Persönlichkeitsentwicklung 030 - Schlechte Weltbilder - Ein Beispiel und Gegenmassnahmen

in #deutsch6 years ago (edited)

06. Juli 2018

Lange Zeit habe ich sträflich unterschätzt, in welchem Ausmass die grundsätzlichen Denk- und Wahrnehmungsmuster eines Menschen für Unterschiede im Ergebnis im Leben als Erwachsener sorgen. Aus meiner Sicht bilden diese die Basis für das Handlungsspektrum, innerhalb dessen man auf diesem Planeten agiert und mehr oder weniger tiefe Spuren hinterlässt. Es geht aber nicht nur um die Tiefe der Spuren, sondern darum, dass diese positiv, aufbauend und wertvoll sind oder negativ, herunterziehend, zerstörerisch oder vielleicht gar mörderisch.

Über ein schlechtes Weltbild habe ich vor einiger Zeit ein frei gesprochenes Video aufgenommen [1], welches so langatmig ist und über 40 Minuten lang, dass ich das Anschauen nur dann empfehle, wenn man wirklich Zeit übrig hat. Es war am Anfang des August 2016, kurz bevor ich bei Steemit zu veröffentlichen begann. Im Video ging es um Bestrafungsphantasien. Neben dem wie erwähnt langatmigen Video habe ich damals einen ziemlich langen Begleittext geschrieben, der der Vollständigkeit halber am Ende dieses Artikels angefügt ist.

Bestrafungsphantasien kommen dann zum Vorschein, wenn man sich gegen ein Ereignis nicht zur Wehr setzen kann. Man wird schlecht behandelt und entwickelt deswegen Missgunst. Getrieben von der Missgunst können allerhand böse Pläne geschmiedet werden, um den Menschen, die einem schlecht mitgespielt haben, die Taten entsprechend zu vergelten.

Über die direkte Betroffenheit von gegen einen gerichteten Taten hinaus gibt es auch Lehren, die gezielt die Anlagen von Missgunst, die in einem jeden Menschen vorhanden sind, stimulieren. Professor Jordan Peterson [2], weltweit bekannter Psychologieprofessor, hat in vielen seiner Interviews und Vorträgen darauf hingewiesen, wie schädlich gerade die sozialistischen Ideologien sind, weil sie gezielt die Missgunst ansprechen. Daraus entstehen Neid, Wut, Gewaltphantasien und eine Machtgier, die für den Fall der eigenen Machtübernahme eine Art Erlösungssehnsucht in Aussicht stellt. Über Missgunst habe ich bereits vor drei Wochen einen Artikel veröffentlicht [3], in welchem ich Jordan Peterson auch erwähnte.

Dass die Erfüllung dieser Sehnsucht ein objektiv positives Ergebnis zur Folge hat, ist höchst unwahrscheinlich. Denn, ein von Missgunst erfülltes Weltbild ist nicht konstruktiv. Es geht primär darum, die Leute zu bestrafen, die die aktuell möglicherweise vorherrschenden Probleme zu verantworten haben. Diese Probleme können echt sein oder nur in der Vorstellung existieren. Etwas Aufbauendes oder ein konkreter Plan, wie man Dinge wirklich verbessern kann und mehr Menschen zufriedenstellt, als es zum gegebenen Zeitpunkt der Fall ist, ist darin nicht enthalten. Allein das macht es schon sehr wahrscheinlich, dass man im Falle einer Machtübernahme kein positives Ergebnis hervorbringen wird.

Solange die Erfüllung der Bestrafungsphantasie nicht realistisch ist, leidet man innerlich. Man versprüht gegen die Neid- und Hassobjekte ein Gift. Man kann das dann noch weiter auf die Spitze treiben, indem man möglicherweise nahezu paranoid wird und riesige Verschwörungstheorien entwirft. Das ist insofern nicht positiv, weil man sich in dieser Zeit mit Figuren beschäftigt, die einem selbst wahrscheinlich nichts helfen und bringen können und man in dieser Zeit nicht an positiven Dingen arbeiten kann. Die Negativität stiehlt einem Energie und Zeit, macht einen giftig und möglicherweise verbittert und bringt einen davon ab, an sinnvollen Zielen zu arbeiten.

