FRÉDÉRIC BASTIAT - DIE STEUER

in #deutsch6 years ago

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Frédéric Bastiat wurde am 30. Juni 1801 geboren und starb am 24. Dezember 1850 an Tuberkulose. Seine schriftstellerische Tätigkeit begann im Jahr 1834.

Aus seiner Artikelserie in
Was man sieht
und
WAS MAN NICHT SIEHT

Hier seine nüchterne Darstellung
über
„Die Steuer „

Haben Sie nie jemand sagen hören:
“Die Steuer ist die beste Anlage, ist befruchtender Tau. Sehen Sie, wie viele Familien sie leben lässt, und folgen Sie in Gedanken ihrem vielfachen Widerhall in der Industrie: Sie ist das Unendliche, das Leben.”

Um diese Lehre zu bekämpfen, muss ich die vorige Widerlegung wiederholen. Die politische Ökonomie weiß wohl, dass ihre Argumente nicht unterhaltsam genug sind, als dass man sagen könnte: Repetita placent. Sie hat das Sprichwort auch für ihren Gebrauch angepasst wie Basile, wohl wissend, dass aus ihrem Munde Repetita docent.

Die Vorteile, die die Beamten dabei haben, ein Staatsgehalt zu beziehen, sind, was man sieht. Das Wohl, das daraus für ihre Lieferanten entsteht, ist wieder, was man sieht. Es springt in die Augen des Körpers.

Aber den Nachteil, den die Steuerzahler erleiden, wenn sie dies alles bezahlen, sieht man nicht, und den Schaden, der daraus für ihre Lieferanten entsteht, sieht man noch weniger, obwohl dies in die Augen des Geistes springen müsste.

Wenn ein Beamter zu seinem Vorteil hundert Sous mehr ausgibt, schließt dies ein, dass ein Steuerzahler hundert Sous weniger zu seinem eigenen Nutzen ausgibt. Aber die Ausgabe des Beamten ist sichtbar, weil sie getan wird, während die des Steuerzahlers unsichtbar ist, weil man sie — leider — verhindert.
Sie vergleichen die Nation mit ausgetrockneter Erde und die Steuer mit einem fruchtbaren Regen. Nun gut. Aber Sie müssen auch fragen, wo die Quellen dieses Regens sind, und ob es nicht eben genau die Steuer ist, die die Feuchtigkeit aus dem Boden pumpt und ihn austrocknet.

Sie müssen sich außerdem fragen, ob der Boden soviel von dem kostbaren Regenwasser erhalten kann, wie er durch die Entwässerung verliert.
Fest steht jedenfalls: Wenn Hans Biedermann hundert Sous für den Steuereintreiber abzählt, erhält er nichts dafür. Wenn nachher ein Beamter diese hundert Sous ausgibt und sie Hans Biedermann gibt, erhält er dafür den Gegenwert an Weizen oder Arbeit. Das Endresultat ist, dass Hans Biedermann einen Verlust von fünf Franc hat.

Es ist sehr wahr, dass häufig, wenn man so will meistens, der Beamte Hans Biedermann einen gleichwertigen Dienst leistet. In diesem Fall gibt es weder auf der einen noch auf der anderen Seite einen Verlust, es gibt nur einen Tausch. Meine Argumentation wendet sich auch nicht gegen öffentliche Dienste. Ich sage das Folgende: Wenn Sie eine Stelle wollen, beweisen Sie ihre Nützlichkeit. Beweisen Sie, dass sie Hans Biedermann durch die Dienste, die sie ihm leistet, das gleiche wert ist, was sie ihn kostet. Aber bemühen Sie nicht — abgesehen von dieser intrinsischen Nützlichkeit — als Argument den Vorteil, den sie dem Beamten bringt, seiner Familie und seinen Lieferanten. Behaupten Sie nicht, dass sie die Arbeit fördert.

Wenn Hans Biedermann einem Beamten hundert Sous für einen wirklich nützlichen Dienst zahlt, verhält es sich genauso, als ob er diese hundert Sous einem Schuster für ein Paar Schuhe gibt. Beide geben und sind danach quitt. Aber wenn Hans Biedermann einem Beamten hundert Sous gibt und dafür keinen Dienst oder sogar Schikanen erhält, ist dies als ob er sie einem Räuber geben würde. Es hilft nichts zu sagen, dass der Beamte diese hundert Sous zum großen Nutzen der nationalen Arbeit ausgeben wird; genauso hätte es der Räuber gemacht; genauso hätte es auch Hans Biedermann selbst gemacht, wenn er auf seinem Wege weder dem ungesetzlichen noch dem gesetzlichen Parasiten
begegnet wäre.

Gewöhnen wir uns also an, die Dinge nicht nur danach zu beurteilen, was man sieht, sondern auch
danach, was man nicht sieht.

Letztes Jahr war ich im Finanzausschuss, denn bei der verfassungsgebenden Versammlung waren die Mitglieder der Opposition nicht systematisch von allen Kommissionen ausgeschlossen. Darin handelte die verfassungsgebende Versammlung weise. Wir haben Herrn Thiers sagen hören: “Ich habe mein Leben damit verbracht, die Menschen der Parti Legitimiste und der Parti Prêtre zu bekämpfen. Seit die gemeinsame Gefahr uns einander näher gebracht hat, seit ich mit ihnen umgehe, sie kenne, seit wir uns vertraulich unterhalten, habe ich gemerkt, dass sie nicht die Monster sind, die ich mir vorgestellt hatte.”

