Warum funktioniert unser Rechtssystem nicht? Teil 2

in #deutsch6 years ago

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Im ersten Teil
https://steemit.com/deutsch/@zeitgedanken/warum-funktioniert-unser-rechtssystem-nicht
habe ich den analysierten roten Faden aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland grob umrissen. Doch zu diesem Umriss gehört eine Geschichte, die im Jahre 1999 begann.

Wie ich im ersten Teil schon angedeutet habe, unterliegt eine juristische Aufarbeitung von Geschehnissen rund um das Grundgesetz einer Mammutaufgabe.

Im Jahre 1999 war das voranschreiten noch nicht so weit gediegen, wie es sich ab dem Jahre 2008 herauskristallisierte. 1999 war man noch im Irrglauben, dass es eine unabhängige Justiz geben würde. Diese Naivität hatte aber auch einen positiven Effekt, nämlich noch kritischer und intensiver zu untersuchen, nachdem man seiner eigenen Naivität überführt wurde.

Aber seht selbst.

Eine Geschichte die spannender nicht sein kann: Der Krieg um das Recht, gegen einen Leviathan, der das Recht selbst gesetzt hat!

Mit diesem ersten Teil der Beweisführung soll der Versuch gestartet werden, ein komplexes Thema, eine Faktendokumentation, auf ein Minimum einzustampfen. Sollten sich daher Fragen ergeben, die aus diesen Texten entstehen, dann sei dem Leser versichert, dass auch diese umfangreich nachgewiesen und beantwortet werden können (immerhin befasse ich mich mit diesem Thema bereits seit über 20 Jahren, da kommt schon was zusammen). Eine Dokumentation soll und muss vollständig sein (Auf jedenfall eine wissenschaftlich empirische), was aber in einem Artikel - auf Grund der Masse - nur schwer zu erfüllen ist.

Dieser Artikel beleuchtet anhand realer Verfassungsbeschwerden die Aktivitäten des Bundesverfassungsgerichts in seiner Eigenschaft als Pate der Parteien. (Möglicherweise wäre die Verleihung des Titels Bundesrechtsbeugungsgericht angemessener.)

Anmerkungen:

  1. Die nachfolgend erwähnten Beschlüsse des BVerfG können unter www.bundesverfassungsgericht.de, Entscheidungen, aufgerufen werden.
  2. Die nachfolgend erwähnten Paragraphen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bedürfen eines gesonderten Artikels um ihre Wirkung zu erläutert, dies würde diesen Artikel deutlich sprengen.

Faktisch feststellbar ist jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Eigenschaft als Pate der Parteien dient.

Nun zur Historie.

Am 16. Dezember 1999 wurde auf der Grundlage wesentlicher Punkte einer beigefügten Wahlanfechtung der Bundestagswahl eine Verfassungsbeschwerde gegen das Bundeswahlgesetz eingereicht. Aktenzeichen 2 BvR 401/00. Moniert wurde besonders der Verstoß gegen das Grundrecht Art. 3 Abs. 3 GG und die unterschiedliche Wertigkeit von Wählererst- und Wählerzweitstimme. Auch die Teilnahme von Parteien an Wahlen wurde beanstandet.

Bereits durch die Gerichtsverwaltung wurde rechtswidrig versucht, die Beschwerde zu unterdrücken: Sie wurde als Justizverwaltungsangelegenheit eingestuft und mitgeteilt, „dass die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Ausschlussfrist ist, bei deren Versäumung - gleich auf welchen Gründen diese beruhen mag - es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt.“

Paragraph 93 Abs. 3 BVerfGG lautet: „Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt (das Wort soll hier genauestens Beachtung finden „Hoheitsakt!!!“), gegen den ein Rechtsweg nicht offen steht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlass des Hoheitsaktes erhoben werden.“

Im Klartext bedeutet diese Bestimmung, dass selbst ein Gesetz, welches gegen die Vorgabe Art. 19 Abs. 2 GG, „In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden“, verstößt, also Grundrechte verletzt und gegen das es - konträr zur Vorgabe durch Artikel 19 Abs. 4 GG - keinen Rechtsweg gibt, nur innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten des Gesetzes angegriffen werden kann. Der Hinweis an das Gericht, dass § 93 Abs. 3 BVerfGG eine grundgesetzwidrige Bestimmung ist, wenn dadurch bewirkt wird, dass Grundrechtsverletzungen durch ein Gesetz nach Ablauf von einem Jahr nicht mehr moniert werden können, blieb wirkungslos: Mit Beschluss vom 29. Mai 2000 wurde „gemäß § 93 b in Verbindung mit „93 a BVerfGG ... einstimmig beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.“ Begründung: Keine.

