Holistic Mobility, Teil I

in #fitness7 years ago

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Mobility vs. Flexibility


Vor einigen Jahren habe ich das Mobility-Training für mich entdeckt. Ich nenne das extra beim englischen Namen, denn da gibt's eine feinere Begriffsdifferenzierung als auf Deutsch.

Mit Mobility ist die aktive Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Gelenke mit (sanfter) Muskelkraft gemeint. Eine kontrollierte Bewegung also, die das Gelenk davor schützt, in Winkel gebracht zu werden, die eine Verletzung verursachen würden.

Im Gegensatz dazu beschreibt Flexibility die passive Bewegungsfähigkeit - wie weit ein Gelenk bewegt werden kann, ohne dass die Muskulatur es stabilisiert.

Je größer der Unterschied zwischen der passiven Gelenksbeweglichkeit (Flexibilität) und der aktiven Gelenksbeweglichkeit (Mobilität), bezogen auf die ROM (Range of Motion / Bewegungsamplitude), desto größer ist das Verletzungsrisiko.

In Sport und Alltag verletzen sich die Flexibelsten in der Regel häufiger. Fällt die Muskelkontrolle bei unvorhergesehenen Situationen, wie z.B. Stürzen, weg, hängt die gesamte Last direkt an der größten Schwachstelle, dem empfindlichen Gelenk.

Mobility vs. Dehnen


Dehnen galt und gilt bei vielen immer noch als das Allheilmittel gegen Probleme des Bewegungsapparates. Egal, ob Rückenschmerzen oder Ziehen in der Schulter - "ich bin ja so verkürzt. Ich sollte öfters Dehnen".

Aber jetzt mal Hand aufs Herz. Gibt es hier jemanden, dem Dehnen wirklich nachhaltig geholfen hat? Ich bezweifle es.

Beim Dehnen - und damit meine ich das Halten einer endgradigen Position für mehr als 30sec - werden Muskeln in die Länge gezogen. Je nachdem, wie intensiv der Dehnungsreiz ist, wird der Muskel vielleicht mit der Zeit etwas länger werden. Wenn der Reiz zu kurz war, springt der Muskel wieder in seine ursprüngliche Form zurück, vergleichbar mit einem T-Shirt, bei dem ihr kurz anzieht und dann wieder loslasst.

Exkurs Physiologie:


Um einen Muskel wirklich über das angeborene Längenmaß hinaus zu verlängern, ist das sog. entwickelnde Dehnen notwendig, bei dem die Position sogar bis zu 30min gehalten wird.
Diesem starken Reiz können die Muskelfasern nicht standhalten. Die Bausteine der Muskelfasern, die Sarkomere zerreißen. Ein Sarkomer besteht aus zwei Z-Scheiben, zwischen denen die Proteine Aktin und Myosin ineinandergreifen, wenn der Muskel kontrahiert. Wenn die Spannung nachlässt, enthaken sich Aktin und Myosin unter Einsatz von ATP (Energielieferant) wieder. Ist das Dehnen also so brachial, dass sich Aktin und Myosin nach dem Lockerlassen nicht mehr treffen können, kommt das Signal, dass dieser Muskel mehr Aktin und Myosinfilamente benötigt, um kontrahieren zu können.

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Nehmen wir mal an, wir haben entwickelnd gedehnt und einen längeren Muskel aufgebaut. Können wir ihn deshalb besser beherrschen und kann er deshalb die Gelenke, mit denen er verbunden ist, besser stabilisieren? Nein!

Ein längerer Muskel hilft dir nicht, deine Gelenke vor Verletzung zu schützen und vor allem verbessert er nicht deine Koordination - das Zusammenspiel von Muskeln, die eine Bewegung möglich machen.
Mal ganz abgesehen davon, dass der Knochen unter deinem Muskel so lang ist wie er ist. Den kann du nicht verlängern.

Beim Mobilisieren hingegen werden durch sanfte Muskelkraft Gelenke im größtmöglichen Bewegungspielraum bewegt. Mobility basiert also auf Bewegung. Diese Bewegung verbessert das Zusammenspiel mehrerer Muskeln untereinander (= intermuskuläre Koordination). Die Gelenke werden durch die Bewegung geschmiert. Ablagerungen können wieder abgebaut werden und die Stellung des Gelenks verbessert sich.

"Use it or lose it"-Prinzip


Unser Körper ist wahnsinnig effizient und anpassungsfähig.
Als Kind kann jeder von uns entspannt in der tiefen Hocke sitzen, aber spätestens mit Schuleintritt verlieren wir nach und nach diese Fähigkeit und wir bewegen unser Hinterteil maximal bis knapp unter Parallel zum Boden, wenn wir uns mal auf eine tiefe Couch oder einen zu kleinen Sessel setzen.

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Der Mangel an Bewegung in der vollen Amplitude (= full ROM) unseres Hüftgelenks führt also dazu, dass unsere Oberschenkelvorderseite unter zu viel Spannung steht (= tonische Muskelstruktur) und im Gegenzug unsere Kehrseite zu wenig Spannung hat (=phasische Muskelstruktur). Mit den Jahren passt unser Körper auch die Länge der Sehnen und Bänder an - sie werden vorne kürzer und hinten länger, was dann die Stellung unseres Beckens beeinflusst. Kippt unser Becken, verändert sich die Stellung der Wirbel in der Lendenwirbelsäule und schon haben wir den Salat.
Da kommt dann noch hinzu, dass die Muskulatur von Vielsitzern zu schwach ist, um den Rücken zu stützen und zu schützen. Auch dies ist eine Folge des "Use it or lose it"-Prinzips.

Ziemlich weitreichend, oder?

Jetzt fragt ihr euch sicher, für wen eine gute Beweglichkeit wichtig ist und welche Vorteile sich daraus ergeben! Damit geht's dann in Teil II weiter.

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