Was ist Geld? Der Nebel um das Geld! Teil B Darstellung der Untersuchungsergebnisse, Abschnitt 3
Kredit und Tilgungsversprechen
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http://www.roth-cartoons.de/wp-content/uploads/2017/05/Leseprobe-Was-ist-Geld-2017-komplett.pdf
Tauschgeschäfte kommen oft dadurch zustande, dass ein Tauschpartner für die Gegenlieferung seiner Lieferung eine Zeitverzögerung akzeptiert. Man sagt auch: er kreditiert die Gegenlieferung. Er erteilt dem anderen Tauschpartner für die Zeit Kredit, in welcher der nicht liefern kann oder nicht liefern will. Er akzeptiert das Versprechen des Anderen, die Gegenlieferung irgendwann zu erbringen. Dieses versprechen ist ein Schuldentilgungsversprechen. Aber er akzeptiert ein solches versprechen nur, wenn er sicher ist, dass der versprechende leisten kann, seine mit dem tausch eingegangene Schuld tilgen kann. Der in Vorleistung getretene Tauschpartner prüft das Leistungspotential des Versprechenden ("Bonitätsprüfung"). Denn dieses Potential ist zugleich das Schuldentilgungspotential. Es ist - wie wir auch sagen - die Deckung des Tilgungsversprechens.
Ist das Tilgungspotential gesichert, das Versprechen damit gedeckt, kann es wie ein Tauschgut behandelt werden. Dieses (zugegeben etwas seltsame) Tauschgut komplettiert fürs erste den anstehenden tausch. Auf solcher Basis kommt es zum Vollzug des Geschäfts. Die avisierte Lieferung erfolgt - ohne sofortige Gegenlieferung.
Es gibt also am markt Vorkommnisse, bei denen die Bilateralität des Tausches (sieh Abschnitt 2) aufgebrochen zu seien scheint: ein Tauschpartner liefert, sein gegenüber liefert nicht. der Tausch bleibt als bilateraler Gütertausch unvollendet.
Beim bilateralen Sachgütertausch bewirkt die sofortige Übergabe beider Tauschpartner das sofortige Erlöschen der beiderseitigen Schulden der Tauschpartner. Die bemerken oft gar nicht, dass sie gegeneinander Schuldner sind. Anders liegen die Dinge, wenn eines der beiden Schuldverhältnisse nicht sogleich, sondern erst später beendet werden kann, wenn also die beiden Teilakte eines Sachgütertausches zeitlich auseinander fallen. Hier wird den Tauschpartnern sehr wohl bewusst, dass es beim Tausch um ein Schuldverhältnis geht: eines der beiden den Tausch konstituierenden Schuldverhältnisse sind erloschen, das zweite besteht fort. Ein Schuldenausgleich, der zugleich eine Gutübertragung ist, steht noch aus.
Das Weiterbestehen des einen Schuldverhältnisses lässt den Tausch als bilateralen Tausch zunächst unvollendet. Wo bei einem vollständig abgeschlossenen Sachgütertausch eine Symmetrie der Gut- und Schuldverhältnisse gegeben ist - Gut und Schuld werden unmittelbar gegeneinander aufgerechnet - entsteht hier so etwas wie Asymmetrie.
Beim Tausch besteht per definitionem keine Schenkungsabsicht. Insofern bleibt einer der Tauschpartner - der Belieferte - dem anderen etwas schuldig. Eigentlich müsste die erfolgte Lieferung jetzt rückgängig gemacht werden. In einigen Fällen geschieht das auch. In vielen anderen Fällen aber will man auf einen - wenn auch nur einseitigen - Gütertransfer nicht verzichten. Denn wenn das in allen solchen Fällen geschähe, bedeutet dies eine enorme Verkehrsbeschränkung für den Handel. So bemüht man sich auch hier, einen bilateralen Tausch zustande zu bringen.
Im Gegenzug zur Lieferung gibt der Belieferte also ein Versprechen ab: A verspricht seinem Tauschpartner B, zu einem späteren Zeitpunkt X am Ort Y das Tauschgut Z als Gegenlieferung herbeizuschaffen. das Versprechen signalisiert die Absicht, reales Gut im Tausch gegen anderes Gut, welches nunmehr sofort zur Verfügung steht, später herzugeben. Es korrespondiert mit Schuldeingeständnis: A hat von B etwas bekommen, das ihm nicht geschenkt wurde. Nun ist er dem B etwas schuldig. Nur noch A als einer der beiden Tauschpartner trägt eine Schuld. Und nur noch B erfreut sich eines Guthabens.
Ein Tilgungsversprechen ist einerseits das Versprechen des Ausgleichs einer Schuld, damit zugleich aber auch das versprechen der Übertragung eines Gutes. Schon bei der Mutation eines Gutes zum Tauschobjekt beobachten wir diesen Doppelcharakter: Schuld und Gut in einem zu sein (siehe Abschnitt 2). Tilgungsversprechen in ihrer Rolle als Tauschobjekte bilden hier keine Ausnahme. Sie beziehen sich nicht auf zwei Sachverhalte, sondern nur auf einen, aber einen mit zwei Seiten. Ein Schuldausgleich ist nämlich immer zugleich eine Güterübertragung. Schuldenausgleich oder Güterübertragung sind die beiden Komponenten ein und desselben Tilgungsvorgangs. In seiner Rolle als Tauschobjekt ist also auch ein Tilgungsversprechen Gut und Schuld in einem.
