Chronobiologie – über die innere Uhr des Menschen
Obwohl der Wechsel von Tag und Nacht klarerweise das Hauptmotiv bei unserem Wach- und Schlafrhythmus ist, gibt es zusätzlich noch eine sogenannte innere Uhr, die unser Schlafverhalten, aber auch viele andere Aktivitäten ((1), siehe Abb.) steuert. Sie liegt im Hypothalamus des Gehirns und wird durch die Menge des einfallenden Lichts beeinflusst (sie liegt direkt an der Kreuzung der Sehnerven, sicher kein Zufall). Bei Wegfall der circadianen Lichtschwankungen hält sie einen annähernden 24h-Zyklus aufrecht (z.B. bei Arbeit in Räumen ohne natürlichem Licht, bei Höhlenforschern oder bei Blinden). Wenn es dunkel wird (oder durch ein autonomes Signal der inneren Uhr) wird von der Zirbeldrüse Melatonin ausgeschüttet, das schlafanregend wirkt. Durch Bildschirmarbeit (oder Smartphone benutzen!) bekommen wir viel Blaulicht ins Auge (dieser blaue Anteil ist konstruktionsbedingt in den Displays enthalten). Dieses Blaulicht hemmt aber die Melatoninproduktion, sodass wir tendenziell später ins Bett kommen und/oder dort dann schlechter einschlafen können (siehe auch Schlafhygiene). Die negativen Effekte des Blaulichts sind hier gut zusammengefasst:
Ich benutze daher vor dem Computer am Abend (und auch sonst, wenn ich viel weißen Hintergrund habe (zB Arbeiten mit Word)) diese Brille, die den Blaulichtanteil stark reduziert. Empfehlenswert ist auch das kleine Programm f.lux (https://justgetflux.com/), das über die Bildschirmeinstellung einen natürlichen Lichtrhythmus simuliert. Das blaue Licht ist aber auch direkt schädlich für die Netzhaut („blue hazard“), und daher ist ein physisches Filter in Form einer Brille vorzuziehen, da mit der Software das blaue Licht des Monitors nur überdeckt, aber nicht verhindert wird.
Die zweite Möglichkeit, seine innere Uhr zu verwirren, sind Reisen mit stark unterschiedlichen Zeitzonen. Es dauert bis zu Tagen, bis sich die innere Uhr an den neuen Tagesrhythmus angepasst hat (das Phänomen ist als Jetlag bekannt).
Läuft bei allen Menschen die innere Uhr synchron? Ganz im Gegenteil! Die Erfahrung zeigt, dass manche Menschen gerne früh aufstehen, und auch entsprechend früh bettreif sind (die „Lerchen“), andere eher gerne lange aufbleiben und dann auch eher lange schlafen (die „Eulen“). Die Verteilung dieser „Chronotypen“ entspricht annähernd einer Normalverteilung (2).
Welcher Typ man ist, ist hauptsächlich genetisch festgelegt, hängt aber auch vom Alter ab: Kleinkinder sind fast immer Lerchen, in der Pubertät entwickelt sich der individuelle Chronotyp, erreicht mit ca. 20 das Maximum und im Alter werden dann die meisten Eulen wieder zu Lerchen.
Eulen haben übrigens unter der Woche (sofern sie berufstätig sind) ein Schlafdefizit, das die meisten am Wochenende (oder sogar in powernaps (Schnellbahnfahrten, etc)) ausgleichen können. Lerchen, die abends zu spät auf waren, sind hier weniger flexibel. Dafür scheinen Lerchen einige Gesundheitsvorteile zu haben. Wieso gibt es dann überhaupt Eulen?
Ein Hinweis könnte sein, dass Eulen eher extrovertiert sind und (angeblich) häufiger wechselnde Sexualpartner als Lerchen haben (3). Ein Chronobiologe meint daher, der Eulentyp habe sich möglicherweise entwickelt, um kurzzeitige Paarbeziehungen zu erleichtern (Lerchenpaare bleiben eher in einer fixen Partnerschaft, gehen früher ins Bett, so bleibt der Abend als Zeit, dass sich die Eulen näher kennenlernen 😊).
Also Eule als spezielle Paarungsstrategie? Vielleicht, aber wesentlich plausibler scheint mir die erstmals 1966 postulierte „Wächtertheorie“ (sentinel theory) zu sein. Da Schlaf unverzichtbar ist, hätten die frühen Menschen- und Menschenaffengruppen ein Problem gehabt, wenn alle gleichzeitig im Tiefschlaf gelegen wären! Die ganze Gruppe wäre sehr verwundbar gewesen, falls sich ein Rudel Löwen angeschlichen hätte. Daher war es evolutionär ein Riesenvorteil, wenn einige in der Gruppe spät abends noch auf waren, um den Schlaf der anderen zu bewachen, andere dagegen (vor allem die Alten) absolute Frühaufsteher, die zu anderer Zeit wachen konnten. Studien an einem nordtansanischen Stamm bestätigen das, bei der untersuchten Gruppe von 33 Menschen war zu 99% der Nacht mindestens einer wach (4). Ein interessantes und eher seltenes Beispiel, wo sich in der Evolution etwas durchgesetzt hat, das dem eigenen Wohl schadet, aber wo das Überleben der Gruppe wichtiger ist.
Die Chronobiologie ist übrigens eine noch recht junge Wissenschaft, aber immerhin erhielten 2017 drei Wissenschaftler für ihre Arbeit an der inneren Uhr den Medizin-Nobelpreis.
(1) https://kurier.at/wissen/neue-erkenntnisse-wie-uns-die-innere-uhr-steuert/289.607.362
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Chronotyp
(3) https://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Ob_Mann_oder_Frau___Eulen__sind_kontaktfreudiger_als__Lerchen_1771015589533.html
(4) http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/royprsb/284/1858/20170967.full.pdf
Pics: http://drsuhas.com/change-your-schedule-change-your-life/
https://www.12amlabs.com/blogs/news/chronobiology-how-blue-light-exposure-affects-your-brain-and-body-health-and-performance
https://de.wikipedia.org/wiki/Chronotyp
http://thesykesgrp.com/onpoint/vocal-variety-spice-outstanding-presentations-secrets-creating-engaging-entertaining-persuasive-speech/presentationboring01/
sehr interessant:) danke für den Artikel.
Ich bin eher eine Eule, aber durch Kind auch am Wochenende gezwungen ein Lerchenleben zu führen :-D was ich aber noch erwähnen muss ist, dass ich jetzt viel besser morgens aufkomme als früher. ich vermute, dass ich jetzt einfach immer den gleichen Rhythmus habe und früher habe ich am Wochenende immer ausgeschlafen und hatte somit eine Art "Mini-jetlag" :-D
Ich bin auch eine Eule - meine Kinder lassen mich aber am Wochenende (meist) länger schlafen :)
Ein weiteres Indiz dafür, dass ein kollektives 9-5 äusserst schädlich ist und man solche "Präsenzzeiten" eigentlich abschaffen müsste... Ich bin wohl eine Lerche, die meint eine Eule zu sein. Scheisse... :P
Schlaflose Nächte, Tagträume am Nachmittag, erhöhter Club Mate Konsum am Abend - ich sollte schon längst tot sein...