Politik 035 - Beispiele für meinen Antiglauben gegenüber der Politik

in #deutsch7 years ago (edited)

10. August 2017

Gestern habe ich einen Artikel unter dem Titel «Warum ich der Politik Antiglauben entgegenbringe» [1] veröffentlicht. Ursprünglich wollte ich darin noch eine Reihe an Beispielen anfügen, was dafür spricht, öfters das Gegenteil von dem zu glauben, was in der Politik diskutiert wird. Aufgrund der Länge habe ich mich aber dazu entschieden, dies in einem zweiten Artikel zu tun. Die Beispiele sind solche, die ich selber als Belege dafür wahrgenommen habe, dass es nicht sinnvoll ist, der Politik allzuviel Vertrauen zu schenken und schon gar nicht, der Politik das Erlangen grosser Macht zu erlauben.

2017-08 - Bank die nicht merh viel taugt.JPG

Bank, deren Sitzfläche aufgrund exzessiver Morschheit nicht mehr viel taugt. Eigene Aufnahme.


  1. Das Thema Verkehrsmaut für Autobahnen in Deutschland. Die deutsche Bundeskanzlerin hat öffentlich gesagt, dass es das mit ihr nicht geben wird [2]. Meine Feststellung dazu war die folgende: Da wird in der Politik darüber nachgedacht, das einzuführen, es ist Teil des Diskurses. Aktuell wird aber noch Nein gesagt, weil die Zeit nicht reif ist. Wenn sie reif ist, man bemüht sich darum, dass dies so bald wie möglich der Fall sein wird, wird umgeschwenkt.

  2. Behauptung: Die (widerrechtliche oder rechtlich problematische) Veräusserung von Volksvermögen unterhalb des Marktpreises an Konzerne oder Kartelle wie etwa staatliche Wohnungen, Strassen, Gefängnisse usw. gibt es nicht. Bei sogenannten Privatisierungen passiert es aber öfters, dass mit Steuergeld erstellte Infrastruktur, Volksvermögen, als Paket verkauft wird. Sehr wahrscheinlich zu einem Preis, der tiefer ist, als wenn jedes Objekt einzeln verkauft würde. Dazu gab es schon jede Menge an nicht vortrefflich herausgekommenen, meist vertraglich äusserst kompliziert geregelten, Public-Private-Partnerships, in denen die Haftung für Verzögerungen, mangelhafte Arbeit usw. meist dem Staat, respektive dem Steuerzahler auferlegt wurde. Warum die Politik überhaupt befähigt sein kann, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen, erschliesst sich mir nicht.

  3. Das Charlie Hebdo Attentat vom 07. Januar 2015 [3] wurde extrem instrumentalisiert. Direkt wurden Demonstrationen für Meinungsfreiheit organisiert und ein Slogan «Je suis Charlie» ausgerufen. Mich verwirrte das ganze ein wenig, ich bin kein Leser der Zeitschrift Charlie Hebdo, aber mir war bekannt, dass sie schon einiges an Satire publiziert hatte, die man einigen Leuten, speziell solchen, die ihren Glauben auch physisch verteidigen, nicht direkt vorsetzen sollte. Wie weit Satire gehen soll und darf, darüber bin ich selber unschlüssig, da ich in Beleidigungen und der Zurschaustellung von Peinlichkeiten kaum einen höheren Wert erkennen kann. Nach der ersten Verwirrung war mir klar, was in naher Zukunft zu erwarten sein wird. Bei Charlie Hebdo handelt es sich um ein Medienerzeugnis, weswegen es im Allgemeinen schon ein wenig um die Meinungsfreiheit ging, im speziellen ging es aber um die institutionelle Pressefreiheit. Ich befürchtete also, dass nach diesen plakativen Demonstrationen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass von Staates wegen gegen die Meinungsfreiheit des Individuums vorgegangen wird. Es wurde auch zugesehen, dass die Meinungsfreiheit mit der institutionellen Pressefreiheit verwechselt wird, die es angesichts einer weitgehend kontrollierten Presselandschaft ohnehin nur beschränkt gibt. Es ist einfacher, Presseerzeugnisse zu kontrollieren, als aktive und als starke Individuen auftretende Bürger.

