Software 001 - MuseScore, freies Notensatzprogramm

in #deutsch7 years ago (edited)

11. Dezember 2017

Schon vor einiger Zeit wollte ich hier damit beginnen, Software zu empfehlen, die ich aus eigener Erfahrung als nützlich bezeichne. Wie viele andere Menschen, die im Internet aktiv sind, verfüge ich nur sehr beschränkt über die Fähigkeit, Anwendungen zu programmieren. Meine Fähigkeiten liegen eher darin, sich innerhalb von Anwendungen zu bewegen. Dort bin ich auch gerne einmal selber kreativ. Aber ich muss anerkennen, dass ich, da mir das Programmieren selbst nicht liegt und ich es auch kaum mehr lernen werde, auf die Bereitstellung von Anwendungen angewiesen bin.

Deswegen suche ich im Internet immer wieder nach besonders nützlicher Software. Vor gut drei Jahren begann ich auch, in einem neu gegründeten Orchester zu spielen. Wenn es dazu kommt, dass man eher alte Literatur spielt, sieht man gerade für das Blechblasinstrument Trompete [1] oft Notenblätter in sehr verschiedenen Notationen. Bevor die Ventile [2] im 19. Jahrhundert erfunden wurden, das Pumpventil durch François Périnet, das Dreh- oder Zylinderventil von Heinrich Stölzel, war mit Trompeten das chromatische Spiel [3] nicht möglich. Für verschiedene Tonarten brauchte es auch verschiedene Trompeten.

So sieht man sich mit einer heutigen B-Trompete, der am häufigsten gefertigten Variante, oft anderen Notationen gegenüber. D, E, aber auch eine Cornett-Stimme in A sind mir schon begegnet. Singnoten, Noten für Violine und Piano sind normalerweise in C notiert. Daraus direkt in B zu spielen, ist mit etwas Übung keine grosse Kunst, da man sich das ganze lediglich einen Ton höher denken muss.

Mit anderen Notationen wird das schwieriger, weshalb ich dann meistens eine umgeschriebene Fassung erstelle, eine sogenannte Transposition. Deswegen habe ich mich bald nach dem Eintritt in das Orchester nach Notensatzprogrammen umgesehen. Handschriftliche Transpositionen sind äusserst unhandlich, wenn man sie mit anderen teilen will oder man vielleicht einmal eine Stelle mit aussergewöhnlichem Rhythmus üben will. Dann sind elektronische Notensätze äusserst angenehm, da man sie nicht nur sehr bequem verteilen kann, sondern in der Regel bei Unterstützung entsprechender Plugins auch anhören kann. Einem kostenpflichtigen Programm bin ich in der Vergangenheit als Jugendlicher kurz begegnet, das Notieren von Noten mit der Maus war mir aber als sehr zähe, unhandliche Sache in Erinnerung. Aus diesem Grund bin ich also nicht direkt zum Kauf dieses Programms gegangen, sondern habe mich umgesehen, was es alles gibt.

Und ja, ich bin fündig geworden. Mit der freien Software MuseScore [4] habe ich ein Notensatzprogramm gefunden, das sich zwar am Anfang auch nicht ganz leicht und schnell bedienen lässt, insgesamt aber doch eingängig zu nutzen ist. Um eine gewisse Einarbeitungszeit kommt man bei kaum einer komplexen Software herum, auch im Falle von MuseScore nicht. Dazu ist die Dokumentation bei MuseScore meiner Ansicht nach sehr gut. Es gibt ein gutes Handbuch, ein erweitertes kostenpflichtiges Buch mit dem Titel Mastering MuseScore [5] und einen YouTube Kanal mit Tutorials [6]. Darüber hinaus gibt es auch eine Community von aktiven Benutzern, unter denen es regen Austausch gibt [7]. Es gibt dort auch die Möglichkeit, von Benutzern zur Verfügung gestellte Werke herunterzuladen und selbst zur Sammlung beizutragen. Ich selber habe bisher nichts hochgeladen, da ich in Bezug auf die rechtliche Situation bei Musiknoten nicht abschliessend informiert bin, aber weiss, dass für Verstösse teilweise hohe Bussen verhängt werden.

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Das Ladebild der aktuellen Version von MuseScore, der Version 2.0.3.

Das Programm MuseScore wurde im wesentlichen von einem deutschen Pianisten und Software-Entwickler Werner Schweer ins Leben gerufen [8]. Die ersten Anfänge gehen auf das Jahr 2002 zurück und auf den Willen Werner Schweers, endlich eigene Kompositionen vernünftig digital niederschreiben zu können. Eine lange Zeit vor dem Start der Webseite 2008 und der Möglichkeit, Vorabversionen zu nutzen, bis zur Veröffentlichung des offiziellen Release-Kandidaten im Februar 2011. Das dürfte eindrücklich herausstreichen, welcher Kraftakt hinter der Realisierung eines solchen Projekts steht. Seitdem die Software verfügbar ist, lagen die Download-Zahlen in den 10'000en pro Monat, ein klarer Beweis, dass eine solches Notensatzprogramm lange erwartet wurde. Die Möglichkeiten, aus den MuseScore-Dateien druckfähige PDF-Dateien, Vektorgraphiken oder MIDI-Dateien und einiges mehr zu exportieren, sind vorbildlich.

Unter Team [8] sind auf der offiziellen MuseScore-Webpräsenz [4] noch zwei weitere Namen und Kurzbiographien zu sehen. Die des Belgiers Thomas Bonte, der sich seit 2008 der MuseScore Community widmet und musikalisch auf dem Piano zu Hause ist. Der Franzose Nicolas Froment ist Drummer und leidenschaftlicher Programmierer und hauptverantwortlich für die Portierungen von MuseScore. Somit ist MuseScore ein sehr europäisches Projekt und zeigt auf diese Weise, dass nicht alles, was mit IT zu tun hat, aus den USA, China oder Japan entstanden sein muss.

