Die Selbständigen und die gesetzlichen Krankenkassen

in #deutsch7 years ago

Alle Jahre wieder wird von den Medien und auch einigen Politikern der Eindruck erweckt, dass sich die Selbständigen und die Klein-Unternehmer von der sozialen Verantwortung drücken würden. Die Realität sieht jedoch anders aus.

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[Bildnachweis: pixabay, CC0]

Mehrheit der Selbstständigen in Deutschland ist gesetzlich krankenversichert

Dabei wird gerne unterschlagen, dass die Mehrheit der Selbständigen in Deutschland in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist [1, 2] und das viele Selbständigen durch die Vorgaben von den gesetzlichen Krankenkassen sehr unfair behandelt werden.

Es wird den Selbständigen pauschal unterstellt, dass die jeden Monat etwas mehr als 2.200 Euro verdienen [3]. Diese 2.200 werden dann üblicherweise als Bemessungsgrundlage genommen... also als Mindestverdienst des Selbständigen angenommen.

Das ist für einen selbständigen SAP-Berater oder IT-Manager kein Problem. Aber für die Kioskbesitzer, für die Paketfahrer, für die Kosmetikerin und für viele weitere ist dieser Verdienst jenseits von der Realität.

Tatsächlich verdient rund ein Drittel der Selbständigen weniger als 800 Euro im Monat.

Dadurch, dass man als Selbständiger auch den Arbeitgeber-Anteil für die Krankenkasse aus eigener Tasche bezahlen muss entstehen schnell monatliche Beiträge, die 400 Euro übersteigen. Das sind dann häufig bei den kleinen Selbständigen dann 30-50% der Nettoeinkünfte.

Hinzu kommt auch noch, dass man als Selbständiger für Einkünfte von den GKVs veranlagt wird, die bei einem Angestellten nicht berücksichtigt werden. Dazu gehören zum Beispiel Mieteinnahmen oder Zinsen.

Nachzahlungen gibt es nur in einer Richtung

Steigen die Verdienste bei einem Selbständigen, dann erhöhen sich sehr schnell seine Beiträge. Dagegen ist nichts anzuwenden. Es ist auch gegen evtl. Rückzahlungen hierbei nichts anzuwenden.

Sinken aber seine Einnahmen, dann dauert es sehr lange bis die Beiträge sinken: bis zum nächsten Steuerbescheid. Rückzahlungen gibt es hier keine!

Hier hat es ein Kommentator im Tagesspiegel gut zusammengefasst:

Das viel gescholtene Finanzamt erhebt seine Steuern nämlich stets nur auf tatsächliche Umsätze und Einkünfte. Und zahlt auch einmal zu viel erhobene Steuern zurück. Die Krankenkassen tun das nicht!

Zoll vor der Tür

Hast du zum Beispiel vergleichsweise gut Verdient als selbständiger Handwerker, dann zahlst du sehr schnell schon den Höchstbeitrag der 650 Euro und mehr pro Monat betragen kann. Wirst du dann krank und kannst gar nicht mehr arbeiten, dann verlangt die GKV dennoch weiter den Höchstbeitrag. [4] Geringer wird er erst ab dem nächsten Steuerbescheid.

Und das kann je nach Situation auch 12 Monate oder später sein.

Wenn du dann in die Schuldenspirale bei der GKV gerätst, wie man auf Cicero nachlesen kann, dann hast du nicht nur die Probleme, dass u.U. kein Arzt dich behandeln möchte, nein die GKV schickt dir dann auch noch den Zoll vorbei, der dich pfändet.

Unter anderem dadurch standen schon im Dezember 2016 die Selbstzahler in den GKVs einem Schuldenberg von sechs Milliarden Euro gegenüber stehen

Das Problem ist vielen Verantwortlichen und Politikern bekannt. Aber wie üblich sieht man im Gesundheitsministerium keinen Handlungsbedarf.