Das Bundesverfassungsgericht als Wahrer der Verfassung? Keine Spur. Vor allem dann nicht, wenn vollkommen losgelöst vom Grundgesetz gerichtsmäßig der Totschlag an Verfassungsbeschwerden mit dem Inhalt gegebener Grundrechtsverletzungen praktiziert wird.

Die Abweisung der Beschwerde erfolgte wie aufgezeigt auf der Grundlage der §§ 93 b und 93 a BVerfGG. In § 93 b BVerfGG ist bestimmt: „Die Kammer kann die Annahme der Verfassungsbeschwerde ablehnen oder (...) annehmen.“ Der bereits erwähnte Paragraph 93 a BVerfGG bestimmt weiter: „Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.“ Und: „Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, soweit ihr grundsätzliche Bedeutung zukommt.“

Das heißt, das Bundesverfassungsgericht kann auf der Grundlage von dem Grundgesetz nachrangig gestellten Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, welche ihm durch den von den Parteien beherrschten Gesetzgeber zur gefällig(st)en Benutzung an die Hand gegeben wurden, nach Gusto entscheiden, ob es eine Beschwerde annimmt oder nicht.

Diese Entscheidungen können vollkommen losgelöst von
dem Amtseid der Richter - „Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter allezeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland getreulich wahren (...) werde.“ (Helmut Kohl lässt grüßen! - oder haben die Richter ihm beigebracht, wie er „es“ machen muss?) - der Vorgabe aus Art. 1 Abs. 3 GG - „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbare geltendes Recht.“ - der Rechtswegegarantie Artikel 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG - „Das Bundesverfassungsgericht entscheidet ... über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte (...) verletzt zu sein.“ - getroffen werden. Besonders von Entscheidungen im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG kann ggf. wohl keine Rede sein, wenn die Richter sich der Entscheidung entziehen, indem sie auf der Grundlage von Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Beschwerden erst gar nicht zur Entscheidung annehmen.

Da im Grundsatz nicht sein kann, was nicht sein darf, nämlich dass Verfassungsrichter das Grundgesetz bei ihrer Rechtsprechung ausgrenzen, wurde mit Datum 25.11.2000 eine Beschwerde eingereicht mit der Zielsetzung, u. a. die Bestimmung § 93 a BVerfGG für rechtswidrig erklären zu lassen, welche dem Gericht das Recht zur absolut willkürlichen Annahme von Verfassungsbeschwerden einräumt.

Die Beschwerde Az. 1 BvR 2233/00 in Sachen des § 93 a BVerfGG u. a. wurde am 09.01.2001 auf der Grundlage eben der angegriffenen Bestimmung § 93 a BVerfGG abgewiesen. Begründung: Keine, obwohl im Fall auf der Grundlage des § 24 BVerfGG wenigstens eine Begründung zu erteilen gewesen wäre.

Wohl kein Schelm, der hier der Richterbank - beteiligt der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier, daneben die Richter Haas und Hohmann-Dennhardt - wenigstens dubiose Absichten unterstellt. Vor allem aber bezeugt die Rechtsprechung, dass die Bestimmung § 93 a BVerfGG dank Richterrecht nicht einmal mehr der Kontrolle durch grundgesetzliche Bestimmungen unterliegt. Ihr kommt somit die Funktion eines Fallbeiles zu, mittels der vom Bundesverfassungsgericht nach Belieben Verfassungsbeschwerden guillotiniert werden können (und werden). Die Folge: Zur Aushebelung der Rechtswegegarantie Artikel 19 Abs. 4 GG - und damit jeglicher Grund- und staatsbürgerlichen Rechte des Bürgers - bedarf es gar nicht der Bestimmung § 93 Abs. 3 BVerfGG, sie kann durch § 93 a BVerfGG jederzeit und vollkommen willkürlich nichtig gestellt werden.