MuseScore wirbt damit, gleichzeitig ein frei verfügbares, aber absolut professionelles Notensatzprogramm zu sein. über 27 in der Entwicklung beschäftigte Mitarbeiter zu verfügen und 739 Übersetzer, die die 72 Sprachen, in denen das Programm verfügbar ist, ermöglicht haben [4]. Es gibt also eine ziemlich grosse Gemeinschaft, die das Projekt trägt, was wiederum der Qualität zugute kommt.

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Bildschirmaufnahme von MuseScore, mit der geöffneten Einstiegsdatei.

Gerne hätte ich auch ein oder zwei Beispiele von mir erstellten Notensätzen hier gezeigt. Leider habe ich bis heute nicht herausgefunden, wie man zuverlässig die Rechteinhaber von Songs herausfindet. Es ist zwar gegenwärtig sehr schön, etwa bei archive.org [9] eine Menge alter Liederbücher in gescannter Version zu finden, aus denen ich gerne einmal digitalisierte Versionen einzelner Songs schreibe. Oder auch das grosse Musikarchiv imslp [10]. Allerdings musste ich feststellen, dass man sich teilweise wenig Mühe gegeben hat, die Sache mit den Rechten korrekt durchzuführen. Ich habe schon mehrfach in älteren Büchern Lieder ohne jede Urheberrechtsangabe gesehen, die in einem neuen Buch mit solchen versehen waren oder die Angabe 'permitted use', also dass die Nutzung von jemandem erlaubt wurde, der aber nicht genannt wird.

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Eine weitere Bildschirmaufnahme von MuseScore mit Wiedergabeoptionen.

Eine weitere ganz hübsche Sache bei MuseScore finde ich, dass man bei der digitalen Wiedergabe der Dateien rasch die zu hörenden Instrumente und die Stimmung [11] geändert werden kann. Weltweit ist meist ein Kammerton mit Schwingungsfrequenz von 440 Hz üblich. Im Orchester, in dem ich mitspiele, wird wie in der Schweiz üblich, auf 442 Hz gestimmt. In der Vergangenheit wurden verschiedene Stimmungen eingesetzt, auch tiefere [12]. Der grosse, italienische Opernkomponist Giuseppe Verdi (1813-1901) plädierte für den Kammerton 432 Hz, den ich auf der letzten Bildschirmaufnahme auch eingestellt habe. Da sich die Frequenzabstände zwischen Tönen abhängig von der Höhe ändern, kann ein Werk auch anders tönen, wenn es in einer anderen Stimmung gespielt wird.

Abschliessend noch einmal eine 100-prozentige, ehrliche Empfehlung für das Programm MuseScore und einen aufrichtigen Dank an die, die das Projekt realisiert haben.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Trompete
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ventil_Blasinstrument
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Chromatik
[4] Eintrag bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/MuseScore
Offizielle Webseite: https://musescore.org/de
[5] Mastering MuseScore. Marc Sabatella, 2015 https://www.amazon.com/dp/1508621683/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_mkKlAbZXM16A2
[6] https://www.youtube.com/user/MuseScoreHowTo/videos
[7] https://musescore.com/groups/musescore-composers/discuss/23627
[8] https://musescore.com/team
[9] https://archive.org
[10] http://imslp.org/
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Stimmung_Musik
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Kammerton

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Das Programm "Cubase" von Steinberg, das ich nutze, ist auch bekannt, eine sehr gute Notationsebene an Bord zu haben.
Allerdings kostet das Programm auch einiges mehr als 500 EUR ....
Das wird sicher nicht jeder bereit sein auszugeben.

Danke für den Kommentar!
Wenn man Profi ist und auf eine 1A-Arbeitsumgebung angewiesen, wird man auch zu entsprechendem Equipment greifen. Bei mir ist es Hobby und deswegen war ich sehr angetan von einem freien Programm, das weit mehr bietet, als ich wirklich benötige. Ich schreibe auch nicht viel, vielleicht 3 Songs/Werke pro Monat. Mit dem Lernen von MuseScore war ich neben dem Arbeiten einige Zeit so beschäftigt, dass mir die Zeit gefehlt hat, mich noch über andere Programme zu informieren. Der Dirigent in meinem Orchester nutzt Sibelius, auch eine Profi-Software.

Ja, Cubase wäre für Deinen Anwendungsbereich wohl "oversized", wie es so "schön" neudeutsch heißt. Cubase ist ja eine komplette Produktionssoftware, quasi ein Tonstudio auf dem PC.Für das, was das Programm kann, hättest Du früher Millionen ausgeben müssen. Wahnsinn, wie in diesem Bereich der technische Fortschritt gegriffen hat - aber dort herrscht eben auch ein weitgehend freier Markt. ;-)
Sibelius kannte ich auch nicht. Aber ich mache ja nichts mit Notation. Diese Ebene übergehe ich einfach... ;-)

Das wäre definitiv viel zu umfangreich für meine eng begrenzten Aktivitäten im Bereich Musik und wahrscheinlich ist es auch so komplex, dass es mehr Zeit braucht, bis die wichtigen Bedienvorgänge in Fleisch und Blut übergegangen sind. Bei MuseScore bin ich nach vielleicht 120 Stunden Bedienung drin und muss nicht mehr bei Null beginnen, wenn ich damit arbeite.

Das Logo der Version 3 des Notensatzprogramms MuseScore. Erschienen zum Ende des Jahres 2018.

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