Der Osterhase und ich denken nach

in #ganzwenigtext5 years ago

Warum der Osterhase sich gleichzeitig mit mir seiner Passion des intensiven Nachdenkens erinnert und dann auch noch, genau wie meine Wenigkeit, der Meinung ist, dieses alte Steckenpferd augenblicklich zu satteln und auf die weite Prärie der sprießenden Gedanken zu entführen, kann ich mit reinem Gewissen eigentlich nicht so recht beantworten. Dazu müsste ich das reichlich bekannte Schlappohr erst einmal befragen, was aber dieser auch Tage nicht so leicht zu bewerkstelligen ist.
Ob mir das, an diesem Ostersonntag noch gelingen wird, darf zwar bezweifelt aber niemals infrage gestellt werden, da ich unter den Forschern, die sich der nachdenklichen Spezies vegetarischer Rammler verschrieben haben, als der Erfinder (vielleicht sogar Erzeuger) des nachdenklichen Osterhasen gelte.
Also konzentriere ich mich (was auch nicht so ganz ohne ist) augenblicklich auf mich und versuche zu erklären, weshalb ich überhaupt mit dem Nachdenken begonnen habe. Nein, nicht jetzt und mit dem Karotten-Kenner zusammen, sondern damals, als das Spielen und viel-Spaß-haben noch wichtiger waren, als intensiv und meist ergebnislos nachzudenken.

Da bedarf es auch keiner erneuten Rückfrage oder des Nachhakens teils unschlüssiger Passagen in der Erinnerung. Das mit dem Nachdenken hat bei mir in dem Moment begonnen, als mein Vater mich unsanft aus seiner Umklammerung entließ und mir den Ratschlag erteilte: “So, jetzt hast du Zeit nachzudenken. Hättest du vorher nachgedacht, wäre dir das hier erspart geblieben.”
Da die Worte aus dem Mund eines Pädagogen entsprangen, ließ ich in meiner Überarbeitung des mir erteilten Ratschlags die Grammatik und den Satzbau links liegen und widmete mich gedanklich ganz den Worten des Gebieters. Was wollte der Herr mit der linken Schlaghand mir mit diesem verschachtelten Satz vermitteln?

Da ich kurz zuvor vom erziehungsberechtigten Propheten eine Tracht Prügel erhalten hatte, bedurfte es nicht der Stimme aus dem Hintergrund, die im unpassenden Moment immer wieder fragt: “Was will der Autor uns damit sagen?” Nein, ich hatte es auf Anhieb (im wahrsten Sinne des Wortes) kapiert. Solange ich am Nachdenken bin, müsste ich demnach vor unmotivierten Schlägen gefeit sein. Es war der Moment, als ich mit dem Nachdenken begann. Auch wenn es nichts gab, über was ich hätte nachdenken können, ich habe trotzdem über den Irrsinn nachgedacht, zumal geistige Verwirblungen weniger schmerzhaft als Schläge an den Kopf sind.

Ja, jetzt wisst ihr es. So kam ich also zum Nachdenken. Ob der Weg auf dieser Schiene durch das Leben nun wirklich als schmerzfrei bezeichnet werden kann? - Ich wage es zu bezweifeln. Aber es macht einfach Freude, auf diesem Weg Tag für Tag Kreaturen zu treffen, die dasselbe Navi an Bord haben zu haben scheinen. Doch hat es Jesus, trotz seiner Nachdenklichkeit, nicht vor schmerzhaften Erfahrungen bewahrt, was wohl daran gelegen haben könnte, dass er immer wieder die Gesellschaft der Flachdenker suchte.
Doch davon lassen sich weder der viel beschäftigte Osterhase noch ich uns im Moment beeinflussen.
Der mit den Schlappohren denkt gerade darüber nach, warum er überhaupt in diese Geschichte gerutscht ist, während ich mich frage, wieso der Karfreitag in meinem Heimatland Kroatien, ein Land das den Katholizismus zwar nicht erfunden, jedoch mit unbegrenztem Haltbarkeitsdatum in die Grundwerte der Verfassung übernommen hat, ein ganz normaler Arbeitstag ist. Also so einer, bei dem das Aufstehen im Pflichtprogramm verankert und das Streben nach dem wirtschaftlichen Aufschwung und unendlichem Reichtum innerhalb von nur acht Stunden schwere Rückschläge einstecken muss. Genau nach diesem vorgegebenen Schema verbringt der strebsame Kroate den Tag, an dem sich ein Großteil seiner nördlichen Nachbarn fragt, wer um Gottes willen Fischstäbchen erfunden hat? Wenig verwunderlich, dass es eine solch banale Frage überhaupt in die Top-Ten schafft, wenn der bevormundete Mitteleuropäer sonst nichts zu tun hat, bzw. der körperliche Aktivismus sich auf das Falten der Hände beschränkt.

Wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, diesen Freitag vor der Geburt des Osterhasen aus dem Programm zur Rentensicherung zu nehmen? Es macht doch eigentlich keinen Sinn, wenn man berücksichtigt, wer an einem Feiertag auf die Idee kommt Kreuze zu schreinern und anschließend noch vernagelt - und das an einem Feiertag? Möglicherweise ist aber die Zweiteilung damit in Zusammenhang zu bringen, dass Iglo nicht genügend Fischstäbchen für ganz Europa an Land ziehen konnte? Oder liegt es etwa daran, dass Lidl und SPAR doch mehr Einfluss als der Kardinal haben? Die kapitalistisch-klerikale Abmachung lautet wohl: Wir bekommen den Freitag und dafür bekommt ihr den Sonntag - aber erst ab 11:00 Uhr!
Mir ist das Gefeilsche an zwischen Aufschwung und Wiederauferstehung eigentlich ziemlich egal. Ich lasse mir auch nicht vom Otto-Versand (und erst recht nicht vom Kardinal) vorschreiben, wie ich den Geburtstag von diesem Jesus zu begehen habe.

