Der unsichtbare rote Faden im Leben.

in #deutsch3 years ago (edited)

Sprache und Heimat

"Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt." Humboldt
Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch.
Dass er wahr ist, erlebt man jedes Mal, wenn man in den Urlaub fährt.
Spricht man die Sprache einer Gesellschaft, kann man in sie und ihre Kultur eintauchen. Beziehungen aufbauen, wie es ohne diesen Schlüssel nie möglich wäre.
Als Tourist erlebt man oft nur ein Theater, prepariert und abgestimmt auf seine Bedürfnisse.

Irgendwie hat jener Schlüssel immer mein Leben bestimmt. Mich fasziniert, begeistert, verängstigt, gedemütigt, verekelt und zum Ende doch wieder gepackt.

Bereits als Kind war ich begeistert von Sprachen. Allerdings von ihrer geschrieben Form. Mit neun Jahren beherrschte ich die Hieroglyphen und Runenschriften und tastete mich an das antike griechische Alphabet heran. (heute bekomme ich lediglich noch meinen Namen hin)
Genauso begeisterte ich mich für Latein. Jedoch merkte ich schnell, dass Sprachenlernen etwas komplett anderes ist, als sie zu schreiben. Und damit hatte sich das Thema für mich auch wieder erledigt.

*wer nicht so viel lesen mag, ist mit dem kommenden Absatz und dem letzten bereits allwissend. :)
Es ist letztendlich eine Mischung aus Reisebericht und Vorstellung geworden.

Erste Heimat

Im Jahre 1991 erblickte ich das Licht der Welt und wurde von meinem Vater kreativer Weise Hannes benannt. 95 kam mein Bruder Hans hinterher. Sag doch, kreativ. :)
Wir stammen aus einer kleinen Stadt im Norden Thüringens am Rande des Südharz. Nordhausen.
Es ist eine wunderschöne Gegend. (Fast) Immer warm, im Norden von Bergen umzäunt, welche zum Skifahren und Wandern einladen und im Süden gebettet in eine hügelige Landschaft mit zahlreichen Baggerseen. Also eine sommer- wie wintertaugliche Gegend, aus der man eigentlich nie weg müsste.
Nun, außer dieser Naturpracht haben wir leider nicht so viel zu bieten, an was man die Stadt wiedererkennen könnte.
Jedoch gibt es einen Exportschlager,
einen Echten Nordhäuser: Der Doppelkorn. (und seine 100 Varianten)

Alkohol ist nicht unbedingt das, womit man als Erkennungsmerkmal in Verbindung stehen möchte, aber es gibt ja noch das KZ Lager Dora, in welchem die VZ gebaut wurde. Ebenfalls nichts, um sich zu schmücken, aber positiv denken! Immerhin war Nordhausen mit ihr ein (wenn auch kleiner) Wegbereiter für die Raumfahrt.

Neben all dem haben wir noch ein drittes Markenzeichen. Unser Nordhäusisch.

Und damit komme ich auch zuruck zum leidigen Thema.

Obwohl Nordhausen im nordwestlichsten Zipfel Thüringens liegt, hat unser Deutsch nichts vom Hessisch unserer direkten Nachbarn, vom etwas kantigen Hochdeutsch der Erfurter oder gar vom harten Fränkisch der Südthüringer.
Bei uns sind die Konsonanten sanft und weich, das gruselige R kennen wir nur aus der schwarzen Metall-Szene ala Rammstein und auch die Vokale wiegen sich in entspannter Ruhe, wenn sie denn das Glück haben, betont zu werden.

Von diesem Ohrenschmaus habe ich während meiner Kindheit allerdings nichts mitbekommen.
Weder Bücher, welche mich nachts nicht schlafen ließen, noch die Filme am Abend haben mich mit ihren hochdeutschen Texten auch nur in geringster Weise auf meine fehlenden Kenntnisse des eben diesen aufmerksam gemacht.
Zum Glück übernahm meine Religionslehrerin in der 6. Klasse diese Aufgabe. Sie masregelte mich vor versammelter Mannschaft, da ich, ihrer Meinung nach, nicht in der Lage war, 'Kirche' korrekt auszusprechen (sie hatte natürlich Recht, auch wenn ich sie nicht verstand) .
Im jenem Moment oder besser an jenem Tage wurde Sprache für mich zu einem Graus.
'Wohea soll'n Junge vom Lande ´n wissn, was da Undaschiit dswischn na Gö(a)sche im Doaf mit nem Groitse uf'm Dach un dän Gö(a)schen am Baume im Gaadn is?'
In die eine geht man halt rein und die anderen isst man.
Bei uns frühstückt man auch Müsli mit Möch und kleingeschnittenen Böanen, um 3 gibt's dann Kaffee (hier resistiert seltsamerweise das K) mit Guchen. :)

