Zitate 048 - Friedrich Nietzsche

in #deutsch7 years ago (edited)

14. Oktober 2017

Der Bereich der deutschen Philosophie mit Figuren wie Immanuel Kant (1724-1804), Arthur Schopenhauer (1788-1860) und Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900) [1] ist mir aus eigener Leseerfahrung nur wenig bekannt. Bis auf Schopenhauer kann ich mich nicht erinnern, von einem der genannten einen vollen Text gelesen zu haben. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) habe ich in der Reihe nicht erwähnt, da ich bezüglich dieser Figur von Schopenhauers vernichtendem Urteil über diesen geprägt bin.

Aufgrund eines Zitates von Nietzsche, das mich diese Woche erreichte, wollte ich mich aufmachen, ein paar weitere Zitate dieses herausragenden deutschen Philosophen zu lesen und ein wenig darüber nachzudenken. Allerdings ohne die echten Hintergründe zu erforschen und direkt in den Werken nachzuforschen. Friedrich Nietzsche war gebürtiger Preusse aus Röcken (heute in Sachsen-Anhalt) [2]. Er studierte klassische Philologie in Bonn und wurde danach, im Alter von 25 Jahren, Professor in Basel. Die Professur musste er aus gesundheitlichen Gründen bereits nach 10 Jahren niederlegen. Danach bereiste er Mitteleuropa und suchte nach Orten, an denen ein für seinen angeschlagenen Körper angenehmes Wetter vorherrscht. Ab dem 45. Lebensjahr wurde er auch von einer schweren psychischen Krankheit gequält, die ihn arbeits- und geschäftsunfähig machte. Den ab den 1890er Jahren aufkommenden Ruhm konnte er nicht mehr bewusst erleben. Er wurde zum Pflegefall und starb schliesslich im Alter von 55 Jahren.

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Friedrich Nietzsche in einer Aufnahme aus dem Jahr 1875 [13].

Die Werke von Nietzsche kann man wohl nahezu alle bei archive.org finden. Es gibt Sammelbände, die es aber oft in mehreren Versionen gibt, ich selber habe eine Sammlung von 19 Bänden in 3 Abtheilungen (damals wurde dieses Wort noch so geschrieben, Anm.) heruntergeladen, die Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen sind.

Bei einer der von mir geschätzten Zitate-Seiten Aphorismen.de finden sich von Friedrich Nietzsche ganze 1'483 Aphorismen und 37 Gedichte. Von daher kann ich überhaupt nicht sagen, ob die von mir gewählten Zitate repräsentativ sind. Sie stammen aus den ersten drei von 153 Seiten.

Zunächst das Zitat, das mich zum heutigen Artikel inspirierte:

  • «Die Bildung wird täglich geringer, weil die Hast größer wird.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente. Sommer – Herbst 1873 [3].

Für mich ist das eine Antithese zu dem Programm, welches ich in meinem Studium absolvierte. Dort wurde alles darauf ausgelegt, die jungen Menschen zu testen, wieviel Stoff sie ertragen und irgendwie verarbeiten können. Dazu gab es keine langen Prüfungen, sondern nur kurze. Diese waren trotzdem umfangreich, so dass man sich eigentlich keinen einzigen Fehler leisten konnte. Es wurde grossen Wert darauf gelegt, alles schnell zu können. Mein Eindruck daraus ist eher zwiespältig, einerseits sehe ich es als völlig unbestritten, dass das Erarbeiten echter Kompetenz Zeit braucht und praktische Erfahrung, Zwang zu theoretischer Beschäftigung reicht dafür nicht wirklich. Andererseits hat man heute bei vielen Entscheidungsfindungen wenig Zeit. Es ist also richtig, Schnelligkeit zu trainieren, aber das kann eigentlich nur funktionieren, wenn die Menschen viele Entscheidungen fällen und dabei merken, dass sie sich mehrheitlich richtig entscheiden. Das lässt das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen wachsen, aber auch das lässt sich durch Zwang und Druck nicht realisieren.

  • «Und überhaupt — auch das geringste Schaffen steht höher als das Reden über Geschaffnes.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, 1875 [4].

Selbsterklärend und eine Mahnung an alle, die Aussagen, auch solche wenig überlegte Natur, höher gewichten als Taten.

  • «Alle öffentlichen Schulen sind auf die mittelmäßigen Naturen eingerichtet.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, September 1876 [5].

Schon damals galt die Gleichmacherei und die Vermittelmässigung an öffentlichen Schulen wohl als Wert. Ich selber kann das wenig nachvollziehen, da ich die ersten Schuljahre eher unterfordert war und mich teilweise langweilte. Im Gymnasium kam ich durch, lernte aber auch dort das systematische, rasche und gute Lernen nicht. An der technischen Hochschule war ich dann eher überfordert, weil ich nicht schnell genug war.