Ja, das Misstrauen übersteigert sich, der Hass schäumt über zwischen Parteien, die nicht miteinander verkehren; und wenn die Mehrheit in die Kommissionen einige Mitglieder der Minderheiten hineinkommen ließe, würde man man vielleicht auf beiden Seiten anerkennen, dass die Ideen nicht so weit voneinander entfernt und vor allem die Absichten nicht so pervers sind, wie man annimmt.

Wie auch immer, letztes Jahr war ich im Finanzausschuss. Jedesmal, wenn einer unserer Kollegen davon sprach, die Versorgung des Präsidenten der Republik, der Minister, der Diplomaten in Maßen zu halten, antwortete man ihm:
“Zu Gunsten des Dienstes selbst muss man gewisse Funktionen mit Glanz und Würde umgeben. So kann man hierfür Leute von Verdienst gewinnen. Unzählige Unglückliche wenden sich an den Präsidenten der Republik, und dies bedeutet, ihn in die peinliche Lage bringen, immer abzulehnen. Eine gewisse Repräsentation in den ministeriellen und diplomatischen Salons ist eines der Räderwerke konstitutioneller Regierungen, etc., etc.”

Wenn solche Argumente auch umstritten sein können, so verdienen sie sicherlich eine genaue Untersuchung. Sie gründen auf dem öffentlichen Interesse, wohl oder schlecht verstanden; und ich meinerseits mache es mir dabei schwerer als viele unserer modernen Catos, die ausgesprochen geizig und neidisch sind.
Aber was meinem ökonomischen Gewissen widerstrebt, was mich für das intellektuelle Ansehen meines Vaterlandes erröten lässt, ist, wenn man zu diesem absurden und immer günstig aufgenommenen Gemeinplatz gelangt:
“Im Übrigen fördert der Luxus der großen Funktionäre die Künste, die Industrie, die Arbeit. Der Staatschef und seine Minister können keine Festlichkeiten und Abende geben ohne das Leben in allen Adern des gesellschaftlichen Körpers zirkulieren zu lassen. Ihre Bezüge zu senken heißt, die Pariser Industrie auszuhungern und im Gegenzug damit auch die nationale.”

Ich bitte Sie, meine Herren, respektieren Sie gnädigst zumindest die Arithmetik und verkünden Sie nicht vor der Nationalversammlung Frankreichs aus Angst, dass sie Ihnen zu ihrer Schande nicht zustimmt, eine Addition ergebe eine andere Summe, je nachdem ob man sie von oben nach unten oder von unten nach oben bildet.

Was! Ich einige mich mit einem Erdarbeiter, dass er mir für hundert Sous eine Rinne auf mein Feld legt. Im Augenblick des Abschlusses nimmt mir der Steuereintreiber meine hundert Sous und lässt sie dem Innenministerium zukommen. Mein Geschäft ist vereitelt, aber der Herr Minister fügt seinem Diner einen Gang mehr hinzu. Wie wagen Sie zu behaupten, dass diese offizielle Ausgabe ein Zuwachs für die nationale Industrie ist! Verstehen Sie nicht, dass hier nur eine einfache Umverteilung von Befriedigungen und Arbeit vorliegt? Ein Minister hat seine Tafel besser garniert, das ist wahr, aber ein Bauer hat ein Feld weniger gut entwässert, das ist ebenso wahr. Ein Pariser Delikatessenhändler hat hundert Sous gewonnen, ich stimme Ihnen zu; aber gestehen Sie mir zu, dass ein Erdarbeiter in der Provinz fünf Franc nicht verdient hat. Alles, was man sagen kann ist, dass das offizielle Bankett und der zufriedene Delikatessenhändler sind, was man sieht, das überschwemmte Feld und der unbeschäftigte Erdarbeiter, was man nicht sieht.

Mein Gott! Welche Mühe muss man in der politischen Ökonomie aufbringen, um zu beweisen, dass zwei und zwei vier sind; und wenn Sie dort angekommen sind, schreit man: “Das ist so klar, wie ist das langweilig!” Dann wählt man, als hätten Sie überhaupt nichts bewiesen.

Dem ist nichts hinzuzufügen

Euer Zeitgedanken

Sort:  

Ich bitte Sie, meine Herren, respektieren Sie gnädigst zumindest die Arithmetik und verkünden Sie nicht vor der Nationalversammlung Frankreichs aus Angst, dass sie Ihnen zu ihrer Schande nicht zustimmt, eine Addition ergebe eine andere Summe, je nachdem ob man sie von oben nach unten oder von unten nach oben bildet.

Tja, die Zaubertricks der politischen Alchemisten sind zeitlos und seit Jahrhunderten dieselben.

Dem ist nichts hinzuzufügen

... außer der Erkenntnis, dass aus dieser Ecke der systemischen Welt weder Änderung, noch gar Rettung, zu erwarten sind.

Hilf Dir selbst, oder Du bist verloren...

Hilf Dir selbst, oder Du bist verloren...

Auch dem ist nicht hinzuzufügen und weglassen kann man auch nichts.

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