Nach all dem, insbesondere nach dem Vorfall im Religionsunterricht, hatte sich das Sprechen für mich erstmal komplett erledigt und soweit es ging habe ich es auch vermieden, bis ich mir den unlieben Dialekt komplett abgewöhnt hatte (was dauerte).
Meine Schulzeit beendete ich daher mit lediglich einen Schlüsssel: "meiner Muttersprache" (dialektfrei) ... und einem Notfalldietrich namens "Dorfdenglisch".

Heimat Deutschland

Da ich nach der Schule keine wirkliche Idee hatte, was ich werden will, mich allerdings immer für Medizin interessiert habe, begann ich eine Ausbildung zum Pharmazeutisch-technischen Assistenten.
Schon während meiner Ausbildung musste ich dreimal umziehen. Das war allerdings alles in Thüringen. Wobei gerade die Dörfler des Thüringer Waldes mich vor eine Herausforderung stellten. So begrüßte man mich mit 'Na d kenst j'ach de lib Gods "Rührlöffelchen" ( ich kann mich leider nicht mehr an die Aussprache erinnern) san.' Das war eigentlich eine Ohrfeige für meine Freundin, dass sie mehr kochen solle. Ich brauchte ein ganzes Jahr, um mich wirklich mit einigen unterhalten zu können.

So ging es noch eine ganze Weile weiter. Zur ersten Arbeit zog ich nach Franken, wo wir lustigerweise im 'Ostblock' wohnten. Alles Ossis auf der Suche nach Arbeit im goldenen Süden. Unser Nachbar war der Sachsen Heiko. Oder auch Heigoo.
Das Frankenland und sein Fränkisch gehören für mich definitiv zu den Juwelen Deutschlands, trotzdem war es nichts von Dauer und somit ging es wieder zurück nach Thüringen und ich machte meinen Erzieher.
In dieser Zeit erwachte mein Sprachinteresse von Neuem.

Heimatlos

2017 frakasierte meine bisweilige Lebensplanung und damit meine Definition von Heimat, welche sich in den vergangen zehn Jahren auf meine Verlobte beschränkte.
Den Begriff Heimat an Personen zu binden ist eine leidig schlechte Idee, aber manchmal unvermeidbar.
Es bot jedoch die Möglichkeit, diesen Begriff zu überdenken. Eine davon war die Selbstdefinition als "Europäer" und die verbundene Option, die ewig begeehrten, aber so gescheuten Sprachen wieder ins Auge zu fassen. Spanisch faszinierte mich seit der Gymnasialzeit. Der Schulwechsel aufs Dorf entledigte mich aber dieser Option.
In Folge begann ich mit Kursen auf der Volkshochschule, im Internet und einer Intensiv-Sprachreise von 3 Wochen nach Malaga.
Der wirkliche Neubeginn war jedoch das Sabbathjahr 2018.

Eine echte Heimat - aber nicht meine?

Während diesen Jahres bereiste ich zunächst den Norden Spaniens. Das kleine Asturien rühmt sich seiner gloreichen Historie als Vietnam Europas. Weder die Vikinger, noch die Muselmanen schafften es jemals diese störrischen Asturianer zu bezwingen. Das bedeutet auch, dass sich ihre angestammte Sprache zumindest im Teil erhalten hat. Das "Bable" ist somit ein gesprochenes Relikt. Neben diesem konnte ich zahlreiche Volkstänze und volktümliche Musik bestaunen, welche sie mit allem Stolz pflegen und welche mich zum Grübeln brachten.
Asturien liegt im Norden Spaniens auf Höhe der Alpen. Und genauso sieht es aus. Kühe auf der Alm, Wölfe im Wald und dahinter das Meer. Im Grunde die Schweiz an der Nordsee. Es sieht aus wie Deutschland. Wie ein Deutschland mit Vergangenheit. So etwas kannte ich nicht aus meinem Thüringen.
Ich kenne keine Lieder auf Thüringisch - die Duren herrschten auch nur 1 Jhd., dann wurden sie von den Franken überrannt - ich kenne auch keine Volkstänze oder klassische traditionelle Instrumente der Region (Okay, die Zitar, allrdings war meine Uroma die letzte, die sie zu spielen wusste). Geschweige denn, dass es Trachten gäbe.
Das Erntedankfest, das ist unseres, der Erbesbär ( ein Mann in dickes Stroh gehüllt, der durch das Dorf getrieben wird und das unter knaller Sonne und Alkohol) ist unser. Das wars aber auch. Was ist also Tradition und Heimat? Was haben wir?