Ich denke ja einfach nur nach und das, obwohl ich die linke Schlaghand längst nicht mehr zu fürchten brauche. Die hat nämlich der, der immer für alles (insbesondere für Ostern und Weihnachten) verantwortlich zu sein scheint, vor einiger Zeit abberufen. Seither vertrete ich die Meinung, dass Gott auch ein passabler Schachspieler abgeben würde - nur hätte ich an seiner Stelle den Bauer schon viel früher vom Brett genommen.
Zugegebenermaßen, als machtloser Beobachter neigt man oft zu vorschnellen Entscheidungen.
Das Nachdenken und ich haben uns bereits viele Jahre vorher darauf geeinigt, möglichst oft Aufgeschnapptes, Zugeworfenes oder Ausgebuddeltes zu sezieren. In Gesellschaft eines Baguettes, einer Flasche Chablis und ausgereiftem Käse, gelten wir inzwischen als ein Paar für die Ewigkeit.

So käme ich nie und nimmer auf die Idee, mich am Ostersonntag einer Horde Wanderwilliger anzuschließen, die stur und steif behaupten sich auf den Weg nach Emmaus machen zu wollen. Weder ich noch das Denken benötigen Wanderschuhe.
(Wehe dem, der nun den Einwurf wagt, dies sei auch nicht notwendig, da weder ich noch meine Gedanken uns so oder so kaum von der Stelle bewegen würden.)
Warum sollte ich gut gelaunt und von der Hoffnung gefüttert, irgendwann auf dem Weg Jesus zu treffen, mich von Zagreb aus zu Fuß auf den Weg nach Emmaus machen. Weiß überhaupt einer der Wanderer wo dieses Kaff liegt und wer hat überhaupt seinen Reisepass dabei?

Nein, viel lieber holen ich und meine Gedanken den Osterhasen mit an Bord, reißen Ihm seine bunte Aluminium-Rüstung vom Leib und beißen ihm, als Zeichen der inneren Verbundenheit, beide Schlappohren ab. Osterhasen lieben das, man mag es kaum glauben, denn Schlappohren beeinträchtigen deren Denkfähigkeit. So ganz ohne Schutzkleidung und Ohren wird der Osterhase als solcher nicht mehr überall und direkt erkannt, hat damit also genügend Zeit sich ein Glas für den Chablis zu besorgen und mit mir den Ausritt auf den Gedanken zu genießen.
Was mich ein ganz klein wenig stört, ist die Angewohnheit des Ohr-befreiten Hasen, den Käse immer ohne Brot vertilgen zu wollen.

Ohne viel nachzudenken, wünsche ich euch entspannte Osterfeiertage.

Hinweise auf lesens- und hörenswerte Beiträge:

Der Wegweiser für alle, die das für sie Wichtige suchen: steemwiki
Wer interessiert am Jazz ist, der findet hier was: #jazzfriday
Soll es was ganz Leckeres für den Magen sein: #w74-rezepte
Kurzgeschichten oder Ausflüge in die deutsche Sprache, dann wird man sicher fündig unter: #ganzwenigtext
Alte Ausgaben des Wochenrückblickes liegen hier: #wochenrueckblick
Mahnende Worte von der Kanzel herab (oder von wo auch immer): #sonntagspredigt
Nicht zu vergessen: BRenNgLAS

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Ich denke auch gerade nach, u.a. über die furchtbaren Anschläge in Sri Lanka.

Der Physiker Steven Weinberg hat mal gesagt: "With or without religion, good people can behave well and bad people can do evil; but for good people to do evil—that takes religion." ("Mit oder ohne Religion können gute Menschen Gutes und böse Böses tun. Dass gute Menschen Böses tun, dafür braucht es die Religion.") Erstaunlich, was dabei rauskommt, wenn Menschen nachdenken und die Dinge auf das Wesentliche runterbrechen.

Wünsche Dir und natürlich allen Mit-Steemianern ein frohes und friedliches Osterfest. LG - Folker

Hallo Folker,

was du ansprichst, begleitet mich leider durch mein ganzes Berufsleben. Dagegen anzukämpfen ist an Sinnlosigkeit kaum zu übertreffen. Die Grenzen im Bereich der Unmenschlichkeit sind leider nicht so gut bewacht wie unsere Landesgrenzen.

Aus dem Grund bin ich bereits zufrieden, wenn man innerhalb der Familie wenigstens friedliche Tage genießen kann.

Bis dann
Wolfram

Hauptsach gudd gess ;-)

... reißen Ihm seine bunte Aluminium-Rüstung vom Leib und beißen ihm, als Zeichen der inneren Verbundenheit, beide Schlappohren ab.

So macht Ostern Spaß. 😎

Nachdenkliche Grüße aus einem Land, in dem am Karfreitag niemand zur Arbeit genötigt wird, außer den Tanklastwagen Fahrern.

Ich dachte mir lediglich, wenn du mit dem Punk bereits bei mir gute Laune produzierst, dann muss ich mich erkenntlich zeigen.

Geben und nehmen - fast wie im richtigen Leben:-)

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