Dreiunddreißig Luftballons

Eine Geschichte
von Werden und Vergehen
erzählt sich durch mich.

Meine Geschichte
rundet sich nicht im Sonett,
sondern silbt Haikus.

Das ist mein Werden
und auch schon mein Vergehen
in kurzen Worten.

Ungereimtes Zeug
ist nämlich rascher geschwatzt
als dann vergessen.

So entsteht die Spur
des ungelebten Daseins
quer durch die Jahre.

Wie ein dicker Strich
mitten im Sinn des Wortes
löscht Frei-Zeit mich aus.

Mein Werden beginnt,
wenn mir im Heute dämmert,
wozu ich frei bin.

Mein Vergehen bleibt,
fort und fort nachzuschauen,
was mich gestern fing.

Ich tapse rückwärts
meiner Zukunft entgegen
und zähle Schatten.

Jede Entscheidung
führt mich zu neuen Fragen
im selben Spiegel.

Nichts scheint erreichbar,
was den Einsatz des Lebens
schon vor dem Tod lohnt.

Ich setze den Fuß
rücklings zur nächsten Stufe
und wuchte den Stein.

Wann kommt der Absatz,
wie tief darf ich durchatmen,
wovon träume ich?

Du rufst von draußen:
Denken ohne Geländer!
Ich versuche es.

Wort für Wort zu Tat,
Silbe um Silbe zu Sinn,
Zeichen nach Zeichen.

Die Treppe im Kreis
ohne Aufstieg und Abstieg
verwirrt meine Hast.

Wo dir Atem fehlt,
obwohl genug Luft da ist,
öffnest du den Mund.

Mir bleibt das Verslein
mit geschlossenen Lippen
im zu engen Raum.

Zeile vor Zeile
schreibe ich alles zurück
bis zu den Wurzeln.

Erfinden heißt nur,
vom Ende her den Anfang
neu zu erdenken.

Nicht nur Sturm mit Schnee
tilgt meine Spur im Neuweiß:
auch warmer Regen.

Ruft mich der Winter,
antworte ich mit Sommer
und denke Frühling.

Nun geh ich davon
mit Blick ins Gewesene
und lasse nichts hier.

Vielleicht nehm’ ich mit:
auch Vergehen ist Werden,
nämlich von Neuem.

Spuren zu schaffen,
Spuren wieder zu löschen,
oder umgekehrt.

Ich schwimme im Meer
und vertäue meinen Text
nicht an einem Kai.

Als Möbiusband
umschlingt Innen mein Außen,
Oben mein Unten.

Dieser Lebenslauf
passt nicht auf flaches Papier.
Er trudelt im Raum.

Meine Geschichte
erzählt sich nicht linear
wie ein Zeitvektor.

Als Text der Musik
gleite ich durch Kerbungen,
setze Akzente.

Im Nacheinander
spielen Erinnerungen
mit dem Bekannten.

Noch im Verwehen
ist der letzte Klang dabei,
alles zu sammeln.

Wahrhaft nachhaltig
schwebt ein solcher Fußabdruck
über den Dingen.

artwork: Chiharu Shiota
photo: ty-ty