Zitate 042 - Umberto Eco und andere über sogenannt einfache Lösungen

in #deutsch7 years ago (edited)

07. September 2017

Mir ist das folgende Zitat bereits in den mehreren Formen begegnet. Es hat mich zum Nachdenken gebracht und mich fragen lassen, wie intelligente Leute dazu kommen, einen solchen Satz zu formulieren.

«Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche.»

Umberto Eco (1932-2016) [1], Foucault's Pendulum, gemäss [2].

Den weltberühmten Autor Umberto Eco, der auch promovierter Literaturwissenschafter und einer der wichtigsten Semiotiker unserer Zeit war, möchte ich direkt nach diesem Zitat wieder verlassen und stattdessen eigene Gedanken zum Zitat formulieren. Mit Eco und dessen Werken werde ich mich vielleicht in Zukunft einmal etwas näher beschäftigen.

Wie kommt man dazu, etwas Falsches als Lösung zu bezeichnen? Wird ein Lösungsvorschlag nicht erst dann zur Lösung, wenn er auch richtig ist?

Für mich gibt es keinen Hinweis darauf, dass Einfachheit tatsächlich ein Kriterium für richtig oder falsch ist. Dasselbe gilt für Komplexität. Eine Theorie ist nicht deswegen richtig, wenn sie so schwer verständlich formuliert wurde, dass nur ganz wenige Menschen sie verstehen können. Sondern sie ist dann richtig, wenn sie einen Prozess so beschreibt, wie er tatsächlich abläuft.

Dass eine lächerlich einfach klingende Beschreibung Skepsis hervorruft ist nachvollziehbar, denn es lässt den Verdacht der vorschnellen Schlussfolgerung zu. Es ist auch einfacher, diesen Verdacht auf eine allzu simpel wirkende Beschreibung anzuwenden, als auf eine komplizierte.

Aus der Chemie kenne ich eine Vorgehensweise, wie in der praktischen Wissenschaft vorgegangen wird. Immer wieder beobachtet man in der Forschung Phänomene, die man nicht wirklich erklären kann. Wenn das Phänomen interessant ist, geht man ihm nach, führt weitere Experimente durch und versucht, aus bestehenden Modellen ein erstes für den vorliegenden Fall zu generieren. Damit wird weiter gearbeitet, wobei es in der Regel zur Ausweitung und Weiterentwicklung des Modells oder dessen Ablösung durch allgemeiner gehaltene Modelle kommen. Das Fernziel ist, dereinst das Phänomen mit einer allgemein gültigen Theorie erklären zu können. Beim Aufstellen solcher, allgemein gültiger Theorien sind meist die besten Theoretiker beteiligt, während die praktisch-experimentell Arbeitenden sich meist mit Modellen begnügen, die sie in ihrem Alltag gut zur Anwendung bringen können.

Keiner von den experimentell Tätigen würde sagen, dass die Modelle, die er verwendet, die ganze Wahrheit beinhalten. Das ist aber auch nicht das entscheidende Kriterium. Entscheidend ist, dass ein Modell für die Dinge, die man tut und den Bereich, in dem man sich bewegt, hilfreich ist.

Wenn mit Modellen gearbeitet wird, ist es wichtig, das Modell so zu wählen, dass man aus dessen Anwendung eine Aussage treffen kann, die ein Phänomen gut erklärt. Für die verschiedensten Zusammenhänge und Phänomene wurden etwa Kennzahlen und Formen der Auswertung entwickelt, nicht weil damit die ganze Wahrheit präsentiert werden soll, sondern um sinnvolle Aussagen treffen zu können.

Es gilt stets der Grundsatz: So einfach wie möglich und so schwierig wie nötig.

Alles andere macht eigentlich wenig Sinn, aber es ist nicht in jedem Fall einfach zu entscheiden, welche Vereinfachung wirklich zulässig ist und welche nicht.

