Geschichte Wiens 1: Römerlager Vindobona

in #deutsch6 years ago

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1. Vor- und Frühgeschichte

Wien wurde schon relativ früh, seit der Altsteinzeit, besiedelt. In einer Grabung von 2014/2015 auf dem Rochusmarkt (Wien, 3.Bezirk) fand man Reste eines jungsteinzeitlichen Langhauses von ca. 5500 bis 5000 v. Chr., Nachweis für die erste Siedlung sesshafter Menschen in Wien. Es wurde auch Hornstein in Wien bergmännisch im Tagbau gewonnen, ein damals begehrtes Material für die Steinwerkzeuge. Um 3000 v. Chr. erschien die angebliche Donau-Kultur, später kamen die bronzezeitliche Urnenfelderkultur und die eisenzeitliche Hallstattkultur (ab 800 v. Chr.) nach Wien, und im 1. Jahrhundert v.Chr. wurde Wien vom keltischen Stamm der Boier besiedelt (von Boier könnten sich eventuell die Namen Böhmen und/oder Bayern abgeleitet haben).

2. Das Römerlager

Kurz nach Christi Geburt errichteten die Römer bei (oder anstatt) der Keltensiedlung Vedunia im Gebiet der heutigen Freyung, nordwestlich des heutigen Zentrum Wiens ein Legionslager, das sie Vindobona nannten und das zunächst nur aus wenigen Holzbaracken für ca. 100 Soldaten bestand. Der Name stammt vermutlich aus dem Keltischen und setzt sich zusammen aus „uindo“ (weiß) und „bona“ (Fluss, Siedlung, Dorf). Die keltischen Bewohner bauten hier Wein an, der auch von den römischen Soldaten geschätzt wurde. Der Ort war strategisch günstig positioniert an der Donau, die als Wasserweg benutzt wurde (die Römer hatten hier auch einen Stützpunkt ihrer Donauflotte) und reichlich Fisch lieferte) und am Schnittpunkt zweier alter europäischen Verkehrsachsen lag, der Süd–Nord-Achse entlang des Alpenrands (Bernsteinstraße) und der West–Ost-Achse entlang des Alpenvorlands. Ziel war, mit diesem und anderen Lagern die Außengrenzen der Provinz Pannonien zu sichern und als Aufmarschplatz für Feldzüge in den Norden zu dienen. Nachdem es um rund 100 n. Chr. befestigt ausgebaut war unter Kaiser Trajan (mit 3m dicken und 10m hohen Außenmauern und mehreren Gräben davor), bot es Platz für ca. 6000 Soldaten (sowie ca. 2000 Angehörige, Knechte und Sklaven).
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Es reichte im Osten bis zur Rotenturmstraße, im Süden bis zum Graben / Naglergasse, im Westen bis zum Tiefen Graben (der damals ein Bach war), und im Norden bis zur Gonzagag. / Schwedenplatz, insg. 400x500m.
1902 bei Bauarbeiten entdeckte Holzpalisadenreihe:
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Südöstlich davon (im heutigen 3. Bezirk) entstand auch eine Zivilstadt, in der zu ihrer Blütezeit (ca. 190-235 n. Chr.) ca. 30.000 Menschen lebten. Handwerker, Händler, Gastwirte, Bordellbetreiber - ein Soldatenlager zog immer einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Region nach sich. Die Kasernen aus Holz wurden um 150 n. Chr. durch Steinbauten ersetzt. Lange Zeit waren Details unbekannt durch die hohe Verbauungsdichte in Wiens Innenstadt. Erst die Bombenschäden durch den 2. Weltkrieg ermöglichten umfangreiche Ausgrabungen im Lagerbereich unter anderem am Hohen Markt. Im Anschluß daran wurde dort 1950 ein kleines, aber feines Museum errichtet, in dessen Keller man z.B. noch die originale Fußbodenheizung eines Tribunenhauses (stellvertretender Kommandant des Lagers) besichtigen kann. Ironischerweise war das erste Römermuseum in WIen, das 1903 eröffnet worden war, 1945 durch einen Bombentreffer zerstört worden.

Vindobon.jpg

Das Bodenniveau zu Römerzeit war übrignes ca. 2m tiefer als heute, da sich seit damals nach jeder Zerstörung eine Schuttschicht gebildet hatte, die eingeebnet wurde und auf die man dann darübergebaut hatte.

