Der Fremdschmerz in mir - Ausstellung "Rassismus" in Dresden

in #dresden6 years ago

Das Deutsche Hygienemuseum in Dresden zeigt derzeit (noch bis zum 6. Januar 2019) eine Sonderausstellung über das gesellschaftliche Problem "Rassismus". Da es selbst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine eher unrühmliche Rolle gespielt hat, was das Thema Rassenkunde angeht, schont es sich nicht selbst, sondern dokumentiert auch die eigene Tätigkeit.
Aber fangen wir von Anfang an.

(Gemäß den Hausregeln durfte ich, die nicht als Journalistin akkreditiert ist, nicht fotografieren. Ich verweise daher diejenigen, die Fotos vermissen, auf die Seite zur Ausstellung.)

Die bedrückende Geschichte

Es gibt eine zeitliche Überschneidung der Hoch-Zeit der Kolonialisierung und der Entdeckung der Evolutionstheorie. Nicht nur Darwin hat Parallelen zwischen der Vererbung und Entwicklung der Arten von Tieren und der Ausbildung von "Menschenrassen" gezogen.

Ähnlich bedrückend wie diese Geschichte ist der Raum, in der sie präsentiert wird. Kasten-/regalförmige Schaukästen, die den Raum verdunkeln und denen man ausweichen muß. Darin Abdruckmasken von Afrikanern (seltener auch: Polynesiern), die in großem Stil hergestellt wurden, Fingerabdrücke (die Kriminalforschung kam Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls in Schwung und lieferte Mittel und Techniken zur Erfassung "rassenkundlicher Eigenschaften"), Listen erfaßter Afrikaner, sog. Composite-Fotografien zur Herausarbeitung "rassetypischer Merkmale", auch Schautafeln von Schmetterlingen. In einem Tondokument aus den 1930ern (!) schildert ein ehemaliger Bauer, daß er erst seiner Tiere (und seines Hofes?) enteignet wurde und dann regelmäßig Gipsabdrücke von sich machen lassen mußte. Verkauft wurden diese übrigens in Europa, die Abgebildeten erfuhren und hatten davon nichts ...

Kein Licht ohne Schatten

Im nächsten Raum wird es optisch heller, aber inhaltlich nicht minder bedrückend. Filme und Fotos zeigen die doch recht monumental wirkende Außenansicht des Hygienemuseums in den 1930er-Jahren, die Tätigkeit als "Institut zur Gesundheitserziehung", was die Herstellung von z.B. heute noch gebräuchlichen Präparaten menschlicher Organe, aber z.B. auch von Vererbungsschautafeln und Präsentationen zu unwertem Leben beinhaltet. In anderen Exponaten werden wiederum vor allem Menschen aus Afrika wie Rückständige präsentiert.

Derselbe Raum thematisiert in Videos den aktuellen Stand der Wissenschaft (mit dem Credo, daß anhand der DNA gar keine Rassen differenzierbar sind) sowie persönliche Geschichten von Migranten in Deutschland (traurig bis hoffnungsvoll), persönliche Empfindungen der Menschen in ehemaligen Kolonialgebieten Afrikas (weniger hoffnungsvoll).

Ein dritter Raum zeigt weitere Videos, von denen ich aus Zeitgründen nur noch eins (einen Zusammenschnitt aus Deutschland, wir müssen reden) anschauen kann. Von zwei weiteren Räumen, für die wir keine Zeit und Kraft mehr hatten nach über 2 Stunden, erfahre ich nur durch meinen Begleiter.

Das Hygienemuseum öffnet vormittags um zehn. Ein halber Tag ist also für die Ausstellung nicht ausreichend!

Das Problem mit den Weißen ...

Man nimmt an, daß eine leicht bräunliche Pigmentierung der Haut evolutionsbiologisch einen gewissen Vorteil bot und sich weiße Haut bei Europäern und Asiaten durch eine Art Albinismus (verringerte Speicherung von Melanin in der Haut) ausbildete. Durch die rezessive Vererbung wäre die Weitergabe heller Haut, heller Haarfarbe und heller Augenfarbe im Zweifelsfall stets weniger wahrscheinlich.

Die biologisch bevorteilte "Rasse" der Weißen gibt es also nicht.