Aus Asturien nahm ich mir eine tiefe Berührung für ihr Heimatgefühl und ein paar Brocken Bable mit.
In den kommenden Tagen und Wochen bereiste ich das Zentrum und den Süden des Landes. Je weiter nach Süden man kommt, umso vulgärer und roher scheint die Sprache zu werden. Außerdem neigt man dort zum Verschlucken ganzer Silben und Wortendungen. Im Grunde ein Französisch ohne den edlen Klang.
Auch wenn die Sprache roh ist und man mich mit einem ¨¿Qué tal coño?" (Was geht Arschloch?) zum CouchSurfing begrüßt hat, so ist Malaga doch einer der schönsten Orte mit einer sehr offenen Bevölkerung.
Vielleicht auch deshalb, weil dort wenige Deutsch oder Englisch können und mein Spanisch somit erzwungen wurde.
Alles in Allen hatte ich noch nie eine andere Reise gegangen, in welcher ich so in das Leben der Bewohner eintauchen konnte.
Es bietet einfach ein noch erquickenderes Erlebnis, wenn die Sprache endlich zur Heimat konvertiert.

Wenn man den Schlüssel vergessen hat und die anderen nicht passen

Da Marokko nur eine halbe Stunde von Andalusien entfernt liegt, wagte ich den Schritt.
Die Marokkaner sind beeidruckend und machen ihren Namen als sprachgewandtes Händlervolk alle Ehre. Wenn man durch die Märkte schlendert, kann man das Bingen und Jubeln der Duolingo App an jeder Ecke vernehmen. Sie begrüßen dich auf sovielen Sprachen, bis sie die deine erraten haben. Auch die Kinder.
Bei ihrer Geschichte ist das alles aber auch kein Wunder. Die Berber wurden schließlich von den Arabern überrannt und die Araber von den Franzosen. Viele sprechen daher alle Sprachen, allein schon, um im eigenen Land zu kommunizieren. Wobei die Beziehungen zwischen den Gruppen jenen der Sprachen gleichen.
Der Araber (Araber hier als Synonym für arabisch-sprachige Bevölkerung) mag die Franzosen nicht und der Berber die Araber noch weniger.
Allerdings, auch wenn ich mich mit ihnen auf Spanisch und wenn es sein musste, Englisch verständigen konnte, so blieb ich doch immer nur der Tourist, der in ihr Land eindringt, um Geld dazulassen. Ein wirklich deprimierendes Gefühl, wenn man gerade erst die Definition Heimat auf Spaniens Sprachraum erweitert hatte und dachte das klappe 1 zu 1 mit den angrenzenden Ländern.

Zweite Heimat

In all dieser Zeit übte ich mein Hörverständnis täglich mit Musik. Unter all den vielen hispano Gruppen stieß ich auf " La pulquería", die stets das "querido México" besang. "ía" ist eine typische Endung für Schenke oder Laden. Cervezería ist beispielsweise die Bierschenke. Was Pulque war, wusste ich jedoch nicht.
Ich suchte im Netz und stieß auf eine Art Bier aus Agave, welches auf Grund seiner Eigenschaften nicht exportiert werden kann.
Das war mein Grund nach Mexiko überzusetzen. Ein alkoholisches Ferment. ( Die Mexikaner sind immer zwischen Stolz und Fremdscham gefangen, wenn ich ihnen den wahren Grund für meine erste Mexikoreise gestehe. Verständlich.)
Nun, dieses Getränk wird in sehr traditionellen Bars verkauft. Traditionell in jeglichem Sinne. Die Dekoration ist bunt und/oder rustikal, die Musik laut, die Sprache benebelt und grob und das Klientel ist tief im Gespräch, Gelächter, Gesang oder dem (5Liter) Eimer Pulque versunken.
Eine Besonderheit auf den mexikanischen Partys ist nicht nur der Tanz, den jeder kennt, sondern auch das Spiel. So kommen regelmäßig fahrende Händler vorbei, die mit zwei Dioden und einer LKW Batterie bewaffnet sind. Das Spiel funktioniert sehr einfach. Alle in der Bar (oder Tisch) nehmen sich bei der Hand. Einer bekommt die Minusdiode, einer die Plus. Dann dreht der Spielleiter langsam und mit schämischem Grinsen den Strom auf. Wer zuerst loslässt muss die nächste Runde bezahlen.