Es gibt ein angebliches Zitat von Albert Einstein, das sich mit dem Erklären beschäftigt. Bei meiner kurzen Recherche konnte ich leider nur entdecken, dass es keine Bestätigung gibt, dass sich Albert Einstein je so geäussert hat.

«Wenn du es nicht einfach erklären kannst, hast du es nicht gut genug verstanden.»

Ich kann bei mir beobachten, dass Erklärungsversuche einfacher werden und entspannter möglich sind, je besser man sich in einem Gebiet zurechtfindet und je mehr man sich in der guten Anwendung der Sprache übt. Wenn man zu einem Thema neben den Details, an denen man selber arbeitet, einen allgemeinen Überblick gewonnen hat, kann man einem interessierten Aussenstehenden ziemlich gut eine erste Einführung in ein Thema geben. Dann ist es auch nicht entscheidend, dass man diesem Betrachter die Zusammenhänge und Beziehungen gleich mit mathematischer Exaktheit vermittelt.

DSC_0519-PANO.jpg
Damit in der Vorschau auch ein Bild sichtbar wird, ein von mir aufgenommenes Panoramabild aus meiner Heimatregion.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Umberto_Eco
[2] https://www.goodreads.com/quotes/384767-f-r-jedes-komplexe-problem-gibt-es-eine-einfache-l-sung-und


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Sehr interessanter Beitrag. Nur ein paar Bemerkungen:

  1. Wenn man sagt 'falsche Lösung' heißt das nicht bloß 'falsche Vorgehensweise zur Bewältigung eines Problems'? Das weicht zwar von der ursprünglichen Bedeutung vom 'Lösen' ab, wäre aber die nachsichtige Deutung von Ecos Zitat. Er ist ja kein Logiker und nutzt gerne seine dichterische Freiheit.

  2. Eco redete von einfachen "Lösungen" zu komplexen Problemen, Modelle reproduzieren aber isolierte Aspekte, also eine vereinfachte Version, eines wohl komplexeren Phänomens. Dass diese Modelle enorm nützlich und/oder interessant sein können, stelle ich nicht in Frage. Nur, ich sehe nicht so klar den Widerspruch zwischen Ecos Zitat (welches sich vermutlich eher auf gesellschaftliche oder philosophische Fragen bezieht) und der wissenschaftlichen Praxis der Modellierung.

Upvoted und gefollowed! :-)

Danke für den Kommentar! Ich folge dir auch, übrigens willkommen auf Steemit, du bist ja noch nicht sooo lange dabei und das ist unsere erste Interaktion!

Ich schreibe solche Texte meist auch recht impulsiv und denke nicht erst tagelang darüber nach. Mir ist das Zitat mehrmals begegnet und dann ist mir eingefallen, dass man das Wort "Lösung" normalerweise für die Verfahren, Vorgehensweisen und Techniken, mit denen ein Problem tatsächlich abgearbeitet und gelöst wird.

Zunächst wusste ich nicht einmal, dass das Zitat von Umberto Eco ist, ich kenne von ihm einzig die Verfilmung seines Romans "Der Name der Rose", die hat mir gefallen.

Danke! Ich habe nach der Zitat gesucht und habe dabei rausgefunden, hier geht es um eine Zitat über eine andere Zitat, btw. die Person in Ecos Buch formuliert um, was Mencken 1917 in The Divine Afflatus geschrieben hat (https://en.wikiquote.org/wiki/H._L._Mencken). Man lernt nie aus :D

Danke! Mencken ist ganz toll. Der hatte ein ganz ausgeprägtes Gespür dafür, den Staat zu entlarven.

Ich muss noch den Roman lesen, das kommt noch :)

Wieder ein Superbeitrag.
Voted & Resteemed!

P.S.:
Schönes Panorama Bild! Liegt das Auenland etwa doch in der Schweiz? ;-)

Danke für den Kommentar und das Lob!

Um korrekt zu sein liegt nur ein Teil des sichtbaren Gebiets in der Schweiz. Nahezu alles, was im Hintergrund zu sehen ist, liegt bereits in Deutschland.

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