Das einzige, wirksame Gegenmittel gegen entstehende Bestrafungsphantasien, ist dieses, dass man sich eine schlechte Behandlung nicht bieten lässt und ausspricht, wie man sich die Sache sinnvollerweise vorstellt. Dass man auf einen schlechten Handel nicht eintritt und direkt sagt, weshalb man ablehnt und sich nicht über den Tisch ziehen lässt. Sich stattdessen wie erwähnt dem Negativen, Verschwörungstheorien und Opferphantasien hinzugeben, ist nicht nur nicht ratsam, sondern ein Selbstbetrug. Je intelligenter ein Mensch ist, desto intelligenter können auch die Arten von Selbstbetrug sein, denen er zum Opfer fällt [4], das ist unbedingt zu beachten. Dazu gibt es ein kurzes, sehr lehrreiches Video der bekannten Kommunikationstrainerin Tatjana Lackner (@tatjana.lackner bei Steemit) über Selbst- und Fremdvertrauen [5].

Auch wenn die Politik hierzulande weitgehend kollektivistisch und alles andere als freiheitlich geprägt ist, Zwängereien und gesellschaftliche Rituale des Geschwätzes vorhanden sind, gibt es noch Raum zur individuellen Lebensgestaltung. Noch nicht alle Lebensbereiche sind politisch durchsetzt und vollständig kontrolliert. Wer erfolgreich sein will, kommt nicht darum herum, individuelle Gestaltung zu betreiben und nicht ausschliesslich in der Unkenntlichkeit der Konformität zu verschwinden.

Auch wenn es einem immer wieder nicht positiv ausgelegt wird, bleibt man in aller Regel nur dann den Menschen in Erinnerung, wenn man mit einem eigenständigen und erkennbaren Profil auftritt. Ganz wichtig dafür ist, dass man seine Positionen, Werte und Fähigkeiten kennt. Um wirkungsvoll zu sein, bedarf es des Aufbaus eines gesunden Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens.

Der erste Schritt hinaus aus den täglichen Ritualen der gesellschaftlichen Kontrolle und neiderfüllten Missgunst, dürfte der schwierigste von allen sein. Es ist ein Schritt der Selbstermächtigung, der nur zu mehr Selbstbestimmung und damit Freiheit führen kann. Aber es ist ein Schritt über eine Grenze ohne Wiederkehr, besser bekannt als Point of no Return, was zunächst auch Angst machen kann, weil das Thema nicht nur den Verstand, sondern das ganze menschliche Wesen erfasst. Das bedeutet aber auch, dass man sich eine Änderung der eigenen Einstellung nicht einfach ganz kurz im Verstand überlegen kann und dann umprogrammiert ganz anders durchs Leben schreitet.

In einer Gesellschaft, die sich selbst zivilisiert nennt, sollten aus meiner Sicht ohnehin Gesetze und Ethik die Ordnung bestimmen, nicht die giftigen Meinungen einzelner Menschen, die selbst wahrscheinlich nicht die hellsten Vorbilder sind. Es muss für das eigenwillige Individuum stets Freiräume geben, wenn es in Sachen Eigenverantwortung die minimalen Vorgaben erfüllt.


Vor einigen Tagen gab es passend dazu wieder einmal auf einer Schweizer Medienseite [6] eine Diskussion um die Person Donald Trump [7], seines Zeichens Milliardär, 45. Präsident der USA. Aus meiner Sicht hat er gute Chancen auf eine Wiederwahl, ich gehörte auch 2016 zu denen, die ihm gute Erfolgschancen prognostizierten.

In der Diskussion gefielen sich viele in der Rolle der Spötter und Verächtlichmacher Donald Trumps. Vieles wird ihm vorgeworfen, unter anderem werden ihm Vorgänge im US-Amerikanischen Staat zur Last gelegt, die seine teilweise demokratischen Vorgänger zumindest gemäss meinem Wissensstand auch nicht anders gehandhabt haben.