  4. Ende 1990er, anfang 2000er Jahre erschienen viele Artikel in Mainstream-Medienerzeugnissen, die gegen die Religion Islam gerichtet waren. Nicht nur gegen sich auf den Islam berufende islamistische Terroristen. Obwohl gerade diese, wie der ehemalige Unterstützer der afghanischen Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjetunion und der bosnischen Kämpfer gegen die Serben, Osama bin Laden [4], in dieser Zeit in besonderer Weise in Erscheinung traten. Nur wenige Jahre später, nachdem der Bevölkerung Angst vor radikal eingestellten Muslime vermittelt wurde, wird der Bevölkerung wiederum mittels Progaganda weisgemacht, dass Muslime oder Mohammedaner, wie sie jahrhundertelang genannt wurden, die friedlichsten Menschen seien. Diese solle man unbedingt hier begrüssen, aufnehmen und, wenn sie (noch) nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, alimentieren. Das ist nicht stringent. Ich selber habe mit Muslimen absolut kein Problem, solange sie meine Freiheit nicht beeinträchtigen. Im Gegenzug gebe ich mir auch Mühe, nicht in ihre Freiheit einzugreifen.

  5. 2010 und danach gab es den arabischer Frühling [5]. Während sich in den meisten betroffenen Ländern Aufstände ereignen, wird in Europa propagiert, dass ein Krieg gegen das libyische Regime unter Muammar al-Gaddafi [6] angeblich unausweichlich. Dieser Krieg wird durchgeführt, unter Inkaufnahme einer immensen Zahl an zivilen Opfern, viel mehr, als Gadhafi in seiner Regierungszeit auf dem Gewissen hatte. Danach wurde behauptet, man müsse libyische Flüchtlinge in Europa aufnehmen. Wer sollte da als erster herkommen? Natürlich die Anhänger Gadhafis, die einige Monate zuvor noch Gegner waren, aber in Europa bestimmt die liebsten Menschen sein werden. Heute regiert in Libyen [7] das Chaos, es ist ein gescheiterter Staat, was angesichts der unmittelbaren geographischen Nachbarschaft keinesfalls im besten Interesse der Europäischen Union sein kann.

  6. Das zweite Land, das im Zuge des arabischen Frühlings mit Krieg überzogen wurde, war Syrien [8]. Es ist einer der nächsten Verbündeten des vom Westen sanktionierten und +/- offen zum Gegner erklärten Russland und des Irans. Es wird behauptet, der Präsident Baschar al-Asad [9] müsse aus dem Amt gejagt werden, Ernsthafte Aktivitäten in diese Richtung werden bis auf Stellungnahmen aber keine unternommen. Auch wird nie erklärt, wie das Machtvakuum, das mit dem Sturz Assads einhergehen würde, gefüllt werden soll. Es gibt keine namentlich bekannten Menschen, die dafür in Frage kommen würden. Stattdessen bombardieren die USA, Frankreich und Grossbritannien Syrien. Dazu sind dort 100'000e Menschen als Kämpfer von sich islamisch nennenden Milizen unterwegs, was den Konflikt besonders unübersichtlich macht. Der sogenannte islamische Staat IS [10] wird dabei vom Westen, Russland und Syrien als Gegner bezeichnet. Unklar ist die Rolle der Türkei, des nördlichen Nachbarlands Syriens und NATO-Mitglieds. Die in den Konflikt involvierten Franzosen und Briten waren die Mächte, die durch ihr Geheimabkommen 1916, dem Sykes-Picot-Abkommen [11] einst für willkürlich gezogene Grenzen im arabischen Raum gesorgt haben. In Europa wird daraufhin propagiert, dass Flüchtlinge aus Syrien ohne Prüfung der Identität und Hintergründe aufgenommen werden sollten. Diese Menschen konnten aber sowohl echte Flüchtlinge, als auch Angehörige islamischer Milizen, syrische Agenten oder vom russischen Geheimdienst angelernte Saboteure sein oder auch Nicht-Syrer, da jedermann bekannt war, dass eine immense Zahl an leeren syrischen Pässen gestohlen wurde.

