Manche nennen es ein Liebesgedicht. Dem möchte ich nicht widersprechen !!!

in #deutsch6 years ago

Wörter wachsen

Nur für dich, ganz allein‘




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Wörter wachsen in mir

Ob sie nun Sinn ergeben
Oder nicht
Sie sind auf jeden Fall
Nur für dich ganz allein’

Das Zimmer
Wie immer
Die Stühle am Platz.
Aufgeräumt und blank geputzt
Kein Staubkorn, das sich getrauen würde
Die Tiefe des Raumes auch nur ansatzweise zu besetzen

Ist es genau so?
Oder doch das Gegenteil?
Es ist mir scheißegal
Vielleicht hat das gemeine Staubkorn
Auch nur die Nase voll vom sterilen Wahnsinn
Und hat sich längst, ganz wo anders einquartiert

Ich sitze nur hier
Und fühle Wörter wachsen
Wörter wachsen ungehemmt
Den Emotionen folgend
Nur für dich, ganz allein’

Ohne jegliche Wachstumshilfen
Oder den Dünger aus keinen Perlen,
Erzeugt in den Laboren
Nie enden wollender Betriebsamkeit

Meine Wörter wachsen auf ganz kargem Boden
Und gedeihen trotzdem ansehnlich
Ich kann nicht länger warten.
Ich gehe hin und pflück' sie augenblicklich

Einzig und allein
Nur ganz allein für dich.

Das Jahr vergangen.
Wie Jahre halt so vergehen.
Monat für Monat
Und mit Tagen
Die besser hätten nie das Licht der Welt erblickt
Der Schmerz, die Trauer
Fast, aber auch nur fast wie weggewischt

Weggewischt von einer Bürste
Mit den extra harten Borsten
Doch diese Borsten haben lediglich die Oberfläche
Von lästigem Ballast befreit
Denn ich spüre noch immer
Wie der Quell der Tränen in mir fließt.

Doch jetzt sitze ich hier
Und fühle Wörter wachsen
Wörter, unbestellt und
Umgangssprachlich kostenlos.
Sie blinzeln neugierig zu mir herüber
Fast provozierend posierend im letzten Sonnenlicht
Das schon die Kraft der Wärme
Auf seinem langen Weg
Durch den Tag verloren hat

Aus welchem Samenkorn
Sie nur stammen mögen?
Spielt auch keine Rolle
Ich kann ihrem Charme sowieso nicht widerstehen

Ich pflücke sie
Ohne die Schere im Kopf.
Stängel für Stängel
Und binde sie zum Strauß.

Gewachsen aus dem Herzen
In voller Pracht
Und nur ganz für dich allein’

Ich hatte Tage verstreichen lassen
Viele Gelegenheiten zu einem versöhnlichen Wort
Erinnerungen ausradiert
Schlechte Angewohnheiten
Mit der gewohnten Ignoranz verteidigt

In die Jahre gekommene Bilder
Wirken langsam verschwommen
Von manchen existiert lediglich der Rahmen noch
Tagträume lassen auf sich warten

Ein weiteres Jahr schreitet weiter voran
Und ich habe, so glaube ich
Den wichtigen Moment verpasst
Als ein, für mich bedeutungslos, erscheinender Tag
Mich einfach nur so angelächelt hat.

Ich sitze hier
Und sehe die Wörter wachsen
Buchstabe für Buchstabe
Mal verschnörkelt, mal geschwungen
Auch die zackig, strammen sind dabei
Ich ärgere mich darüber.
Doch kaum geärgert,
verfliegt der Zorn auch wieder

Die etwas runden,
Mit den klaren Formen
Die mag ich eigentlich besonders gern
Doch den Buchstaben scheint egal
Aus welcher Laune heraus sie nun entstanden
Sie tummeln sich ganz bunt gemischt
In großen und in kleinen Horden.

Andere bevorzugen eher den ganz, ganz kleinen Kreis
Manche stehen trotzig konsequent nur auf Dialog
Aber einen Buchstaben, ganz einsam und allein
Egal welchen Schwung er mit sich trägt
Den werde ich hier vergebens suchen
Ich kann mit ihnen lediglich
Die diese Worte bilden

Worte gepflückt, nur für dich, ganz allein’.

Das Zimmer
Noch immer wie immer
Die Stühle
Selbstverständlich am angestammten Platz
Der Staub probt einen letzten Aufstand
Doch, wie mir scheint,
Zum Wirbeln schon viel zu schwach.
Vielleicht wartet auch nur die Armee der federleichten Körner
Mit dem letzten Aufruf zur Revolution.

Weg mit statisch aufgeladenen Tüchern
Und dem Kleber zum Staubkornmord
Ich schlage mich auf die Seite der Bedrohten
Und summe ein Loblied auf den Staub.

Der Staub, der behutsam und sanft Erinnerungen bedeckt und konserviert
Erinnerungen,die ich mit einem leichten Hauch wieder zum Leben erwecke
Wie zum Beispiel das Lachen, das wir vor Jahren teilten
Eine einfache Geste.
Von großer Bedeutung nur für uns.

Ich kann Worte in die Staubschicht schreiben.
Mal überschwänglich groß
Mal fast versteckt
Kaum noch lesbar oder winzig klein
Doch all die Wörter, die ich wachsen sah
Und voller Stolz geerntet hab für dich
Ich will sie nicht hüten wie einen grandiosen Schatz.

Nein!

Ich schreibe sie alle in diesen Staub.

Nur für dich.
Ganz alleine, nur für dich.

Sollten sie dann plötzlich morgen
Die Lust am Spiel verloren haben
Ich puste einfach drüber
Lasse ganz schnell frische Wörter
Gegen das Vergessen wachsen.

Beim Wachsen schaue ich ihnen dann geduldig zu.
Warte sehnsüchtig auf die Ernte
Um sie dann zu pflücken -
Ganz alleine und

Nur für dich.


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Das ist ein wunderschönes Gedicht, lieber Wolfram!
Hoffe, deine Frau weiß es zu schätzen.
Gleichzeitig ist dieses Liebesgedicht ja auch eine Ode an das Wort. Wenn ich mich nun auf die letzen Verse beziehe, musst du nicht glauben, ich hätte den Rest überflogen. Ich gefällt die Metapher mit dem Fortpusten des in Staub geschriebenen Wortes sehr. Zeigt sie doch die Vergänglichkeit, auch oft Kurzlebigkeit von Wörtern und Gesagtem.
Ich wünsche dir/euch alles Gute,
Christiane

Der dicke Kuss, den ich mir eingefangen habe, war schon mal nicht von schlechten Eltern. Ich frage mich lediglich, welches Karussell ich zum Laufen bringen muss, um den Hauptgewinn einstreichen zu können?
Lose kaufen oder weiter die Angel in den Wörtersee halten?

Liebe Grüße, Wolfram

Wenn ich nur verstünde, was du in diesem Zusammenhang unter Hauptgewinn verstehst, könnte ich mich eventuell äußern ;-)
LG, Chriddi

Ich schmunzele nur genüsslich vor mich hin ....

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