Politik 044 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 1
08. Oktober 2017
Eigentlich wollte ich nach der Bundestagswahl 2017 eher weniger Artikel zum Thema Politik in Deutschland veröffentlichen. Als Aussenstehender aus der Schweiz fühle ich mich dabei auch nicht aussergewöhnlich wohl. Ein Vorhaben, das sich wahrscheinlich nicht wirklich wird umsetzen lassen, weil sich eine Rückkehr zur Tagesordnung und eine Abschwächung der Wogen irgendwie nicht abzeichnet. Schon vergangene Woche habe ich in einem Video darüber gesprochen, dass ich einige Strategien von jetzt ehemaligen Mitgliedern der Partei Alternative für Deutschland (AfD) nicht nachvollziehen kann [1], die in einer Phase des politischen Umbruchs, in dem grössere Parteien fieberhaft Wähler nicht verlieren wollen, eine neue Partei gründen wollen. Das gleiche gilt für Institutionen - Parteien, Medienerzeugnisse, Kirchen und sonstige Organisationen - die es offenbar für förderlich oder sinnvoll halten, die Realität und Tatsache des Wahlsieges der AfD und ihre Ankunft in allen Legislativen Deutschlands zu verleugnen. Zu dieser Haltung kann ich nur sagen, dass sie die Gräben in der Gesellschaft vergrössern wird und der neueren Bewegung deswegen noch Wind in die Segel bläst, weil diese noch im Aufbau begriffen ist. Aufbau ist immer eine ausgesprochen positive Phase, in der die Mitarbeiter besonders motiviert sind, weil sie spüren, etwas erreichen zu können. Ganz im Gegensatz zu der Wahrung eines bestehenden Zustandes oder gar einer Niedergangsverwaltung. Diese Vorgänge verfügen nicht über eine besondere, ihnen innewohnende Energie.
Ich selber bin überzeugt, dass die genannte Partei ihren Platz finden wird und eine etablierte Kraft werden wird, die massgeblich in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Einfluss geltend machen wird. Um diesen Platz überhaupt finden zu können, muss man ein Politikfeld vereinnahmen, denen die sich innerhalb dieses Feldes befinden ein politisches Zuhause bieten und an den Rändern versuchen, den Einfluss zu vergrössern, auch mit den Mitteln der Provokation und Agitation. Das ist in vielerlei Hinsicht kein Selbstläufer und keine Arbeit, die nur mit netten Worten und Wohlfühlreden erledigt werden kann, sondern eine eher dreckige und mühsame Arbeit. Dass der politische Gegner, wenn ihm Konkurrenz erwächst, nicht freundlich reagiert, ist nichts Neues und verhält sich bei der AfD nicht anders als in allen anderen Fällen. Nie wird eine neue Kraft begeistert willkommen geheissen, wobei besonders dann argwöhnisch reagiert wird, wenn es sich um Parteien aus dem rechten Spektrum handelt.
Was in solchen Betrachtungen gar nicht vorzukommen scheint, ist die eine ausreichende Berücksichtigung des «Prinzips von Ursache und Wirkung». Eine politische Bewegung bildet sich nie aus völlig heiterem Himmel und aus sich selber heraus, sondern dann, wenn eine Gruppe von Menschen ihre Interessen für nicht in ausreichendem Masse repräsentiert hält. Eine solche Bewegung ist also zuallererst die Auswirkung der mangelnden Berücksichtigung. Schuld an ihrer Existenz sind also die, die zuvor den Menschen zuwenig Beachtung geschenkt haben, die eine neue Bewegung für nötig erachtet haben und soweit gegangen sind, diese auch zu gründen. Ist die Bewegung erst einmal installiert und gewinnt an Einfluss, ist sie selbst Ursache von Veränderungen, sie bekommt die Fähigkeit, durch ihre Aktionen andere Bewegungen zum Reagieren zu bringen. Eine neue Bewegung lässt sich auch kleinhalten, unter anderem indem man ihr durch ein leichtes Entgegenkommen den Wind aus den Segeln nimmt. Das kann auch ein etwas krummer Handel sein, den einige wiederum unzufrieden lässt, aber wenigstens die Bewegung tiefgreifend spaltet. Über den Parteienstaat in Deutschland, wie ihn der Historiker Dr. Fritz Goergen nennt, hat dieser einige Artikel auf dem konservativen Portal Tichy's Einblick veröffentlicht, welche ich alle empfehlen kann [2]. Wie man vonseiten der älteren Parteien in Deutschland im Umgang mit der AfD versagt hat, kann man unter anderem in einem aktuellen Artikel beim Cicero lesen [3], geschrieben von Stefan Tillman. Dieser ist ein Journalist, der absolut nicht verdächtig ist, mit der AfD in irgendeiner Weise zu sympathisieren.