  7. Die EU präsentiert sich gerne als Bündnis des Friedens und als Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Aber was bis 1'000 km rund um ihre Aussengrenzen los ist, ist alles andere als friedlich. Dazu wird Privateigentum, einer der absoluten Kernwerte des Westens, in zunehmendem Masse missachtet. Es wird für die Vorantreibung weiterer staatlicher und suprastaatlicher Zentralisierung zweckentfremdet und für allerlei Experimente zur angeblichen Rettung des Finanzsystems eingezogen. Dafür wird auch gerne in Kauf genommen, dass die als Vorsorge projektierten Sozialwerke ohne substantielle Zinseinnahmen aus den ihnen erlaubten Anlagen, niemals die vor einigen Jahren versprochenen Beträge werden auszahlen können. Die sogenannte Finanz- und Eurokrise ist zudem ein seit bald 10 Jahren präsentes Problem, welches in keiner Weise gelöst ist. Zwischendurch wurde ein von jeglicher Rechtsprechung ausgenommenes Institut gegründet der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM [12] und die Macht der Europäischen Zentralbank EZB [13] vergrössert. Wobei deren Macht wohl noch nicht so gross ist, wie die der amerikanischen Federal Reserve Bank [14]. Dazu sind die Forderungen, die Deutschland über das Target2-System gegenüber anderen Ländern der Eurozone hat, ins unermessliche angestiegen. Der Saldo vom 31. Juli 2017 beträgt gemäss der Deutschen Bundesbank [15] € 856'510'393'240,36. Das entspricht mehr als € 10'500 pro Einwohner Deutschlands. Mir sind die genauen Modalitäten eines hypothetischen Austritts Deutschlands aus der Eurozone unbekannt. Wenn ich die Höhe der Forderungen sehe, kann ich aber nur sagen, dass eine neue Deutsche Mark mit mindestens diesem Betrag gedeckt wäre, da ihn die EZB wohl an Deutschland überweisen müsste. Unter diesen Umständen würde sich ein Ausstieg für Deutschland lohnen.

  8. Über die Finanzkrise liesse sich auch einiges über die in der Schweiz getroffenen Scheinlösungen schreiben. In den vergangenen 10 Jahren wurde vor allem die von der Schweizerischen Nationalbank gesteuerte Menge an Schweizer Franken in extremer Weise vergrössert und mit Negativzinsen die SItuation in der beruflichen Vorsorge und der steuerlich begünstigten privaten Vorsorge massiv verschlechtert. Ob das Allerweltsprodukt der Staatsanleihe überhaupt ein zulässiges Produkt oder nicht doch eher einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellt, sollte auf jeden Fall auch wieder einmal diskutiert werden. Mit dem Verkauf einer solchen Obligation, an wen auch immer, werden schliesslich die Bürger verpflichtet, so zu arbeiten, dass der Staat diese und den entsprechenden Zins nach Ablauf wieder auszahlen kann. Zum Finanzsystem insgesamt kann ich sagen, dass es unbedingt einer ganz grundlegenden Reparatur und Weiterentwicklung in Richtung mehr Robustheit bedarf. Mehr Macht und Befugnisse für Kontrollorgane und Alternativlosigkeit sind keine Lösung. Es braucht wohl weniger mathematische Modelle, sondern mehr ausgeklügeltes Engineering. Im Ingenieurwesen, etwa beim Bau von Grossproduktionsanlagen müssen eine Menge Vorkehrungen in Sachen Absicherung und Schadensminimierung bei Unfällen getroffen werden, es muss auch redundante Sicherungssysteme geben. Tut man das nicht, bekommt man hierzulande eine solche Anlage auch nicht versichert. Dann ist die Haftung nicht klar und es wird schwierig eine Baubewilligung zu bekommen.