... und die Persistenz der Frage nach der Intelligenz

Die Annahme, stärker pigmentierte Menschen (oder solche mit auffällig anderen Gesichtsmerkmalen) seien per se weniger schlau als man selbst, zieht sich unvermindert durch die Wahrnehmung der meisten Mitteleuropäer. Ich habe mich selbst in der Ausstellung dabei ertappt, daß ich etwa die interviewten Migranten einer bestimmten geographischen Abstammung zuzuordnen versuchte. Oder dabei, daß ich beim Anblick von einer erwachsenen Frau mit Kopftuch erstmal schlucke. Daß ich beim Vorsitzenden der deutschen Ahmadiyya-Gemeinde weniger auf seine Aussagen als auf sein Gesicht achte und bei interviewten Juden nach ebenso auffälligen anatomischen Eigenheiten des Gesichts suche. Ich habe keinen Grund, das zu tun, aber ich tue es mehr oder weniger bewußt trotzdem.

Das macht mir Angst, ich bleibe aber zwangsläufig mit dem Schmerz allein.

Mir wird nie Alltagsrassismus begegnen (Ausnahmen wie 2012 in einem Vorort von Stuttgart, bei der Wohnungssuche, bestätigen die Regel ;)), ich denke, ich bin eher in der Pflicht, für mehr Miteinander zu sorgen in diesen Zeiten, wo so laut nach Spaltung gerufen wird.

Aber tue ich, tun wir alle genug dafür, daß die pluralistische weltoffene Gesellschaft erhalten bleibt?

Sort:  

Also ich setzte mich jetzt einfach mal in die heißen Kohlen. Allein die Andeutung, dass du als Weißer keinen Alltagsrassismus erleiden könntest, stellt mir die Haare auf. Geh einfach mal nach Japan/China, "Du dreckige Langnase" ;-).
Und das mit den Menschenrassen ist ein verdammter Alptraum, ich habe diesbezüglich eine Meinung die ich nur schwer im Gespräch deutlich machen kann. Da die meisten sofort abschalten bei den Worten: "Natürlich gibt es Menschenrassen" und somit den Nebensatz: "Aber bewerten darf man sie nicht!" verpassen.
Ich bin weiß Gott kein Experte, aber ist nicht alleine die Hautfarbe in der DNA verankert? dieses "wir sind alle Gleich" gerede geht mir wirklich auf den Zeiger, denn, das sind wir nicht! und das ist auch gut so! Stell dir vor ein Sherpa oder Gurkha wäre anatomisch aufgebaut wie ein Mitteleuropäer, das wäre schon mal nicht gut. Zusätzlich dazu kommt das die Umwelt einflüsse auf die Mentalität hat, wäre ein äquatorial Afrikaner so pedantisch wie ein Deutscher, der hätte sofort nen Hitzschlag. Natürlich ist das sehr grob und verallgemeinert. Aber ich glaube der Punkt ist klar? Das fängt ja schon bei Sachen wie "Wir treffen uns bei Sonnenuntergang" an, in Deutschland wäre die passende Antwort: "Bist du doof? ich warte natürlich gern ne Halbe Stunde bis Stunde", in äquatorial Afrika ist aber ein Sonnenuntergang wesentlich kürzer ... und so weiter und so weiter. Langer rede, gar kein Sinn, ich stell mich ja auch nicht hin und sage der Bernhardiener ist mehr/weniger wert als der Dobermann, die haben beide ihren Zweck und sogar der Chihuahua ist nicht sinnlos. Auch wenn "Menschenrassen" natürlich entstanden sind und Hunderassen häufig "erzeugt" wurden.

Gut, dazu müßte ich nach Ostasien reisen und beabsichtigen, dort länger zu bleiben. Bisher fehlt mir dafür ein Grund ...
Die Frage nach der Hautfarbe habe ich indirekt im Text übrigens beantwortet.

Naja, dass der Thai, der glücklich auf seinem Reisfeld hinter Bankog steht als "Bambusratte" beschimpft wird ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich, oder? Es geht dabei immer nur um das "fremd sein". Mal abgesehen davon, ich glaube ein Urlaub würde reichen, du würdest es aufgrund der kurzen Zeitspanne evtl nur nicht merken.
Und Fremd geht nicht nur auf die Hautfarbe und Augenform ... wie geht es wohl dem Linken Punk auf nem Landser Konzert? ... dem Hip Hop -Fan auf nem Gorgoroth Konzert? ... dem Mongol in einer Hells Angels Kneipe? ... und natürlich umgekehrt
Das einzige, das ich bei der Thematik wirklich einsehe ist das sprachliche Problem. "Rasse" ist ein alter Begriff, wird nur noch für Nutztiere und Haustiere verwendet, und hat einfach einen schlechten Beigeschmack durch Überholtes wie die Eugenik etc.
Allerdings, schwingt da auch wieder eine gewisse Arroganz mit, warum müssen wir denn was Besonderes sein? Wir sind Tiere aus der Familie der Menschenaffen, aus der Ordnung der Primaten, usw. und wie bei jeder anderen Tierart gibt es halt auch bei uns unterschiedliche Versionen. Mir fällt gerade ein, eigentlich ist Menschenrasse genau richtig, wir sind ja auch "Haustiere", oder? :D
Und was die Sache mit der indirekten Antwort angeht ...du machst die biologische Bevorteilung an der Hautfarbe fest? Wir sind biologisch im Vorteil für die Region in der wir leben und für die Gesellschaft die sich in dieser Region entwickelt hat. Weil wir das nicht anders kennen erscheinen uns Leute die andere Gesellschaften kenn und unsere nicht, als "dumm" das ist nicht Rassismus das ist Ignoranz und/oder Arroganz.