Die Verächtlichmacher und Spötter tun dies, weil es bei den Konformen und Mainstreamern, also innerhalb der grossen menschlichen Schafherde gerade angesagt ist, nicht weil sie im besonderen Masse etwas verstanden hätten. Einen Wert erschaffen sie damit selbstverständlich nicht. Schreibe ich einen solchen Spötter an und frage ihn, ob er seine Visionen gerne veröffentlicht hätte oder besser präsentiert, dann würden mich wahrscheinlich 95+ % von diesen nicht mit dieser Aufgabe betrauen und mich dafür entschädigen. Bei jemandem wie Donald Trump sähe das möglicherweise ganz anders aus und man sollte erkennen, dass er in seiner Zeit als Unternehmer tausenden Menschen Beschäftigung, Einstieg und Karriere ermöglicht hat. Und das waren nicht nur hellhäutige Blut-und-Boden-Amerikaner. Auch in der Schweiz, Deutschland und vielen weiteren Ländern könnte man Menschen erwähnen, denen ähnliches gelang.

Ich gehöre zu den Menschen, die tatsächlich schon Bücher gelesen haben, die in Donald Trumps Namen veröffentlicht wurden [6]. In diesen geht es um Selbstverwirklichung und darum, einen konstruktiven Mindset zu entwickeln, aber nicht um den Preis der Ausbeutung oder Ausnutzung anderer, sondern um möglichst alle voranzubringen. Menschenverachtend wie einige Leute nicht müde werden zu behaupten ist das nicht. Das einzige, was Donald Trump immer wieder betont hat, ist, dass er gegen seine Gegner sehr hart und aggressiv vorgeht. Aber auch das halte ich solange man halbwegs fair bleibt, für richtig, denn es werden einem dauernd schlechte Angebote gemacht, die wenig Nutzen bringen. Wer kein gutes Angebot hinbekommt sollte mit Konsequenzen Vorlieb nehmen müssen.


Der Begleittext des Videos [1]:

Warum sind Bestrafungsphantasien toxisch?

1. Sie basieren auf eingefrorenen Konflikten. Einer schädigt den andern, der sich nicht wehrt, sondern seinen Ärger in sich hineinfrisst, bis er es dem Tyrannen oder Peiniger heimzahlen kann oder bis er sonst irgendwann, irgendwo unkontrolliert explodiert. Der Geschädigte muss bis zur Heimzahlung den Ärger herumtragen und wird zweifach geschädigt. Einerseits von aussen durch den Peiniger und von innen durch das energieintensive Nachtragen. Wobei es nicht einmal garantiert ist, dass der Tyrann sich seines tyrannischen Wesenszugs bewusst ist.

2. Konflikte können meist am Anfang am besten gelöst werden, wenn man direkt seine Eigeninteressen mitteilt. Im Moment der Quälerei hat man den Tyrannen vor sich und kann ihn konfrontieren. Später kommt man eventuell gar nicht mehr an ihn heran. Oder sämtliche Lebensumstände haben sich längst geändert, aber das Giftsüppchen kocht noch immer bis zur Paranoia. Paranoia kann dazu führen, dass man die Bestrafungsphantasien nicht mehr nur gegenüber einzelnen Menschen hat, sondern diese auf "Kollektive" anwendet. Wobei aus dem "Kollektiv" eventuell kaum einer einen wirklich geschädigt hat.

3. Leidensfähigkeit wird im Christentum des Öfteren glorifiziert, bis zur Selbstaufgabe und vor allem bis zur totalen Verachtung des eigenen Körpers. In den untenstehenden Zitaten wird gesagt, dass das Leiden zum Guten diene und Gott einem nicht zu viel zumuten wird. Nur, was ist von Gott auferlegt und was kommt vor allem durch die eigene Dummheit und Ignoranz, respektive Nichterkenntnis zustande? Eventuell leide ich am ganzen Körper unerträglich, nur wegen meiner eigenen Dummheit.
Im Christentum gibt es auch den Erlösungsglauben, der besagt, dass jede Seele, die nicht gegen den Heiligen Geist gesündigt hat, Gnade finden und erlöst werden kann. Bestrafungsphantasien in den Tod zu kultivieren und zu behalten, macht also auch unter diesem Aspekt keinen Sinn.