Ungeachtet der Abweisung der gegen das Bundeswahlgesetz gerichteten Beschwerde 2 BvR 401/00 wurde am 10.05.2001 eine neuerliche Beschwerde dagegen eingereicht. Auch diese Beschwerde - Aktenzeichen 2 BvR 884/01 - wurde vom Gericht auf der Grundlage der bereits bekannten Formel abgewiesen, diesmal jedoch mit Begründung. Es ist ausgeführt:
„Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Regelungen des Bundeswahlgesetzes, soweit sie die Wahl nach Grundsätzen mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl sowie die Teilnahme politischer Parteien durch die Einreichung von Landeslisten vorsehen.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG), denn ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Sie ist offensichtlich unzulässig, weil - soweit der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde durch Nennung der angegriffenen Vorschriften begründet hat - die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG versäumt ist.“

Gegebener Fakt in Sachen Bundeswahlgesetz ist jedoch, dass der Gesetzgeber nirgends bestimmt hat, dass gegen dieses Gesetz der Rechtsweg nicht gegeben ist. Das heisst, die am Beschluss beteiligten Richter Limbach, Jentsch und De Fabio haben hier tatsächlich bar jeglicher gesetzlicher Vorgabe und konträr zu Artikel 19 Abs. 4 GG per politischer Rechtsprechung einen Antrag auf Behebung von Grundrechtsverletzungen per willkürlich behaupteter Verjährung unterdrückt. Zusätzlich dazu wurde die Beschwerde mittels des Fallbeils “§ 93 a Abs. 2 BVerfGG” als ohne “grundsätzliche Bedeutung” gewertet: Exitus!

Rechtsbeugung!? Ein Fremdwort in Richterkreisen?

Nutznießer: Einzig und allein die Parteien.
Verlierer: Die Demokratie (was auch immer darunter praktiziert wird), das Grundgesetz, die Grundrechte der Bürger - und damit die gesamte Gesellschaft in diesem Rechtskreis, mindestens der unparteiische Teil davon.

Bereits die willkürliche Bestätigung der Gültigkeit der vom Gesetzgeber nirgends bestimmten, deshalb ungültigen „Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG“ als über dem Grundgesetz stehendem Recht bewirkt in Bezug auf das Wahlrecht, dass zum Beispiel Jungwähler, die sich ebenfalls in ihrem Recht auf freien Zugang zu jedem regulären Abgeordnetenmandat behindert fühlen, nie in der Lage sein werden, diese sie in ihren Grundrechten verletzende Bestimmungen anzugreifen. Schlimmer jedoch, noch nie in der Lage dazu waren. Begründung: Die gesetzliche Bestimmung hätten sie wegen der Jahresfrist bereits angreifen müssen, als sie noch gar nicht geboren waren!

Das bedeutet, dass die jedem Bürger mit der Geburt zugewiesenen Grundrechte real nur noch bedingt zur Verfügung stehen und permanentem Schwund ausgesetzt sind. In welchem Zustand die Grundrechte überhaupt noch gegeben sind, wie umfassend sie noch wirkliches Recht darstellen, weiß niemand. Sie sind zum Beispiel eingeschränkt durch Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes oder des Bundeswahlgesetzes, können heute oder morgen durch ein weiteres Gesetz weiter reduziert werden. Nur soviel ist sicher: Je später ein Bundesbürger geboren wird, um so weniger sind bei der Geburt seine Grundrechte intakt - dank Richtern am Bundesverfassungsgericht.

Anmerkung: Dass das Gericht auch Beschwerden in Sachen Grundrechtsverletzungen aushebelt, die innerhalb der Jahresfrist eingereicht werden, kann gesondert belegt werden, denn dieser Test wurde ebenfalls durchgeführt. Als Wissenschaftler will man es ja genau wissen.

