Bericht von der Straße - Taxifahrergeschichten

in #deutsch6 years ago

Mein letzter Bericht von der Straße ist doch schon wieder eine Weile her.
In der Zwischenzeit sind wieder einige Sachen passiert, es wird eben nie langweilig auf der Straße. Vor allem in solchen Zeiten, Trinkgeld wird knapp aber man hat noch genauso viele Idioten um sich. Nachdem ich doch wieder ein paar Monate auf der Straße unterwegs bin, muss ich sagen es wird härter.

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Ach die lieben Kollegen


Meistens mag ich meine Kollegen, viele sind freundlich und man kann gut reden, wenn man mal wieder in einer längeren Schlange am Taxistand steht. Man lernt nebenbei noch den ein oder anderen Trick, wird an ein Bordell empfohlen und bekommt so den ein oder anderen zusätzlichen Fahrgast oder es kommt der Anruf das ein Stammgast ein Taxi braucht aber man selbst gerade nicht kann. Ich würde sagen einer der wichtigsten Gründe warum ich diesen Job mache sind die Kollegen.
Aber es gibt auch schwarze Schafe. Vor ein paar Tagen bin ich kurz vor dem Ende einer beschissenen Schicht, einem Selbstmordkandidaten, am Aufseßplatz vorbeigekommen, dort winkt mir ein Mädel um die 20 zu, verheult und am zittern. Die erste Frage von ihr war, ob ich sie wirklich heimbringen kann. Anscheinend hat ein Kollege keine Ahnung gehabt wie er von Schwabach in die Nürnberger Nordstadt kommt und das arme Mädel irgendwann einfach Mitten in der Südstadt ausgesetzt, sich bezahlen lassen und ist zurück gefahren. Ich glaube ich habe noch nie einen so glücklichen Menschen gesehen wie sie, als wir in die Straße ihres Elternhauses eingefahren sind, sie war so froh zuhause zu sein das sie sich noch bedankt hat und glatt vergessen hat zu zahlen. Anfangs viel es mir auch nicht auf, habe mich noch zu sehr über den Kollegen ärgern müssen, wir haben schon nicht den besten Ruf und dann müssen solche Deppen ihn weiter ruinieren. Nach vielleicht fünf Minuten in denen ich mit meinen Chef geschrieben habe, ob man da irgendwas machen kann, wenn mir das nächste Mal sowas passiert, klopft es auf einmal an der Scheibe. Sie ist zurück gekommen und zeigte mir 30 Euro in ihrer Hand, in diesem Moment wurde mir klar dass ich vergessen habe das Geld einzukassieren. Ich bekam das Geld und mir wurde gesagt es passt so. Gut immerhin waren 1,40 Trinkgeld dabei, mein einziges Trinkgeld in dieser zwölf Stundenschicht. Mindestlohn für 12 Stunden und 1,40 Trinkgeld sind doch ein schönes Gehalt.


Sorben – die Ureinwohner Sachsens


Wir hatten in letzter Zeit die Spielzeugmesse in Nürnberg, Messe ist was Schönes, viele Kunden und oft gibt es gutes Trinkgeld. Außer dieses Mal. Dafür durfte ich am Mittwoch einen der Arbeiter dort nach Bautzen fahren. Unterwegs telefonierte er in einer slawischen, mir unbekannten Sprache mit Jemandem. Im Gespräch danach erfuhr ich das es Sorbisch war, die Sprache einer slawischen Minderheit in Sachen. Man kann sagen den Ureinwohnern Sachsens. Früher waren in der Region Bautzen ein Großteil der Menschen Sorben, bis sie im Kaiserreich und vor allem im Dritten Reich assimiliert wurden und bis auf wenige Zehntausend in der deutschen Mehrheitsbevölkerung verschwanden, Schade irgendwie, immerhin waren die Sorben schon Jahrhunderte vor den Sachsen und Deutschen überhaupt vor Ort. Aber dem nicht genug, anscheinend gibt es einige rechtsextreme Idioten die es sich zum Ziel gesetzt haben dass das Sorbische Endgültig verschwinden soll. Es kommt seit 2014 zu immer mehr Übergriffen auf sorbische Veranstaltungen und der Staat macht nichts. Diese Menschen gehören seit Jahrtausenden zu diesem Land und so ein paar Idioten mit ihren Träumen vom Großdeutschen Einheitsbrei sollen sie verschwinden, was kommt als nächstes? Dieses Land zieht meiner Meinung nach seine größte Stärke aus der Vielfalt, ich meine es gibt keinen allgemeingültigen Begriff von „Deutscher Kultur“, ein Chiemgauer hat eine andere Kultur als ein Kölner. Bis zum Ende der Fahrt wurden mir dann noch ein paar Brocken Sorbisch beigebracht, die ich aber auf der Rückfahrt schon wieder vergessen habe.

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Guten Morgen @satren, wieder schöne Taxigeschichten aus Deinem Leben. Hab einen tollen Tag. Alexa

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