4. Traumatisierung erleidet wohl jeder Mensch, in stark unterschiedlichem Masse natürlich. Schlimme Fälle werden eventuell zu nicht mehr therapierbaren Pflegefällen, die meisten Menschen sind aber weitaus weniger traumatisiert und fähig, alte Schäden zu verstehen und mindestens das Nachtragen durch Erkenntnis einzuschränken. Einiges an Traumatisierung kommt im Kindesalter zustande, wenn Eltern resp. Betreuer oder Erzieher Vorschriften machen, die sie selber nicht einhalten. Das löst in Kindern Unverständnis aus. Das Zugeben eigener Schwächen gegenüber Kindern könnte die Traumatisierung abschwächen.

5. Selbstmitleid halte ich für einen regelrechten, pseudoreligiösen Kult, der wie alle anderen Kulte langsam und leicht beginnt, sich aber unbegrenzt ausbreiten kann. Pseudoreligiöse Kulte sind z.B. auch die Staats-/Funktionärsverehrung im Sozialismus oder das Falschgeldsystem. Mark Passio aus Philadelphia PA, ehemaliger Satanist und heute selbständiger Wahrheitssucher bezeichnet auch weitere Herrschaftsstrukturen wie Militär, Polizei, Geheimdienste als Kulte, deren Mitglieder verständige, eingeweihte Satanisten als ihre Hunde bezeichneten. Er argumentiert dabei u.a. mit der Symbolik, die auf den Uniformen, Logos, Badges und Auszeichnungen verwendet wird. Wobei mir das dann ein bisschen weit geht. Da ich geistig für grösstmögliche Offenheit stehen möchte, verbreite ich es als interessanten Gedankengang einmal weiter.

Ich erwähne im Video mehrfach den Gebrauch von physischer Gewalt. Den Gebrauch von Gewalt verteidige ich generell nicht, gerade wenn man physisch überlegen ist. Aber man stelle sich vor, ein sehr wortgewandter Intellektueller nimmt verbal einen Bauarbeiter, der sprachlich nicht auf dem selben Level ist, komplett und unfair auseinander. Der Intellektuelle muss mit einer Form des Widerstands rechnen. Wenn der Andere sprachlich nicht mithalten kann, kann die Gegenwehr von anderer Natur sein, auch physischer. Natürlich soll es nicht völlig ausarten. Aber es gehört zum eigenverantwortlichen Verhalten, verbale Botschaften so zu transportieren, dass sie beim Gegenüber ankommen und dieser sie annimmt. Wenn einer nach seiner Botschaftsvermittlung verprügelt wird und der Schläger kein pathologischer Gewaltanwender ist, liegt die Wahrscheinlichkeit einigermassen hoch, dass die Botschaft nicht besonders vorteilhaft transportiert wurde. Das legitimiert die Anwendung von Gewalt zwar nicht, aber ich billige den Menschen zu, nach ihren Fähigkeiten Widerstand leisten zu dürfen.

Zwei Bibelzitate zum Thema Leiden:
"Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind." Römer 8, 28.
"Keine Versuchung hat euch ergriffen als nur eine menschliche; Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, so dass ihr sie ertragen könnt." 1. Korinther 10, 13.


