Realpolitik - Überlegungen zu den Schweizer Krankenkassen

in #deutsch8 years ago (edited)

Insbesondere soll auf die Preisentwicklung der Versicherungsprämien Bezug genommen werden.

Eingeführt wurde die gesetzliche/obligatorische Krankenversicherung im Jahr 1996.
Gemäss einem aktuellen Artikel, der in der Basler Zeitung erschienen ist [1], betrug die damalige durchschnittliche Monatsprämie CHF 173.- .

Zu den eifrigsten Befürwortern dieses Obligatoriums zählte die damalige sozialdemokratische Bundesrätin Ruth Dreifuss, die versprach, die Prämien würden nicht schnell und unkontrolliert ansteigen [2, 3].

Sie taten es doch, im zuerst erwähnten Artikel wird auch die durchschnittliche Monatsprämie des Jahres 2017 genannt. Es sollen CHF 447.- sein, was einem Anstieg um 158.4 % gegenüber dem Anfang oder einer 2.584-fachung des Anfangspreises über 22 Jahre entspricht.


Das Bild zeigt das Werk "Der Doktor" des Künstlers Gerard Dou (1613-1675) aus dem Jahre 1653 [4].

Diese Zahlen möchte ich nun ein wenig mit der Entwicklung des Konsumentenpreisindex CPI vergleichen.
Beim Bundesamt [5] gibt es Zahlen für 1993 bis 2014. Es sind nicht dieselben Jahre, für die Jahre 2016 und 2017 gibt es verständlicherweise noch keine Zahlen. Für diese Zeit wird der CPI mit 115.2 angegeben, was einem Preisanstieg von 15.2 Prozent entspricht. Diese Zahl dürfte auf heute bezogen eher etwas hoch sein, da in der Schweiz 2015 ein Sinken der Preise um ca. 1 Prozent festgestellt wurde, 2016 geht es bisher auch eher nach unten denn nach oben. Nicht zuletzt wegen der von der europäischen Zentralbank betriebenen, vorsätzlichen Schwächung des Euro. Meine Abschätzungen sind ganz unten in einer Tabelle dargestellt. Es ist mir bewusst, dass es sich dabei nicht um eine wirklich hochwertige Prognose handelt. Die berechneten Zahlen sind auf zuviele Stellen genau angegeben (unwissenschaftlich), nicht weil ich jede Stelle zu bestimmen vermag, sondern um bessere Nachvollziehbarkeit über die Berechnungen zu vermitteln.

Um mit diesen Zahlen ein paar Betrachtungen anstellen zu können, nehme ich an, die Preise seien immer mit der gleichen Wachstumsrate gestiegen. Es werden also klassische Zinsfunktionen verwendet, über deren Verlauf abzuschätzen die menschliche Intuition wenig Fähigkeit besitzt.

2.5838 = 1.0440922, durchschnittliches jährliches Prämienwachstum 4.409 %

1.152 = 1.0064522, durchschnittliches jährlicher Preisanstieg 0.645 %

4.409/0.645 = 6.83

Die Prämien der Krankenkassen sind mit einer 6.83 Mal so hohen Rate gestiegen wie die Preise im CPI.

Anhand dieser Wachstumsraten soll die Entwicklung bisher und in Zukunft abgeschätzt werden. Die Zahlen für die nächsten 20 Jahre könnten so noch realistisch sein. Ich halte im Normalfall aber wenig von langfristigen Prognosen und halte sie für Wolkenschieberei. Im hier vorliegenden Fall lasse ich sie deswegen stehen, dass man sich den Anstieg von Zinsfunktionen wieder einmal vergegenwärtigt.

Im vorliegenden Fall ist klar, dass sich der ermittelte Faktor von 6.83 zwischen den Anstiegsraten CPI und Krankenkassenprämien so schnell wie möglich in Richtung 1 zu bewegen hat. Ansonsten dürften diese Prämienlast in naher Zukunft als nicht mehr finanzierbar empfunden werden. Es wird zu Konflikten zwischen jungen und alten, gesunden und kranken bzw. pflegebedürftigen Menschen kommen. Trotz aktuell ungünstiger Demographie in der Schweiz wird dies geleistet werden müssen.

Die produzierende Wirtschaft in der Schweiz und die Dienstleister haben seit 2008 das drastische Absinken des Euros gegenüber dem Schweizer Franken um ca. einen Drittel verkraften müssen, von ca. 1.64 auf ca. 1.08. Via höhere Produktivität, mehr Effizienz und penibler Kostenkontrolle war das möglich. In der Realwirtschaft herrscht in der Schweiz also seit einiger Zeit eine Tendenz zur Deflation. Angesichts der gewählten Taktik der Währungsmonopolisten in EU, UK und USA, die ihre Währungen zurzeit weiter schwächen, wird die genannte Tendenz zur Deflation in der Schweiz unvermeidbar weiter anhalten. In gesetzlich stark eingeschränkten Märkten wie dem fast staatlichen Gesundheitswesen wurde diese bisher aber mehr als vernachlässigt, die Kosten sind weiter gestiegen.