Seltsamerweise wird heute gerade dann gerne die Nazikeule ausgepackt, wenn sich die rechte Seite auf Rechtsstaatlichkeit bezieht und das als menschenverachtend ausgelegt. Was ist denn nun menschenverachtend, etwa der Rechtsstaat selber, der alle Menschen in das Schema des gültigen Rechts und nicht unter die Willkür einzelner politisch Ermächtigter zwingt? Soweit mir bekannt, herrscht heute immer noch weitgehend Konsens darüber, dass gerade der Rechtsstaat eine der menschlichen Errungenschaften ist, die Willkür am effizientesten bekämpfen. Auch wenn die Dynamiken, die zum Aufstieg des Nationalsozialismus und dessen Abdriften in den totalen Wahn, völlige Masslosigkeit in verbrecherischen Taten und Untergang in einer umfassenden Katastrophe geführt haben, schon vielfach beschrieben wurden und damit hinlänglich bekannt sind. Mit der heute vorherrschenden Situation sind diese wenig vergleichbar. obwohl es auch heute einen Reformstau, eine aus meiner Sicht gefährlich erlahmte Entscheidungsfreude und wenig vorausschauende Politik gibt. Damals herrschte ein Wettstreit zwischen den kollektivistischen Bewegungen Sozialismus, Nationalsozialismus und Faschismus und es war vor allem in der globalen Wirtschaftskrise eigentlich klar, dass die bürgerliche, wertkonservative aber wirtschaftlich freiheitlich gesonnene Gesellschaft so nicht weiterexistieren wird. Deutschland wurde schon zuvor durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg, auferlegte Planwirtschaft und die Hyperinflation traumatisiert und war deswegen besonders anfällig für eines der übelsten politischen Experimente der menschlichen Geschichte.
Alle drei genannten kollektivistischen Bewegungen waren antibürgerlich, revolutionär und brachten dem Individuum, dessen Interessen und den im heute nicht sehr populären Naturrecht [4] beschriebenen Rechten, die für jeden Menschen gelten, keine Wertschätzung entgegen. Inwiefern heute existierende Parteien, die sich als bürgerlich präsentieren, mit solchen Ideologien in Verbindung zu bringen sein sollen, erschliesst sich mir nicht. Natürlich war es in den 1920er Jahren so, dass sich einige Leute aus dem Bürgertum aus pragmatischen Gründen dem Faschismus oder Fascismus zuwendeten, weil sie den Sozialismus nicht wollten und/oder umgekehrt. Das macht sie aber nicht zu herausragenden Propagandisten der einen oder anderen Ideologie. Man kann also nicht uneingeschränkt direkt aus der heutigen Situation auf frühere Konstellationen schliessen und schon gar nicht mit heute vorherrschenden moralischen Vorstellungen Abläufe in der Vergangenheit bewerten, wenn diese Vorstellungen damals weder bekannt waren, noch über eine Relevanz verfügten. Dies kann man vielleicht in interpretierenden Aufsätzen tun, um daraus konkret etwas für heute zu lernen, aber nicht um die damalige Realität zu beschreiben.
Als Krönung dieser Irrationalität konnte ich heute bei @felix.herrmann lesen, dass in Dresden die Frauenkirche beschmiert wurde, mit dem Ausspruch «Bomber Harris was here» [5]. Da es sich um ein ganz aktuelles Ereignis handelt, kann ich nicht sagen, wer dafür verantwortlich ist, aber mir ist bekannt, dass in jüngerer Vergangenheit einige Aktivisten linksextremer Prägung eine neuerliche Bombardierung Dresdens oder der Bundesländer der ehemaligen DDR gewünscht haben, nicht zuletzt weil in der Stadt Dresden mit Pegida seit langem eine eindeutig nichtlinke Protestbewegung aktiv ist und auch die AfD grosse Wähleranteile auf sich vereinigen kann. Vollkommen unabhängig vom Ursprung solcher Forderungen kann ich nur sagen, dass ich ein Bombardement eines zivilen Umfelds neben Raketen und Artillerie für die feigste Art der Kriegsführung halte, die absolut geächtet gehört. Wer so etwas ausserhalb eines konkreten militärstrategischen Hintergrunds fordert, halte ich deswegen für schwer geistesgestört und einem gewaltigen Empathiemangel unterliegend. Natürlich gehe ich selber davon aus, dass sowohl für die erwähnte Schmiererei, als auch die in jüngerer Vergangenheit geäusserten, ähnlich lautenden Parolen, fehlgeleitete Individuen verantwortlich sind und nicht grosse Kollektive.
Die Frauenkirche in Dresden, eigene Aufnahme aus dem Jahr 2015 [6].
[1] Politik 043 - Seltsame Strategien im aktuellen Geschehen. @saamychristen, 03. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-043-seltsame-strategien-im-aktuellen-geschehen
[2] https://www.tichyseinblick.de/autoren/fritz-goergen/
[3] AfD im Bundestag - Eine etwas andere Abrechnung. Cicero.de, 09. Oktober 2017, von Stefan Tillmann https://cicero.de/innenpolitik/afd-im-bundestag-eine-etwas-andere-abrechnung
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Naturrecht
[5] "Bomber Harris was here!" - Frauenkirche in Dresden beschmiert!. @felix.herrmann, 09. Oktober 2017 https://steemit.com/dresden/@felix.herrmann/bomber-harris-was-here-frauenkirche-in-dresden-beschmiert
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenkirche_(Dresden)
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