Rassismus ist ein Argument für Sozialismus wo sich viele Otto-Normalos zusammen tun und ihre Pseudo-Elitäre Beschaffenheit solange feiern bis die Realität zu schlägt.

Entweder ich bin signifikant größer als eine Frau (über 1,85), mit einer Frau will man nicht mal statistisch etwas gemein haben und körperlich leistungsstark, mindestens fettfreie 90kg und attraktiv, habe zu dem viel Kohle (als Add on einen akademischen Abschluss) oder ich bin minderwertig. Und ein Mann bei dem kein richtiger Bart wächst und einem Geschlechtsorgan kürzer als 17cm ist so oder so ein Geburtsfehler

Das wäre doch mal eine gute Trennlinie die dem Genpool tatsächlich etwas messbares bringt. für Frauen müsste man sich noch was ausdenken aber man sollte sie nach Attraktivität und körperlicher Fitness aufteilen, ich glaube das reicht.

auf den ersten Blick löst die Auflistung sicher Empörung aus (selbst bei Rassisten) aber eigentlich ist es das, wonach wir selektieren. Wenn ein Mann mal etwas kleiner ist wird er als Schauspieler auf Holzkisten gestellt, hauptsache man merkt nicht dass er in diesem Trait minderwertig ist. Darum sind die meisten Kariere-Menschen und Politiker extrem hässlich, da man mit Einfluss besser kompensieren kann als mit Intellekt oder Reiseerfahrung lel

Tjahaha, das Problem ist, okay nicht wirklich, das ich dir Zustimme. Sehr schön das so ein Beitrag nicht von mir gekommen ist. Aber deine Auflistung für den Mann gibt mir den Einstieg für eine kleine Kausalkette warum wir alle diesen "Gendefekt" Weiße Haut haben. Bevor "braun gebrannt" hieß "ich kann in den Urlaub fahren" hieß es "Ich muss draußen auf dem Feld (etc.) Arbeiten" Nach dem diese Arbeit früher aber häufig nicht zu finanziellem Erfolg, Einfluss usw. führte hatte Frau natürlich lieber den bleichen Kaufmann, Fürst, Prinz.
Momentan gilt eine gewisse Bräune noch als attraktiv, allerdings ist eine zu starke Bräune schon abgerutscht in den eher proletarischen Ruf. Wenn das mit unserem Klima so weiter geht, dauert das nicht mehr lange (also nicht mehr lange für gesellschaftliche Änderungen) und bleich wird wieder "sexy".

gute Überlegung, der Punkt wird für Otto Normal sicher einer der ausschlaggebendsten sein. Man hat es mit der Vollbart-Hipster welle ja gesehen. Etwas, das vor einigen Jahren noch als ungepflegt-unappetitlich galt (weil die Leitbilder leonardodicaprio, backstreetboys und co waren) ziert jetzt das Gesicht eines jeden 18 jährigen.

Ein Grund mehr auf das Urteil anderer zu scheißen

Aber tue ich, tun wir alle genug dafür, daß die pluralistische weltoffene Gesellschaft erhalten bleibt?

Ich tue nichts dafür und werde auch nichts dafür tun. Pluralismus ansich ist kein Wert und Weltoffenheit auch nicht, außer zur Selbstbeweihräucherung vielleicht.


Join me in my struggle with alcohol addiction

Dauerhaft weltoffene und gleichzeitig pluralistische Gesellschaften kann es in meinen Augen nicht geben, da sich eine solche Gesellschaft auflöst und bald keine mehr ist. Etwas, was wir im Moment live miterleben.
Ansonsten kann ich Deine konkreten Gedankengänge dazu gut nachverfolgen.

Coin Marketplace

STEEM 0.30
TRX 0.12
JST 0.034
BTC 64455.55
ETH 3147.84
USDT 1.00
SBD 3.94