Um 180 n.Chr. kam es zu einem Einfall der Markomannen (ein Germanenstamm, der den Römern einiges Kopfzerbrechen verursachte), bei dem angeblich der römische Kaiser Marcus Aurelius hier oder in Carnuntum verstarb – ein früher Vorzeichen der Völkerwanderung. Um 300 n.Chr. wurde aufgrund der ständigen Germaneneinfälle die Zivilstadt aufgegeben und bis 337 wurde das Legionslager zu einer Festungsstadt umgebaut. Die Zivilbevölkerung zog sich komplett hinter die Lagermauern zurück (möglich war das, da die Anzahl der Truppen mittlerweile weit geringer als 6000 war).
Noch bis rund 400 n. Chr. herrschten die Römer hier, bevor sie sich den immer wieder heranstürmenden Horden (Markomannen, Hunnen, Vandalen und anderen) im Zuge der Völkerwanderung schließlich endgültig geschlagen geben mussten und Vindobona weitgehend zerstört wurde. Es gibt Hinweise auf ein katastrophales Feuer zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr.

3. Nach den Römern

Es beginnt eine wenige gesicherte, „dunkle“ Zeit. Zwar waren weite Teile des Römerlagers unbewohnt, es gab aber vermutlich eine kontinuierliche Weiterbesiedelung von Teilen des ehemaligen Römerlagers rund um die Ruprechtskirche bis zum heutigen Hohen Markt, wobei Trümmer als Baumaterial für neue Häuser verwendet wurden. Durch Münzfunde aus dem 6. Jhd. weiß man, dass es auch regen Handel mit z.B. den Byzantinern gab. Kern war dabei der sogenannte Alte Berghof, den die Bewohner als Schutz vor den durchziehenden Stämmen aus dem ehemaligen Lagerbad (Therme) des Römerlagers zu einer provisorischen Befestigung und Fluchtstätte ausbauten, in der sie sich verschanzen konnten, und aus der später eine Burganlage wurde – die Keimzelle des frühen Wien!

Demnächst mehr über das frühe Mittelalter und die wechselhafte Geschichte des Berghofs...

Übrigens: All diese Alltagsgegenstände gab es auch schon vor 2000 Jahren :)
vindobona9999.JPG

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Vindobona
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Wiens
https://www.liakada.net/content/doku.php/blog:roemerstadt_vindobona
Römermuseum Wien, Wien, Hoher Markt 3 - unbedingt einen Besuch wert!
Peter Ryborz, "Unter Wien 2", BoD 2015

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Das nenn ich mal eine Geschichtsstunde 👌
Für Wiener wohl interessanter als für nicht Wiener aber ok, i bin a Weana oiso wos sois? Taugt ma schwer

Dabei habe ich eh´ versucht zu kürzen :) Aber ich finde, es gibt so viel Spannendes in unserer Vergangenheit.

Würde man mal die aktuellen Veränderungen die man unseren Lebensräumen antut so wahrnehmen. Ein Sinneseindruck pro Monat und man wäre erschrocken wie sich doch alles verändert und das in 20 und nicht in 2000 Jahren. Was aber beruhigt ist die Beständigkeit in den Bedürfnissen der Menschen, wie dem Ohren ausputzen :D resteem

LOL, danke fürs resteemen!

Sehr schöner Artikel - bitte mehr davon - Besonders Ur- und Frühgeschichte bis Spätantike - wenn man sich was wünschen darf ;-)

Wie wäre es mit einem Beitrag dieser Art bei der österreichischen Kunst und Kultur-Challenge?
https://steemit.com/austrianac-challenge/@martinamartini/austrian-art-and-culture-challenge-week-2-general-information-and-rules
Leider VP-Mangel momentan, mein altes Übel.

Ja, danke! Hab ich schon in Erwägung gezogen. Wäre es OK, wenn es nicht im Titel aufscheint? Ich plane da eine Serie zu machen (mit einheitlichen Titeln).

Ist völlig ok. Tag wäre die einzige Bitte, wegen der Auffindbarkeit jetzt und später...

Sich mit so einem Metallzeug die Ohren auszuputzen, muss wohl schmerzhaft gewesen sein.

Nur die Metalldinger haben 2000 Jahre bestanden, eventuell gabs auch was aus z.B. Horn oder Holz, ist aber nicht erhalten geblieben - man darf nicht vergessen, dass wir eine stark eingeschränkte und sozusagen verfälschte Dokumentation von früher haben.

Interessant! Da fällt einem auf wie viel man über seine Heimatstadt noch gar nicht weiß :)

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Sehr schöner Artikel!! Werd mir Teil zwei auch noch ansehen. Allerdings wäre es besser #de-stem für die nächsten Posts rausnehmen weil Geschichte kein STEM Gebiet ist.
Tortzdem, super Post! Cheers!

Wußt´ ich nicht, dachte es geht um alle Wissenschaften.

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