Im Beschluss 2 BvR 884/01 wurde vom Gericht abschließend attestiert:
„Dem Beschwerdeführer war eine Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG in Höhe von 200 DM aufzuerlegen. Ein Missbrauch liegt unter anderem dann vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Dies ist vorliegend der Fall. Das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es in der Erfüllung seiner Aufgaben, nämlich grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Gesellschaftsleben und die Allgemeinheit wichtig sind, und - wo nötig - die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen, durch substanzlose Verfassungsbeschwerden behindert wird.“

Zu den „für das Gesellschaftsleben und die Allgemeinheit“ bedeutsamen Entscheidungen zählt das Gericht die Entscheidung, ob auch Apotheken an verkaufsoffenen Sonntagen öffnen dürfen. Angezeigte Verletzungen von Grundrechten zählen nicht zu dieser Kategorie, wenn die Verletzungen durch das Parteien exklusiv die Macht im Staat zuweisende Wahlrecht verursacht sind. Damit haben die Richter auch zielgerichtet, wie unterstellt werden muss, verhindert, entscheiden zu müssen, ob zum Zeitpunkt der Beschwerde Regierung und Bundestag grundgesetzkonform installiert waren oder nicht.

Diese Sachlage bedeutet für die Gesellschaft insgesamt und trotz seiner Eigenschaft als (eigentlich)Eigentümer des Staates (naja…), dass es sich mit der von den Parteien vollzogenen Entmachtung und Entrechtung mindestens so lange abfinden muss, wie Richter am Bundesverfassungsgericht von Parteien inthronisiert werden und ihre Position zu deren Gunsten dazu benützen, eine grundgesetz- und menschenrechtswidrige Rechtsprechung aufrechtzuerhalten und fortzuschreiben, die qualitätsbezogen allenfalls mit den in der Nazizeit beschlossenen Unrechtsurteilen vergleichbar ist.

Amen.

Nochmal zur Jahresfrist

Das Bundesverfassungsgericht ignoriert auch Beschwerden in Sachen Grundrechtsverletzungen, wenn sie innerhalb der Jahresfrist eingereicht werden.
Im Verfahren 2 BvR 2199/00 wurde beanstandet, dass im Rahmen des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, hier § 641 a Abs. 2 BGB, unabhängige Sachverständige von der Ausfertigung von Feststellungsbescheinigung ausgegrenzt, also mit einem partiellen Berufsverbot belegt wurden. Das Gesetz wurde rechtskräftig am 01.05.2000, die Beschwerde am 27.09.2000 eingereicht, also innerhalb der Jahresfrist. Sie wurde vom Gericht mit der üblichen Fallbeil-Formel „gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG“ ins Jenseits befördert.
Die involvierten Richter Kühling, Jaeger und Hömig haben sich sogar zu einer Begründung der Abweisung der Beschwerde hinreißen lassen: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.“ Worin die Unzulässigkeit der gegen die Verletzung eines Grundrechts gerichteten Beschwerde bestanden haben soll, wurde nicht mitgeteilt. Also sei die Frage erlaubt: Kann es bei angezeigten Verletzungen höchsten deutschen Rechts, den Grundrechten, überhaupt eine wie auch immer zu begründende Unzulässigkeit der Beschwerde geben? Wenn ja, dann bedeutet dies, dass irgendein Gesetz oder eine formale Bestimmung - von wem, bitte? - legitimiert ist, Grundrechtsverletzungen zu dominieren, also die Rehabilitation zu unterdrücken - und damit über dem Grundgesetz stehen würde.
Es ist zu unterstellen, dass die Behauptung von den Richtern vollkommen willkürlich erhoben wurde und jeglicher Substanz entbehrt. Eine Ergänzung zur Beschwerde vor dem EuGHMR, möchte ich dem Leser derzeit ersparen, wobei sich auch hier Ernüchterung bestätigt. Nun aber zurück zur Missbrauchsgebühr, wie gesagt als Wissenschaftler will man es genauer wissen