  • «Erziehung: wesentlich das Mittel, die Ausnahme, eine Ablenkung, Verführung, Ankränkelung zu ruinieren zu Gunsten der Regel.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Herbst 1887 [6].

Eine erweiterung des vorherigen Zitats und dass Konformismus und Kollektivismus seit langem in der Erziehung verankert sind.

  • «Der Sinn der Strafe ist nicht abzuschrecken, sondern in der gesellschaftlichen Ordnung jemanden niedriger zu setzen: er gehört nicht mehr zu den uns Gleichen.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Herbst 1883 [7].

Das ist die typische Art der Sanktionierung von sogenannten 'Gedankenverbrechen', ausgrenzen und ausstossen, anstelle von zuhören und nachvollziehen.

  • «Die Wahrheit soll wie die Sonne nicht zu hell sein: sonst flüchten die Menschen in die Nacht und machen es dunkel.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Sommer 1878 [8].

Selbsterklärend.

  • «Vom Tiere und von der Pflanze müssen wir lernen, was Blühen ist.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Ende 1880 [9].

Zur wirklichen Selbstverleugung und -verachtung sind nur Menschen fähig, deren Verstand entsprechend konditioniert wurde. In Rudeln bilden Tiere teilweise auch strenge Hierarchien und damit ist auch klar, welche Tiere bei Unterversorgung als erste sterben. Trotzdem verleugnen sich die niedrigen Tiere nicht selber, sondern gehen mit der Situation um.

  • «Der höchste Grad von Individualität wird erreicht, wenn jemand in der höchsten Anarchie sein Reich gründet als Einsiedler.»

Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Herbst 1880 [10].

Auch dies ist eigentlich ein selbsterklärendes Zitat und zeigt wie andere von Nietzsche seine sehr individualistische Sichtweise. Er hat sich an einigen Stellen sehr kritisch gegenüber dem Staat und dem Sozialismus geäussert, was in den beiden letzten Beispielen sichtbar wird.

  • «Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt — und was er auch hat, gestohlen hat er’s.»

Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. 1883-1885 (1. vollständige Ausgabe 1892), Erstdruck 1883. Erster Teil. Die Reden Zarathustras, 1883. Vom neuen Götzen [11].

  • «Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: 'Ich, der Staat, bin das Volk'.»

Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. 1883-1885 (1. vollständige Ausgabe 1892), Erstdruck 1883. Erster Teil. Die Reden Zarathustras, 1883. Vom neuen Götzen [12].


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nietzsche
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6cken
[3] https://www.aphorismen.de/zitat/6085
[4] https://www.aphorismen.de/zitat/5851
[5] https://www.aphorismen.de/zitat/5983
[6] https://www.aphorismen.de/zitat/5893
[7] https://www.aphorismen.de/zitat/6151
[8] https://www.aphorismen.de/zitat/45690
[9] https://www.aphorismen.de/zitat/30598
[10] https://www.aphorismen.de/zitat/6058
[11] https://www.aphorismen.de/zitat/6188
[12] https://www.aphorismen.de/zitat/90340
[13] Photographie von Friedrich Hartmann (1822-1902) in Basel. Das Werk ist gemeinfrei und wurde unter [1] gefunden.


Bisherige Posts in der Rubrik «Zitate».
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wie gewohnt, spitzen leistung und dem aufwand nicht drüssig.
danke für das neutrale schildern, dass jeder seine eigene meinung bilden kann!

Danke für den Kommentar und gerne!
Man soll etwas von einem Artikel haben, wenn man ihn schon liest. In Nietzsche's Kopf können wir leider nicht mehr hineinschauen, von daher erscheint mir die eher zurückhaltende Interpretation angebracht.

Ihr habt schon alles gesagt...;-) super Artikel! Danke dir für die Mühe. Könnte auch @bozo und @leroy.linientreu interessieren

Ich habe diesen Beitrag auch resteemet.
Den Namen Nietzsche kennt man zwar, aber ich denke, die wenigsten können sagen, was der Herr so alles von sich gegeben hat. ;-)

Danke für den Kommentar und den Resteem!

Für Philosophie, Politik usw. habe ich mich wirklich praxisnah erst in der zweiten Hälfte meiner Zwanziger zu interessieren begonnen. Zuvor, gerade in der Schule dominierte irgendwie eine kindlich-verklärte Wahrnehmung, die alles weit von einem selber entfernt hielt. Das hat sich fundamental geändert.

Die Art, wie es einem in der Schule vermittelt wird, dürfte daran nicht ganz unbeteiligt sein. Die Praxisnähe ist dort auch kaum gegeben. Natürlich muss das nicht für alle gelten, ich schreibe das rein subjektiv.

Danke. Sehr cool. Resteemt

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