja alles gar nicht so schlimm sein... Ich geh' ein bißchen gärtnern und mich auf dem Dach sonnen und nächste Woche sieht alles bestimmt schon viiiel besser aus! (Ironie off...)

15304445_1191987760885868_6241688727106674954_o.jpg

english version:

Yesterday @chriddi asked in a comment how big our much-vaunted roof garden actually was. And casually told about her first garden party since ... well, since Corona and the associated measures made everything a little more difficult. Of a strange trepidation at the meeting with 20 people.

I couldn't answer spontaneously because a mental merry-go-round started moving in my head. It's one that I'm already familiar with - I've been struggling with the thoughts described here for a very long time.

The beginning is simple: there is a total of about 300 square metres of roof and terrace space, of which perhaps 60 square metres can be effectively planted. To what extent we will achieve this ambitious goal remains to be seen ;-)) Well, and I already wrote about past and future planned rooftop concerts.

Just as @chriddi describes it, the thought of it feels alienating at the moment. Apart from the fact that we also have people in our circle of friends who would not take part in such gatherings for the time being because they have absolute reservations - one is biased oneself in the meantime. This has nothing to do with fear or worry; from the beginning I was neither panic-stricken nor very likely to catch the disease (remember my social phobia and my dislike of having people around me). Nevertheless, I kept a close eye on developments and perceived the virus itself as a serious threat to certain groups of people. After initial uncertainty and fact gathering over, let's say, three months, I'm just getting into a tailspin with the official orders and regulations. Not to mention the disappearance of any legitimate democratic process in our country... But that's not what I was getting at - at this point, courts, researchers and contemporary witnesses will reveal just how big the social failure was.

Actually, I was concerned about my own discomfort that has crept in, although I really feel little manipulated, influenced or frightened myself effectively. I'm unsure if it's even justifiable to host an event like this. I have a fortune in concert tickets hanging on the notice board, which I sell off one by one - even though their validity has been extended one time after another. The idea of dancing in the arena or hall again like in the past - absurd. And that has nothing to do with the current state of the ordinances. It's in the head!

What happened in the other heads, in those who suffered much more from measures than I did - a lot of things just didn't affect me at all. I drive every way by car, I generally have deliveries made instead of shopping offline, I refuse medical treatment and what doesn't work online with the authorities at the moment, I just don't do. I consider that an absolutely privileged situation. The employees, the students who have to spend their days masked.... Does anyone hear the warning cries of psychologists who point out the possible consequences of masquerading unnoticed for a long time? I read from a journalist, a young and cosmopolitan woman, that she has not wanted to see anyone without a mask for a few weeks now, she does not even let her boyfriend near her with his face naked - does no one notice how sick that is? In the USA, where a large part of the population is now fully vaccinated, a new clinical picture has been identified: the Cave Syndrome. Despite the lowest incidence rates, no longer existing restrictions and an ever better understanding of the virological correlations, the recovered, vaccinated people steadfastly refuse "normal life": they no longer go outside their own four walls, barricading themselves against the environment, so to speak. These are home-grown agora and social phobias, post-traumatic stress disorders. And none of it simply grows back with time! The best formulation I have read on this so far came from a Swiss psychiatrist; he called our current state a provoked collective anxiety disorder. Of course that's provocative - it was also meant as a wake-up call. The Oberberg clinics, an association of psychiatric special clinics, have already reacted: they provide information on their website about collective anxiety disorders and depression and their possible chronic manifestation. They consider society to be in urgent need of treatment.

But that can't be all that bad... I'll go and do some gardening and sunbathe on the roof and next week everything will look much better! (Irony off...)

Sort:  
 3 years ago 

Na gut, sowas lass' ich mir dann gern recht geschehen... ;-)

Wow, 300 qm sind ja mal 'ne Hausnummer!

Deine ähneln meinen Gedanken - und eben auch Gefühlen, bei so einem Zusammentreffen. Während der "Hochphase" der Pandemie ähnlich vorm Außen behütet wie du habe auch ich tatsächlich nie Ängste entwickelt. Aber schon eine gewisse Unsicherheit. Ich mochte noch nie von Wildfremden zur Begrüßung umarmt werden, doch allein die Frage "Wie begrüße ich meine beste Freundin? Muss ich mich mit ihr absprechen?" erschwert ja schon das unbefangene Miteinander. In entfernteren Gesellschaften checkt man wie auf der Hut ab, wer wem zuerst die Faust, den Ellenbogen, gar die Hand reicht, um sich ggf. ähnlich zu verhalten. "Beklemmend" ist definitiv der richtige Ausdruck. Unlocker.