An die Stelle der beim bilateralen Realientausch unmittelbar erfolgenden Schuldenabtrag durch die Übertragung eines realen Gutes tritt nun das bloße Versprechen, dies irgendwann irgendwo einmal zu tun. Eine Tilgungsversprechen bezieht sich auf etwas, das erst noch getan werden muss. Darin dokumentiert sich eine temporale Komponente - in Form eines Zukunftsbezugs. (ein Tilgungsversprechen ist "ein Versprechen auf eine Gegenleistung in der Zukunft", Jürgen von Hagen und Johann Heinrich von Stein, 2000). Auf den für die Geldtheorie sehr wichtigen Zukunftsbezug der Tilgungsversprechen komme ich später noch einmal zurück (in Abschnitt 6, 7 und 14).
Interessant bei dem Ersatz eines realen Tauschobjekts durch ein bloßes versprechen ist, dass die dem Tausch eigene "Symmetrie" nur vorgestellt, nicht aber wirklich vollzogen ist. Als Sachgütertausch ist der mit Hilfe des Versprechens erfolgte Tausch unvollendet geblieben. Die Ergänzung zur "Symmetrie" wird durch eine Zwischenzeit und einen Zwischenraum getrennt gedacht. Der eine (reale!) Leistungstransfer wird vom anderen (realen!) zeitlich und räumlich abgekoppelt. Durch die Zeit- Und Raumkomponente (wobei letztere oft vernachlässigt wird und auch vernachlässigt werden darf) ist die doppelte Transaktion des Tausches - als Sachgütertausch -aufgebrochen. Dennoch wird der Tausch durch Hinzunahme eines bloßen Versprechens als vollendet betrachtet, seine Bilateralität als gegeben angenommen.
Die Tauschpartner haben sich auf eine "provisorische Bereinigung" (Josef Schumpeter, 2008) der verbleibenden Schuld geeinigt. Damit der Tausch jetzt schon einmal abgeschlossen werden kann, bedarf es des Versprechens. der Tausch wird als abgeschlossen behandelt, und zwar unter Hinzunahme eines eher seltsamen Tauschobjekts, nämlich des Versprechens. Hier könnte der Eindruck entstehen, es läge gar kein "richtiger" Tausch vor. Oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als handle es sich um eine Schenkung.
Mite der Abgabe des Tilgungsversprechens ist die doppelte Transaktion des Tausches - als sachgütertausch - zwar aufgebrochen. Mit Hilfe eines solchen Versprechens kann aber, sofern es statt eines realen Gutes akzeptiert wird, ein ansonsten unvollendet gebliebener Tausch vollendet werden. Das Tilgungsversprechen stellt gewissermaßen die Gegenleistung dar für den bereits real geleisteten Teilakt des Tausches. Nicht also mit einer realen Leistung - als Gegenleistung für das bereits Geleistete - wird hier gehandelt, sondern mit einer bloßen Bekundung.
Ein Versprechen als Tauschobjekt ist kein Gegenstand im Sinne eines realen Tauschguts. Es ist ein rein geistiges Gebilde, d.h. es ist "immateriell". - Es kann also auch mit immateriellen Tauschobjekten die Bilateralität eines Tausches hergestellt werden. Allerdings: Die Fragilität solcher Bilateralität ist nicht zu übersehen (hierzu mehr in Abschnitt 4, 7, und 12).
Ein Tauschvertrag, bei dem ein bloßes Versprechen als Tauschobjekt fungiert, kann natürlich nur zustande kommen, wenn der Empfänger des Versprechens an die Realisierung des Versprechens glaubt. Konstitutiv für das Zustandekommen eines solchen Tauschgeschäfts ist der Glaube des das Versprechen empfangenden Tauschpartners an dessen künftige Einlösung. An die Realisierung von Versprechen glaubende Menschen nennt man Gläubiger. Ihnen stehen die Schuldner gegenüber, nämlich jene, die die Versprechen abgeben und die in Rede stehende Realisierung des Versprechen schulden. Der Handel entlehnt die Fachbegriffe Gläubiger und Schuldner aus dem Italienischen bzw. Französischen: Kreditor/Krediteur und Debitor. Der Schuldner hat beim Gläubiger Kredit. das Wort "Kredit" ist hier noch in einem ganz ursprünglichen, prämonetären Sinne zu verstehen.
Der einen Zahlungsaufschub akzeptierende Sachgutlieferant ist Krediteur ersten Grades (Im Unterschied zu den Krediteuren zweiten Grades; hierzu mehr in Abschnitt 7).
Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass die oft vernommene Redewendung "Geld ist jede Form von Kredit" nicht zu rechtfertigen ist. Sie verweist zwar irgendwie auf das Geld einer Kreditgeldwirtschaft, geht aber am Kern der Sache vorbei. Inwiefern? Wenn innerhalb eines Tauschgeschäfts ein Leistungslieferant seinem Gläubiger die Gegenleistung kreditiert, fließt ja eben kein Geld. Es erfolgt hier eben gerade keine Bezahlung. Denn Kreditierung bewirkt Zahlungsaufschub. Geld aber bewirkt eine Bezahlung. Geld kann also nicht erklärt werden, indem man es schlichtweg als Kredit definiert. Es erwächst (!) aus Krediten und darf deshalb "Kreditgeld" heißen. Zur Verwirrung trägt bei, dass "Kredit" oft mit "Darlehen" gleichgesetzt wird (hierzu mehr in Abschnitt 8).
Mit der Erörterung der Tauschvorgänge und den dort vorgefundenen Tilgungsversprechen sind wir dem Wesen des Geldes schon um einiges näher gerückt. Mit dem Gebilde "Tilgungsversprechen" ist nämlich - wie wir sehen werden - die Hauptkomponente der in Abschnitt 1 formulierten Gelddefinition verortet. Noch aber fehlen wichtige Komponenten.
Doch mehr dazu in Abschnitt 4.
Bis dahin, einen schönen Abend.
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