Quellen und weiterführende Links

[1] Bertelsmann Stiftung: Krankenversicherung für Selbstständige: Wie Geringverdiener entlastet werden
[2] ÄrzteZeitung: Selbstständige in der GKV-Schuldenfalle
[3] Tagesspiegel: Solo-Selbständige in der Krankenversicherung "Die Beitragslast ist zu hoch"
[4] Cicero: Wie die Kassen Selbstständige betrügen
[5] VGSD: Wir fordern faire Beiträge für Selbstständige!


Hinweis: auf Busy.org verfasst

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Wenn man als Selbständiger weniger als 800€ im Monat verdient, dann ist man nicht Selbstständiger, sondern Selbstausbeuter !! Und über ein Kranken-Tagegeld kann man den Verdienstausfall ausgleichen. Aber bei den angenommenen 800€ Nettoverdienst lohnt sich das Arbeiten an sich überhaupt nicht. Kann ich nicht nachvollziehen, warum da überhaupt noch einer Malochen geht. Das hat auch nicht mit Stolz zu tun, denn für´s Alter kann man mit solchen Verdiensten auch nichts zurücklegen. Da sollten solche Gering-Verdiener-Selbständige lieber einen "Halbtagsjob" annehmen, zumindest über 450 € verdienen und somit wieder in die Pflichtversicherung der GKV zurückzufallen. Für die anderen, die sollten halt auf etwas "kreativere Buchführung" zurückgreifen, die meisten machen eh eine §4.3 Einnahmen-/Ausgaben-Überschuss-Abschlußrechnung, also Ausgaben künstlich hochfahren ;-) Wenn man zudem weiss, dass Klein-Gewerbe-Betriebe i.d.Regel nur alle 20-25 Jahre eine Betriebsprüfung erwartet, kann ich wirklich nicht verstehen, warum es noch soviele Ehrliche gibt, zumal alle "Größeren" eh bescheissen (z.T. auch legal über Steuer-Gestaltung), der Ehrliche ist also effektiv der Dumme. Dies soll jetzt keine Aufforderung zum "Steuerbetrug" sein, seht es mehr als kreativen Widerstand ;-)

Aber bei den angenommenen 800€ Nettoverdienst lohnt sich das Arbeiten an sich überhaupt nicht. Kann ich nicht nachvollziehen, warum da überhaupt noch einer Malochen geht.

Das wurde doch erreicht, was eigentlich von langer Hand geplant war. Man hat durch jahrelanger medialer Arbeit es geschafft alles was mit Harz 4 zu tun hat so dermaßen zu stigmatisieren, so das Leute lieber für 700-800 Euro netto (sowohl als Selbständige, wie auch als Angestellte) vollzeit arbeiten gehen.

Vlad, das ist aber das Problem "dummer" Leute (Deutscher). Andere Völker die hier leben, haben es sehr wohl verstanden, wie man auch ohne Arbeit sich hier sehr gut aus dem Sozialsystem nährt und labt. Ich persönlich finde dies zwar asozial, aber wie schon gesagt, unser System ist so angelegt, dass der Ehrliche halt der Dumme ist. Kann man Vollzeit als Angestellter für 800€ netto arbeiten gehen ? Du meinst da wohl eher AHrtz IV -Aufstocker, mit Mindestlohn sollten eigentlich mehr rauskommen, auch wenn es oft zuviel zum Sterben und zu wenig zum Leben ist...

Mindestlohn ist 8,50. Wenn man sagen wir mal 150h arbeitet, dann sind das 1.275 Euro brutto. Zieht man die ganzen Abgaben ab, dann landet man schon bei ca. 900 Euro oder drunter. Je nach Steuerklasse.

Wenn man davon ausgeht, dass vielfach getrickst wird, z.B. wenn LKW-Fahrer während verladezeit keinen "regulären" Stundenlohn bekommen oder wenn man den Paketfahrer für den Tag eine feste Stundenanzahl berechnen, aber die in der Regel deutlich länger brauchen etc.

Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Tausende von Bauarbeitern aus Ost- und Südost-Europa z.B. landen über diverse Subunternehmen in Deutschland, schuften und am Ende wird denen kein Lohn ausgezahlt. Ich kenne da einige Geschichten von betroffenen und neulich lief auf ZDF wieder eine Doku darüber. Hier zwei ältere Berichte:

Wie osteuropäische Arbeiter ausgebeutet werden
Arbeiten ohne Lohn: Ausbeutung auf Baustellen

Wenn es um Ausbeutung der Menschen geht, werden viele sehr "kreativ".

Lege noch einen drauf!
Die jetzige geltende Regelung verstösst gegen die Verfassung und das Grundgesetz!
Vieleicht sollten wir mal ne Pedition starten?

Oh Gott, eine Petition... ist das Dein Ernst ? Dann gründe doch lieber einen Arbeitskreis oder eine Kommission :-))) Als ob diese Verbrecher in Berlin & Brüssel überhaupt noch etwas interessieren würde, ausser dass ihre GEhälter und später die Pensionen gezahlt werden... so naiv kann man doch nicht sein...

Das es da ein Problem gibt ist schon bei einigen Landespolitkern angekommen. Das Problem liegt, dass sich das Gesundheitsministerium seit Jahren taub stellt.

Mag sein, dass der Landtag ein wenig bodenständiger ist, aber Oben sticht unten ;-) Und an wirklicher Problemlösung sehe ist seit Jahren garnichts mehr, alle Politiker sind eher Problem-Verursacher ! All die Reglementierungen und der ganze Bürokratismus, der besonders kleine Selbständige erstickt, kann getrost gegen dieWand fahren und mit ihm, seine Repräsentanten, vorher ändert sich hier leider nichts zum Positivem ;-)

Der Verband der Selbständigen hat bereits eine Petition gestartet:

https://www.vgsd.de/faire-beitraege/

Bis jetzt haben knapp 20.000 Leute unterzeichnet. Der Verband macht meiner Meinung nach gute Arbeit, die man auf jeden Fall unterstützen sollte.

Da gibt es eine einfache Lösung!
Wenn Deine Buchhaltung sagt dein monatlicher Gewinn ist nach Abzug der GKV weniger als Dein Anspruch auf Hartz4 - Antrag auf Harz4 stellen!
Dann bezahlt das Jobcenter die nächsten 6 Monate die GKV!
Wenn Du nach 1-2 Monaten wieder genug Gewinn hast einfach wieder abmelden bevor Du an das Jobcenter wieder nachzahlen musst!

Kann zu dieser Lösung nix sagen. Kann mir vorstellen, dass sich viele dafür zu stolz sind. Durch diverse Kampagnen hat man es erreicht, dass die Leute richtig stigmatisiert werden.

Ich bin froh das ich mit diesem "Amt" nie wirklich was zu tun hatte, außer dass ich mal vor etwas mehr als 14 Jahren ankündigen müsste, dass mein Arbeitsvertrag u.U. nicht verlängert wird.

Mir hat es gereicht zu sehen wie die man als Mensch dort vom Amt behandelt wird. Bin jetzt seit knapp 14 Jahren selbständig und bin froh, dass ich mit denen nichts zu tun habe.

Nur vielen bleibt da nichts anderes übrig, denn wenn erstmal Beitragsrückstände da sind gibt es auch keine Leistungen mehr! Da stehen dann selbständige trotz der Versicherungspflicht und der Zusage der Regierung dass jeder in Deutschland versichert ist wenn etwas passiert vor dem Ruin! Es sollte bei Selbständigen wie ja auch bei Arbeitern der Beitrag monatlich nach dem erziehltem Einkommen berechnet werden!

Wichtiges Thema, damit sollte man sich als Selbstständiger unbedingt auseinandersetzen bzw. sich guten Rat holen.

Danke für die Infos Vladimir.

Guter Artikel. Aber das ist mit Sicherheit nicht das einzige was unseren Politikern als Problem bekannt ist. Da gibt es zig andere sachen wo wir ständig belogen und beschissen werden. Hauptsache Kriege machen und Militär aufrüsten. Die Videos von @nuoviso sind da echt der Hammer. Und wir schauen nur zu, oder so gar weg...Wo wird das alles wohl hinführen. Wann stehen wir alle gemeinsam auf und schreien STOP?

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