Vom Cave-Syndrom habe ich gelesen. Das ist traurig. Und ich wette, man muss nicht über den Teich gucken. Ich könnte mindestens drei mir bekannte Personen nennen, denen ich zumindest die Tendenz attestieren würde.

Noch und nöcher kann man neben dem Verlernen des Lesens von Mimik, Kommumikationsstörungen, Vereinsamung, sogar Hospitalisierung von Kindern und Jugendlichen gravierende Nebenwirkungen des gekrönten Virus aufzählen - fast jeder ist in irgendeiner Form betroffen. Mag man gar nicht drüber nachdenken.

Dennoch vielen Dank für die Gedankensprünge! Auf dass ihr bald wieder ein unbefangenes Dachkonzert ausrichten und erleben dürft!

LG Chriddi

Hallo Chriddi, @weisser-rabe kann gerade nicht antworten. Ihre Keys sind anscheinend gekidnapped worden.

 3 years ago 

Nee, das darf doch nicht wahr sein! Hat sie auf den Link geklickt? Hatte ihn gemutet, sobald ich ihn sah.
Unbedingt sofort Recovery einleiten!
Viel Erfolg und liebe Grüße!

 3 years ago 

aber interessierte können sich be i uns im Discord mit ihm unterhalten https://discord.gg/HVh2X9B

 3 years ago 

Halte mich ja fern von Discord-Gruppen, habe ein Trauma… ;-)
Hoffe, ihr könnt ihr beim Recovery helfen!
LG Chriddi

 3 years ago (edited)

hehe eben hatte ich mit dem Account von dem Raben geschrieben ... Ich habe jetzt die Macht über sie :) Hatte vergessen mich auszuloggen, da ich mich versuchsweise einmal eingeloggt hatte, nachdem ich den Account wieder herstellen konnte.
Also hier noch einmal mein Text ...

Na, hier hätte es ohne Discord nicht geklappt. Also mal echt -wie soll das ein Otto Normalo hinbekommen mit dem Recovery von einem Account. Habe da jetzt sicherlich 2 Stunden gebraucht und musste immer mal den Chiller nerven. Fakt ist - ohne seine Hilfe hätte ich ihr nicht den Account wieder herstellen können. Auch hat, es glaube nur geklappt da sie mir letztendlich ihr altes Masterpasswort gegeben hat und ich so die öffentlichen und privaten Keys zur Verfügung von ihr anzeigen lassen konnte. Habe mir ein paar Stichwörter gemacht und werde die Tage eine Anleitung für Dummys schreiben.

 3 years ago (edited)

Hihi... ;-)

Nee, klar, für sowas braucht man seine Leute.
Ich freue mich, dass ich immer wüsste, wen ich bei einem bestimmten Problem ansprechen könnte - mit Sicherheit auch eure Gruppe und den stets hilfsbereiten Chiller.

Klar brauchst du die Keys des gehackten Accounts fürs Recovery. Deswegen sollte man als Recovery-Account ja auch jemanden wählen, dem man vertraut oder seinen eigenen Zweitaccount - sofern vorhanden - nutzen. Ich muss meinen auch dringend mal ändern, schluck

Michelangelo3 hat eine sehr gute Anleitung geschrieben (die hatte ich gestern mobil allerdings nicht parat):

https://steemit.com/deutsch/@michelangelo3/steem-account-wiederherstellen-account-recovery-mit-steemworld

Toll, dass du so rasch helfen konntest!

 3 years ago 

Das ist tatsächlich schon ziemlich heftig, was insbesondere den Kindern zugemutet wird oder wurde. Wir waren immer ein Verfechter für offene Schulen... Ich weiß nicht, ob wir das jemals kompensieren können, was da an Zeit und möglicherweise Wissen verloren gegangen ist. Dabei sind wir familiär gut aufgestellt. Ich mag mir nicht vorstellen, wie viele Kinder in der Zeit noch schlimmeres erleben mussten...
An die Studenten hat schon überhaupt niemand gedacht... Allerdings gab es auch Zeiten, in denen sich Studenten mit entsprechenden Mitteln Gehöhr verschafft hätten.

Du hast ein Upvote von mir bekommen, diese soll die Deutsche Community unterstützen. Wenn du mich unterstützten möchtest, dann sende mir eine Delegation. Egal wie klein die Unterstützung ist, Du hilfst damit der Community. DANKE!

Coin Marketplace

STEEM 0.28
TRX 0.13
JST 0.032
BTC 60682.45
ETH 2903.00
USDT 1.00
SBD 3.54