Welches Deutschland?

in #deutschland7 years ago

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Welches Deutschland?
Die Überschrift des am 3. Juli vorgestellten Wahlprogramms von CDU und CSU verrät die Merkel’sche Handschrift, nannte sie doch auch schon ihren Bürgerdialog „Gut leben in Deutschland“. Das klingt wie Reisebüro-Werbung – und darauf läuft es wohl auch im Ergebnis hinaus … Dass das Wohlleben kein gutes Ende nehmen könnte, steht also zu befürchten. Wie es sich mancherorts in der Praxis ausnimmt, kann man erahnen, wenn man weiß, dass Hauptverfasser der Merkel-Vertraute Kanzleramtschef Peter Altmaier ist.

Man könnte nun sagen, es sei schon ein Fortschritt, dass sich Merkel inzwischen für „ein Deutschland“ ausspricht, während man in ihrem Elternhaus noch zwei getrennte vorzog. Aber die Formulierung „Für ein Deutschland …“ macht stutzig. Es scheint nicht das Deutschland zu sein, wie wir es kennen, sondern eines, das erst noch geschaffen werden soll. Und das sollte jeden an Seehofers resignierte, inzwischen aber offenbar von ihm erfolgreich verdrängte Worte vom September 2015 erinnern, dass sich Merkel „meiner Überzeugung nach für eine Vision eines anderen Deutschland entschieden“ habe.

„Für unser Deutschland“? Abgelehnt!

In diesem Zusammenhang wird auch folgender Bericht des „Spiegel“ über die Entstehung des Wahlprogramms voll verständlich: „Was Angela Merkel von innerparteilicher Demokratie hält, durften die Vorstände von CDU und CSU am vergangenen Sonntag [2. Juli 2017] erleben.“ Um 23.30 Uhr wurde das Programm verteilt, mit folgender Maßgabe der CDU-Vorsitzenden: „Wer Änderungswünsche habe, erklärte sie, dürfe diese selbstverständlich einreichen – aber nur bis zum nächsten Morgen acht Uhr. Danach könne sie leider nichts mehr annehmen.“ Anderntags hatte ein altgedientes CSU-Vorstandsmitglied, Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel, eine Idee. Noch einmal der „Spiegel“: „So erkundigte sich der frühere bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel in der gemeinsamen Vorstandssitzung am Montag, ob man nicht den Wahlslogan ‚Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben‘ ändern könne, und zwar in: ‚Für unser Deutschland, in dem wir gut und gerne leben‘. Merkel, so berichten Teilnehmer, habe nur kurz aufgeblickt und erklärt: ‚Wir sind hier nicht in einer Redaktionskonferenz.‘ Damit war die Sache erledigt.“

Anders als der „Spiegel“ meint, dürfte es sich hier in Merkels Augen nicht um eine „Kleinigkeit“ gehandelt haben, auf die sie „empfindlich“ reagierte, sondern um den für sie zentralen Punkt: Das künftige Deutschland, das ihr vorschwebt und auf das sie hinarbeitet, soll weder unser Deutschland sein noch wird es damit eine große Ähnlichkeit haben. Es ist typisch für Merkels Regierungsstil, dass die Lenkbewegungen umso sparsamer und scheinbar beiläufiger ausfallen, je bewusster ihr ist, dass sie sich damit zu vielen Deutschen in Widerspruch setzt – wenn diese denn der Absicht gewahr würden. Deswegen musste eine Diskussion über die Frage, ob es nur um „ein Deutschland“ oder um „unser Deutschland“ gehen soll, unbedingt vermieden werden.

„Migrationsmagnetisches Signal“

In dem Wahlprogramm heißt es auf Seite 63: „Wir wollen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig bleibt. Das macht es möglich, dass wir unseren humanitären Verpflichtungen durch Resettlement und Relocation nachkommen.“

Zu dem ersten zitierten Satz von der angeblich „niedrigen“ Zahl hat die Tageszeitung „Die Welt“ das Nötige ausgeführt: „Die Bundesregierung hat weder den Zuzug noch die Rückführungen von Migranten im Griff. Trotzdem ziehen CDU und CSU ohne neue Konzepte in den Wahlkampf. Die Union will die monatlich rund 15.000 irregulären Einreisen von Schutzsuchenden, die Zuwanderung aus EU-Staaten und auch den Familiennachzug nicht stärker steuern oder begrenzen. Kein Wort verlieren beide Parteien über die anhaltende Nichtumsetzung der Dublin-Regeln: Seit Jahren wird kaum ein durch andere EU-Länder gereister Migrant dorthin zurückgebracht. Auch wegen dieses migrationsmagnetischen Signals kommen monatlich weiter mehr Asylsuchende nach Deutschland als in vielen EU-Ländern im ganzen Jahr.“

Nach § 18 Absatz 2 Nr. 1 des Asylgesetzes dürfte an sich niemand unter Berufung auf einen Asylwunsch über einen sicheren Drittstaat ins Bundesgebiet einreisen. Doch Bundespolizeipräsident Romann konnte sich bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen im September 2015 nicht mit der Forderung durchsetzen, dass die Bundespolizei Migranten an der Bundesgrenze zurückweist. Merkel hält bis heute daran fest, dass die entsprechende Bestimmung, wie von Bundesinnenminister de Maizière damals angeordnet, nicht angewendet wird.

„Resettlement und Relocation“

Unter dem Etikett Familiennachzug werden zudem, wie das Auswärtige Amt jetzt mitteilte, bald zusätzlich bis zu 300.000 Syrer und Iraker in die Bundesrepublik reisen. Trotzdem sollen weitere Schleusen geöffnet werden. Das nämlich bedeutet der zweite Satz der zitierten Stelle im CDU/CSU-Wahlprogramm, in dem es um „Resettlement und Relocation“ geht. „Resettlement“ meint die Umsiedlung von Flüchtlingen aus Nicht-EU-Ländern, wie sie bereits das EU-Türkei-Abkommen vorsieht und nun auch aus Libyen, Ägypten, Niger, Äthiopien und dem Sudan vollzogen werden soll. So steht es jedenfalls in dem am Dienstag letzter Woche von der EU-Kommission veröffentlichten „Aktionsplan“. Und unter „Relocation“ ist der Transfer von Asylbewerbern von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen zu verstehen, der dann auch den Asylantrag prüfen soll. Schon die Aussicht, auf diese Weise am Ende Deutschland zu erreichen, dürfte ein zusätzlicher Pull-Faktor sein.

Die Gesamtschau verdeutlicht, warum es nicht „unser Deutschland“ heißen darf, sondern da „ein Deutschland“ stehen muss. „Ein Land“ wäre Merkel zweifellos noch bedeutend lieber, doch diese Formulierung wäre offensichtlich wahlkampfuntauglich.

Source/Quelle:

Ulrich Wenk

https://www.national-zeitung.de/ausgabe-29-vom-14-7-2017/

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