Angesichts dieser Tatsache und des Faktums, dass das Gesundheitswesen ein fast reines Binnensystem ist, also weitaus berechenbarer als die internationalen Märkte, dürfte sich schon Möglichkeiten auftun, die Kostenexpansion einzudämmen, respektive sie in die Region des CPI zu drücken. Es wird nötig sein. Sollte sich keine Lösung innerhalb des bestehenden Systems ergeben, wird man wohl nicht umhinkommen, mehr Markt und Konkurrenz im Gesundheitswesen zuzulassen.

Tabelle mit den Berechnungen. Dazu eingefügt wurde ein Lohnbeispiel, welches bei CHF 4'000.- startet und mit derselben Rate ansteigt wie der CPI. Da die Tabelle nicht auf jedem Gerät gleich lesbar ist, habe ich sie sowohl als Bild als auch als Tabelle eingefügt.

https://goo.gl/Mh3wEU

                                        Anstieg
                                        KK-Prämien      mittlere            Lohnanteil
Jahr        CPI         Lohn [CHF]      [%]             Prämie [CHF]        KK-Prämien [%]
1996        100,00      4000            0               173                 4,33
2017        115,20      4608            158,38          447                 9,70
2027        122,85      4914,1          297,79          688,2               14,00
2037        131,01      5240,6          512,41          1059,5              20,22
2047        139,72      5588,7          842,84          1631,1              29,19
2057        149,00      5960,0          1351,54         2511,2              42,13
2067        158,90      6355,9          2134,70         3866,0              60,83
2077        169,45      6778,1          3340,41         5951,9              87,81
2087        180,71      7228,4          5196,66         9163,2              126,77
2097        192,72      7708,6          8054,43         14107,2             183,01

[1] http://mobile2.bazonline.ch/articles/57e89867ab5c372cdf000001
[2] http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/dreifuss-falsches-vermaechtnis/story/13629847
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Dreifuss
[4] Das Bild wurde auf folgendem Wikipedia-Artikel gefunden. Es ist gemeinfrei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Medizin
[5] http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/05/02/blank/key/jahresdurchschnitte.html

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Interessanter Bericht!

Es gibt heute für schwache Einkommen die Prämienverbilligung die man jedes Jahr beantragen kann. Sprich der Staat Subventioniert direkt die Krankenkassen. Diese Subventionen kommen aus Steuererträgen an der auch die Allgemeinheit dazu Beiträgt.

Wenn man die Gesamtverschuldung oder Betreibungen der Bevölkerung in betracht zieht ist die Krankenkasse sicher einer der grössten gründe für Verschuldung.

Desweiteren Interessant ist, dass jedes Jahr ein riesiges Budget vorhanden ist für Werbung und Agenten und den Wechsel zu einer anderen Kasse jeden schmackhaft macht für diejenigen die, die Möglichkeit haben, natürlich bezahlt von unseren Prämien.
Hat man bei einer Krankenversicherer Schulden, kann man nicht wechseln zu einem günstigeren Anbieter. Zusätzlich wird man auf die Schwarze Liste gesetzt und erhält nur noch die nötigste Medizinische Versorgung.
Es soll Fälle geben da sind geschuldete Prämien offen im 50k chf Bereich.

Das ganze Gesundheitwesen ist ein riesiger Moloch. Angefangen bei Apotheken die es hier in einer Dichte gibt wie sonst wo auf dieser Welt. Das ganze Vertriebssystem der Apotheken mit Herstellern, Ärzten Spitäler und Versicherer ist nicht Transparent. Es geht um Kickbacks der Hersteller an Ärzten und Spitäler von Medikamente die die Krankenkasse übernehmen und wir als Allgemeinheit bezahlen.

Die Prämien steigen gegenüber Reallohn und wirklich umgesetzten Lohnerhöhungen überproportional an. Für Pensionierte Personen die "nur" von der Staatlichen Rente leben ein Armutsrisiko.

Dieses System Funktioniert nicht auf dauer.

Danke für den Kommentar.

Auf die Prämienverbilligung wollte ich gar nicht eingehen, auch auf die anderen Dinge, die du erwähnt hast. Sie passen sehr gut zu diesem Beitrag. Das System dürfte insgesamt völlig undurchschaubar kompliziert sein und ich bin dazu überhaupt kein Sachverständiger. Ich weiss nur, dass ich ca. 0.3-0.5 Mal pro Jahr zum Arzt gehe und trotzdem pro Woche ca. CHF 80.- für diese Versicherung bezahle. Ich gehöre zu den noch gesunden.

Aber die Tatsche, dass in einem Obligatorium wie den Krankenversicherungen die Preise massiv schneller steigen, als sonstige Konsumentenpreise ist höchst alarmierend, da es jeden trifft. Und es wird pro Mensch abgerechnet, was die Finanzierung einer Familie nicht wirklich einfacher macht. Dabei habe ich schon von einer ungünstigen Demographie gehört.

Mangels Wahrnehmung von Eigenverantwortung und mangels Kostenkontrolle sollte das Quersubventionieren von Institutionen wie genannten Krankenversicherungen nicht erlaubt sein. Schlussendlich klafft ein riesiges Schuldenloch und jeder sagt sich: "Aber ich hab doch immer bezahlt." Ja schon, hast du, aber es wurde eben noch mehr ausgegeben.

Ich kann mir die langfristige Existenz dieses Systems nur dann vorstellen, wenn die Preisexplosion radikal nach unten gezwungen wird. Wie? Es gibt Experten dafür, die oh Wunder meistens nicht gut ankommen.

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