Damit ich hier nicht noch weiter auslade, mache ich einen kleinen Schnitt und fasse mich kurz.
Mexiko hat mich in den 2 Monaten, die ich hier war, gefangen. Sowohl das Land, als auch seine Bewohner, die Kultur, die Sprache (welche einfacher ist, als das iberische Spanisch) und seine Traditionen. Letztendlich war es Mexiko (und Asturias), welches mit all seinem traditionsbewusstsein und Stolz das Interesse an meinem eigenen Heimatland Deutschland und vor allem auch an der deutschen Sprache geweckt hat.

Nach einem Kurzaufenthalt von einem Jahr in Deutschland bin ich wieder nach Mexiko zurückgekehrt.
Hier arbeite ich nun, so skuril es auch klingen mag - wollte ich doch nie mehr auch nur einen Schritt in eine Schule setzen - an der Uni, als Lehrer, für Sprache.
Hier habe ich geheiratet und eine zweite Heimat gefunden. (An der Aneignung der hiesigen Kulturtechniken arbeite ich noch ;) )

Und vor zwei Monaten habe ich dann diesen schönen Blog @DeutschUnplugged entdeckt. :)
Ich freue mich sehr dabei zu sein!

(Bilder folgen sobald ich weiß, wie das geht... und ich sie gefunden habe)

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Moin Hannes!
Boah, wie ich mich freue!

Ein Glück, dass du unseren Community-Account erwähnt hast, nur so ist dein Beitrag mir aufgefallen.

Aaaalso..... Ich gehe ml davon aus, dass du eigentlich direkt in der Community posten wolltest. Wenn ja, folgst du der Anleitung, die ich dir gleich anbiete. Wenn nein, solltest du die Hashtags etwas editieren, um besser wahrgenommen zu werden.

Diesen Post editierst du dann (z.B. so): "Ups, sorry, Anfängerfehler, meine Vorstellung liest du hier..." - und verlinkst (einfach Browserzeile einsetzen) deinen NEUEN Beitrag.
Bilder? Klick im Editor auf die Stelle, wo ein Foto hin soll und ziehe es einfach rein (einfachste Version).
Bei der "restlichen" Formatierung helfen wir dir nach und nach... ;-)

Du wirst in DU gefeiert werden... :-))

Alles Weitere morgen oder übermorgen (habe gerade viel zu tun). Lauter Gezirm... ;-)

LG Chriddi 😴

Tausend Dank für die Hilfe!
Das war mein erster eigener Eintrag und die Mechanik ist mir komplett neu. Was mich vor allem wunderte waren die Hashtags. Ich hab keine Ahnung, wo das Zeichen auf der spanischen Tastatur, zu finden ist, geschweige denn, wie man so viele eingeben soll, wenn die Tagzeile auf 24 Zeichen limitiert ist.

Ich folge mal deinem Leitfaden.

Gute Nacht! Lass dich von so viel Gezirm nicht überwuchern :)

LG

Sehr willkommen auch (nachträglich) von mir!
;-)

Hier mein erstes Fragezeichen:
Woher stammt dein Humboldt-Zitat?
Ich kann viele Einträge finden, die das auch als ein Wort von Humboldt behaupten, aber ich habe noch keine konkrete Quellen-Angabe (Publikation, Brief, ...) dazu finden können.

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951).

Dieses Zitat (aus dem „Tractatus Logico-Philosophicus") stellt die Sache ja quasi von der anderen Seite des Spiegels gesehen dar...

...aber darauf bin ich jetzt nur gestoßen, weil ich den Humboldt partout nicht finden konnte! (Ausrufungszeichen als Bitte-um-Hilfe-Signal)

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