VieAnna Calling #24 : Majolikahaus – Wiener Jugendstil (Vienna/Austria)
Eine Geschichte der Enteignung.
Die Adresse Linke Wienzeile Nr. 40 im 6. Wiener Gemeindebezirk ist in jedem Reiseführer zu finden. Steht hier doch ein beliebtes Touristenziel, nämlich ein von Otto Wagner in den Jahren 1898 bis 1899 geplantes und errichtetes Wohnhaus im typischen Wiener Jugendstil.
Der Architekt Otto Wagner prägte mit seinen Bauten das Stadtbild des heutigen Wien maßgeblich und wurde neben Gustav Klimt zum wichtigsten Aushängeschild der Wiener Moderne. (Beitrag über Otto Wagner Pavillon am Karlsplatz)
Die Fassade des sechsstöckigen Gebäudes ist mit witterungsunempfindlichen Platten verkleidet. Alois Ludwig, ein Schüler Wagners, hat die markanten floralen Elemente entworfen. Die Keramikplatten stammen von der Wienerberger Ziegelfabrik.
Wagner verband mit dieser Fassadenlösung das Schöne mit dem Nützlichen. Er schätzte die bemalten Kacheln nicht nur wegen ihrer dekorativen Wirkung, sondern auch wegen ihrer Witterungsbeständigkeit und der Möglichkeit, sie leicht zu reinigen.
Bewegte Geschichte
Das Schicksal der früheren Eigentümer interessiert vermtlich die wenigsten Touristen. Schnell ein paar Erinnerungsfotos und weiter geht es ein paar Schritte zum Naschmarkt.
1917 wurde das Zinshaus von Wilhelm Frankl gekauft. Frankl war Besitzer mehrerer Immobilien. Da 1938 den Nationalsozialisten ein Arisierungsverfahren zu langwierig erschien, wurde Frankl kurzerhand für verrückt erklärt. Er wurde entmündigt und mit seiner Familie in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sein gesamter Besitz wurde durch einen Zwangskurator verschleudert. Neuer Besitzer wurde Ferdinand Wöber.
Die Familie Frankl überlebte das Konzentrationslager und stellte nach dem Krieg einen Restitutionsantrag. Das von 1947 bis 1950 laufende Verfahren endete ohne Rückstellung, nicht einmal ein Vergleich konnte erreicht werden.
Da die Familie Wöber kinderlos blieb, wurde das Haus der Caritas, einer katholischen Institution, vermacht. In den 1970er Jahres wurde das Gebäude an das Bankinstitut Creditanstalt verkauft.
In guter Nachbarschaft
Das zeitgleich errichtete Nachbarhaus stellt ein weiteres Beispiel typisch Wiener Jugenstilarchitektur dar. Anders als das Majolikahaus wurde es weiß verputzt und die Fassade mit goldenen Ornamenten von Koloman Moser geschmückt.
Gemeinsam mit einem dritten Jugendstilwohnhaus in unmittelbarer Nachbarschaft sollte das Ensemble Teil eines Prachtboulevards zwischen Karlsplatz und Schönnbrunn werden, der aber nie verwirklicht wurde.
Bisherige Teile der Serie VieAnna Calling:
#01 - #20 eine Übersicht
#21 DC Tower 1 - höchstes Gebäude Österreichs
#22 Campus WU
#23 Wiener Stephansdom - Teil 2
Super, gefällt mir!
@roused
Danke, dass du vorbeigeschaut und einen Kommentar hinterlassen hast :)
Wow, was für wunderschöne Fassaden und was für eine traurige Geschichte dahinter.
Unglaublich wie man mit diesen Menschen umgegangen ist und dann nicht mal ihr Eigentum zurück erstatten, einfach unfassbar.
Aber dennoch sind die Fassaden wirklich ein Kunstwerk.
Danke das du uns die Geschichte dazu erzählst.