Dass die festgesetzte Missbrauchsgebühr nicht ohne Widerspruch akzeptiert wurde, war Ehrensache.
Ohne ins Detail gehen zu wollen: Alle Beschlüsse wurden auf der Grundlage des § 8 Gerichtskostengesetz angegriffen. Dieser bestimmt, dass Gebühren, die auf eine unsachgemäße Behandlung der Sache zurückzuführen sind, nicht zu erstatten sind. Ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, welcher das Grundgesetz missachtet, ist, ohne Frage, unsachgemäß zustandegekommen.
Vier der Einsprüche wurden erwidert, abgewiesen, aber nicht etwa vom Gericht. Zum Einspruch in Sachen 2 BvR 1070/01 nahm Präsidialrat Dr. Goetze etwas ausführlich Stellung:
“... der Beschluss der zuständigen Kammer vom 21. August 2001, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93 b BVerfGG), ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG), auch hinsichtlich der ... auferlegten Gebühr.
Unabhängig hiervon hat Ihr Schreiben der zuständigen Kammer vorgelegen. Diese hat keinen Anlass zu einer erneuten richterlichen Entscheidung gesehen, auch nicht hinsichtlich der ihnen auferlegten Missbrauchsgebühr.”
Somit hat das Gericht es nicht für nötig befunden, dem auf einer gesetzlichen Bestimmung basierenden Einspruch, der ja zwingend erst nach Abschluss des Verfahrens erhoben werden konnte, eine angemessene richterliche Entscheidung entgegenzuhalten. Vielmehr wurde die Beantwortung der Einsprüche rechtswidrig an jemanden aus der Verwaltung delegiert, und damit der gestellte Antrag der Behandlung durch den gesetzlichen Richter (Artikel 101 GG) entzogen. Merke: Verfassungsrichter stellen sich nicht willkürlich über Recht und Gesetz, im Fall über das Gerichtskostengesetz, Verfassungsrichter sind das Gesetz!
Der fünfte Einspruch wurde gar nicht mehr erwidert. Folglich wurden die Gebühren auch nicht bezahlt.
Ende November 2001 wurde von der mit der Beitreibung der Gebühren beauftragten Justizbeitreibungsstelle des Bundesgerichtshofs die Zwangsvollstreckung über die gesamten DM 1.000 eingeleitet. Hiergegen wurde vorläufiger Rechtsschutz so lange beantragt, bis das Bundesverfassungsgericht auch in der fünften Sache abschließenden Bescheid erlassen hat. Der Antrag wurde am 08.12.2001 gestellt. Am 12.02.2002 erklärte die Justizbeitreibungsstelle gegenüber dem zuständigen Amtsgericht Kirchheim unter Teck, Az. 2 M 247/02, dass das Vollstreckungsverfahren eingestellt sei und sie das Geld nicht mehr haben wolle.
Nachfolgend zu dieser Erklärung wurde vom Gericht der gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen. Begründung: “Die Gläubigerin hat erklärt, dass Vollstreckungsmaßnahmen derzeit nicht laufen und auch nicht beabsichtigt sind.” Dass diese Aussage auf den Zeitpunkt der Antragstellung - 8. Dezember 2001 - nicht zutraf, wurde ignoriert, Nebenaspekt: Die Gerichtskosten verblieben beim Antragsteller.
Vergleichbar ist dieser Entscheid nur mit folgender Annahme: Ein Bauunternehmer klagt am 8. Dezember 2001 gegen einen Bauherrn auf Bezahlung einer Forderung. Der Bauherr belegt gegenüber dem Gericht nachfolgend, dass er am 12. Februar 2002 die Zahlung geleistet hat. Also beschließt das Gericht: Die Klage wird abgewiesen, der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Begründung: Die Klage des Unternehmers vom 8. Dezember 2001 ist wegen Leistung der Zahlung des Bauherrn am 12. Februar 2002 unzulässig.
Eine solch rechtswidrige Rechtsprechung gibt es in Deutschland nicht, wenigstens gab es sie wohl nicht bis zum Entscheid des Amtsgerichts Kirchheim unter Teck durch die Rechtspflegerin Allinger.
Gegen den Beschluss wurde Widerspruch eingelegt, vor allem deswegen, weil das Gericht die Erklärung der Justizbeitreibungsstelle nicht offengelegt hatte. In zweiter Instanz wurde vom Landgericht Stuttgart nach wahrlich formloser Übergabe einer Bestätigung der Justizbeitreibungsstelle, die Gebühren nicht mehr haben zu wollen, und ohne Offenlegung, unter welchem Aktenzeichen und von welchem Richter die Sache betrieben wird, der analoge Beschluss zum AG Kirchheim erlassen: Wegen der Einstellung der Vollstreckung im Februar 2002 sei der Antrag vom Dezember 2001 unzulässig. Und: Die Kosten werden dem Kläger auferlegt. Aktenzeichen 10 T 180/02, involviert Richterin Harriehausen.