  9. In Deutschland gibt es die Floskel freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das heisst eigentlich, dass in einem Land, in dem dieses Prinzip gilt, damit meine ich ausdrücklich nicht nur Deutschland, die Freiheit als primäre Grundordnung herrschen soll. Dann, in erster Unterordnung, wenn ein Problem mit Freiheit - angeblich oder echt - nicht zu lösen ist, Demokratie also Herrschaft des Volkes angewendet wird. Als drittes Wort steht da Ordnung, also muss das Handeln eines jeden Individuums und insbesondere der Politik und Justiz danach richten, was Ordnung schafft oder Entscheidungen treffen, die in Richtung mehr Ordnung gehen. Wer das tun will, muss vor riskanten Experimenten mit unbekannten Konsequenzen die Finger lassen und konservativ vorgehen. Es sei denn, es sind Dinge in Kraft, deren Folgen nicht abschätzbar sind. Solches muss abgeschafft werden.


[1] Politik 034 - Warum ich der Politik Antiglauben entgegenbringe. @saamychristen, 09. August 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-034-warum-ich-der-politik-antiglauben-entgegenbringe
[2] Angela Merkel: "Mit mir wird es keine Maut geben." BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN YouTube Kanal, 31. März 2017. Ausschnitt aus TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück aus dem Jahr 2013.

Merkel und die Straßengebühr - Die Maut-Lüge. Spiegel online, 11. Mai 2015 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/pkw-maut-die-luegen-kanzlerin-merkel-a-1033140.html
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_Charlie_Hebdo
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Osama_bin_Laden
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Arabischer_Fr%C3%BChling
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Muammar_al-Gaddafi
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Libyen
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Syrien
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Baschar_al-Assad
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_(Organisation)
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot-Abkommen
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Stabilit%C3%A4tsmechanismus
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Zentralbank
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Federal_Reserve_System
[15] https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/TARGET2/TARGET2_Saldo/target2_saldo.html


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Dein Artikel erinnert mich an meinen alten Wirtschaftslehrer welcher uns eine entscheidenden Fakt mit auf den Weg gegeben hat: " In der Geschichte der Bundesrepublik hat noch keine Regierung irgendeine Steuer gesenkt!" Mit der Aussage möchte ich an die damalige Debatte erinnern als es um die Einführung und dessen Vorteile ging. "Die Deutschen müssen nicht mehr zahlen, wir können stattdessen die Steuern sinken um den Mautbetrag für Deutsche praktisch auf 0 zu setzen"
Das Hamsterrad dreht sich immer schneller und alle müssen schauen das sie schneller laufen!

Sehr guter Beitrag von dir! Upvote und Follow von mir!

Danke für den Kommentar und Willkommen bei Steemit!

Das Hamsterrad muss vor allem deswegen schneller laufen, weil der staatliche Hunger nach mehr Selbstinszenierung oder Umverteilung nicht gerade kleiner wird. Es ist bei weitem nicht nur die Profitgier von Firmen, die die Menschen zum fleissigen arbeiten zwingt.

Es gibt einige Menschen, die von einer Welt ohne Wachstumszwang sprechen. Man kann sich gerne friedlich dahin bewegen wollen, da habe ich nichts dagegen. Es müssen dafür aber Vorkehrungen getroffen werden. Eine ganz zentrale ist die folgende: Wenn der Kuchen schon nicht mehr grösser wird, darf es auch der Anteil der Umverteilung nicht werden, weil sonst der Druck auf jedes Individuum massiv zunimmt. Druck führt in der Regel zu reduziertem Gehorsam und geringerer Leistung.

Gestern habe ich jemanden davon sprechen gehört, man solle wegen der Überbevölkerung endlich global eine Ein-Kind Politik durchsetzen. Ich bin nicht gerade als Systemdenker bekannt, habe dann aber nachgefragt, wie dann der Sozialstaat auszusehen hätte. Sie hat gemeint, das sei alles gut so wie es ist, das könne man so behalten. Ich habe dann nachgefragt, ob sie wisse, wieviel dann jeder junge Erwachsene verdienen müsse, um sein Kind, 2 Elternteile, 4 Grosseltern und dazu noch kinderlose Rentner anständig mitversorgen zu können und ob das nicht ein bisschen zuviel des Produktivitätsdruckes sein könnte. Es dürfte wahrscheinlich etwa das Drei- bis Vierfache davon sein, was diese Altersgruppe heute im Schnitt verdient. Sie war danach jedenfalls ruhig.

great post thank you so much for sharing

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