Der Grund für die offenkundig zielgerichtet herbeigeführte Abweisung des Antrags durch beide Gerichte liegt offen: Bei einer positiven Entscheidung wäre sofort ein einklagbarer Rechtsanspruch gegen das Gerichtsorgan Bundesverfassungsgericht entstanden, auch über den fünften Einspruch zu entscheiden.
Der wichtigere Aspekt ist jedoch der folgende. Neben dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde parallel dazu Feststellungsklage gegen das an den Beschlüssen beteiligte Richtertriumvirat Limbach - Jentsch - Di Fabio eingereicht mit dem Ziel, dass nach Zahlung der DM 1.000 Schadenersatz gefordert werden kann. Diese Klage konnte nur durch eine einzige Maßnahme ausgehebelt werden: Den Verzicht auf die Erhebung der Missbrauchsgebühr.
Wohl in Kenntnis dieser Sachlage, wie unterstellt werden muss, war denn auch von der Justizbeitreibungsstelle des Bundesgerichtshofs die entsprechende Verzichtserklärung abgegeben worden, obwohl die Stelle nicht zur Aufhebung von Gebühren berechtigt ist, sondern nur zu deren Einziehung. (Zu prüfen wäre hier durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, ob durch den Verzicht auf die Gebühren zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland seitens der Justizbeitreibungsstelle des Bundesgerichtshofs der Straftatbestand der Untreue erfüllt ist. Spaß beiseite)
Gegen den Beschluss des LG Stuttgart wurde Beschwerde wegen der Kostenentscheidung, aber auch wegen der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung und der Verweigerung rechtlichen Gehörs eingelegt. Daraufhin holte Richterin Harriehausen beim Bundesgerichtshof, der gleichzeitig Gläubiger der Forderung und damit Verfahrensbeteiligter war, Rat ein. Er wurde von jemandem aus der Verwaltung des Bundesgerichtshofs erteilt. Ergebnis: Die Beschwerde wird abgewiesen. Was auch sonst?
Derzeit liegt die Sache beim Bundesverfassungsgericht. Dieses ist wegen der von ihm auferlegten Missbrauchsgebühr selber Verfahrensbeteiligter, da die Justizbeitreibungsstelle des Bundesgerichtshofs ja nur für das Bundesverfassungsgericht die Gerichtskosten einzieht. Dass die Sache vom Bundesverfassungsgericht auf das Abstellgleis dirigiert oder rechtswidrig abgewiesen werden wird, ist sicherlich Fakt.
Die aktuelle, und aus Sicht der Ex-Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Limbach und der noch zu diesem Zeitpunkt aktiven Richter Jentsch und Di Fabio sicher sehr erwünschte Folge ist so, dass es mangels Zahlung der DM 1.000 keinen Rechtsstreit in Sachen Feststellungsklage geben kann. Es sei denn, die Justizbeitreibungsstelle des Bundesgerichtshofs schreitet doch noch zur Tat - aber da sind pflichtvergessene oder auf Anweisung untätige Mitarbeiter der Stelle wohl entschieden vor.
Schade eigentlich, denn so bleibt ein hochinteressanter Rechtsstreit mit dem Inhalt, eine höchstrichterliche Rechtsprechung zivilrechtlich auf Übereinstimmung mit dem Grundgesetz prüfen zu lassen, verhindert.
Aber mal sehen, was die UNO macht. Dort wurde auf der Grundlage des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte Antrag gestellt, die Bundesrepublik Deutschland zu rügen, weil die Rechte aus dem Pakt - z. B. Recht auf mündliche Verhandlung - nach nunmehr dreißig Jahren immer noch nicht in Bundesrecht umgesetzt sind. Aber auch dort wird wohl nur gemauert werden, in der Manier einer geschlossenen Gemeinschaft.

Wie man sieht, kommt man so nicht weiter. Die Gangart muss verändert werden, was ich ab 2008 eingeleitet habe. Irgendwann muss sich ja mal jemand zu diesem Defizit äußern.

Oder Nicht???

In Teil 3 geht es weiter der Krieg ist noch nicht ausgefochten. In der Wissenschaft gibt es einen Grundsatz: Eine in Praxis nachgewiesene empirische Theorie und Erkenntnis hat so lange Bestand und ist gültig, bis das Gegenteil empirisch nachgewiesen wurde. Da sind wir noch nicht, denn der Gegenbeweis ist nicht erbracht.

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