[1] Ansichten eines einfachen Menschen 063 - Bestrafungsphantasien sind toxischer Müll. Samuel Christen YouTube Kanal, 02. August 2016
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Jordan_Peterson
https://de.wikipedia.org/wiki/Jordan_Peterson
[3] Ideologie 071 - Gedanken über Unverbesserliche und Missgünstige. @saamychristen, 16. Juni 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-071-gedanken-ueber-unverbesserliche-und-missguenstige
[4] Persönlichkeitsentwicklung 026 - Kommunikation findet immer statt. @saamychristen, 09. Mai 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/persoenlichkeitsentwicklung-026-kommunikation-findet-immer-statt
[5] Selbstvertrauen versus Fremdvertrauen. SCHULEdesSPRECHENS YouTube Kanal, 09. Januar 2013
[6] US-Staat Virginia - Trumps Pressesprecherin fliegt aus Restaurant. 20min.ch, 24. Juni 2018, von (chk/sda) http://www.20min.ch/ausland/news/story/Trumps-Pressesprecherin-fliegt-aus-Restaurant-15341423
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Donald_Trump
https://en.wikipedia.org/wiki/Donald_Trump
[8] Politik 053 - Donald J. Trumps Verhandlungsstil. @saamychristen, 31. Dezember 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-053-donald-trumps-verhandlungsstil


Bisherige Posts in der Rubrik «Persönlichkeitsentwicklung».
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"Aber es ist ein Schritt über eine Grenze ohne Wiederkehr, besser bekannt als Point of no Return, was zunächst auch Angst machen kann, weil das Thema nicht nur den Verstand, sondern das ganze menschliche Wesen erfasst. Das bedeutet aber auch, dass man sich eine Änderung der eigenen Einstellung nicht einfach ganz kurz im Verstand überlegen kann und dann umprogrammiert ganz anders durchs Leben schreitet."

Diesen Absatz hast du neu eingefügt zu [4].
Mir ist das (mit dem Schritt über eine Grenze ohne Wiederkehr) nicht ganz selbstevident. Lässt mich zweifeln und grübeln.
Wobei ich denke, dass man es begründen kann. (Ich versuche es gerade ad-hoc. D.h. nicht, dass ich deshalb zwangsläufig diese Argumentationsfigur vertrete.)
Beispielsweise könnte man sich neue Rituale aneignen, die auf andere Art und Weise neiderfüllte Missgunst befördern. (Beispiel ist der Sturz/Sprung von einem Extrem ins andere. Z. B. von total introvertiert zu total aufgedreht/extravertiert.)
Der Clou wäre nun die 'Selbstermächtigung' oder die Erkenntnis der 'Selbstverantwortung' (z. B. kein pauschales "aber ich kann doch nichts für meine Gefühle" mehr). Denn diese würde die Korrektur des Ausschlagens in eine andere Richtung oder die Entwicklung erneuter Missgunst erneut berichtigen können.

Danke für den Kommentar!

Ja, ich habe den Abschnitt noch umgebaut. Zuviel darüber grübeln sollte man aber nicht, da in meinen Texten meist einiges an Spontanität enthalten ist und nicht jeder Satz doppelt oder mehrfach gedacht.

Das mit dem Point of no Return ist so gemeint, dass einzelne Schritte bewusst getan werden müssen. Erst empfindet man möglicherweise etwas Angst vor dem Ungewissen, dann beginnt man sich zu öffnen und es geht eine neue Welt auf, die man zuvor noch nicht gekannt hat. Diese verändert auch die Lebensrealität auf eine Weise, dass man nicht mehr zurückgehen kann.

Wer erwachsen geworden ist und eigenverantwortlich lebt, wird auch nicht freiwillig wieder Grundschüler. Das, was man sich an Freiheit erarbeitet hat, gibt man nicht leichtfertig und freiwillig ab.

Das mit den Gefühlen zum Schluss ist so eine Sache. Ich bin der Ansicht, dass die Menschheit eigentlich ziemlich ehrlich und natürlich empfindet und dass man dauernd Dinge fühlt. Wenn es damit Probleme gibt, dürfte es eher am Verstand liegen, dieser kann umfassend programmiert werden, auch herausragend falsch.

Danke für die schlüssige Antwort.
Deine Ansicht zum Verstand ist faszinierend, instinktiv würde ich meinen, zutreffend.

Wieder ein sehr interessanter Post zum Thema Persönlichkeitsentwicklung lieber @saamychristen;-) Ja das mit den Bestrafungsphantasien bzw. ich nenne sie "Rachegelüste" kenne ich aus eigener Erfahrung nur allzu gut. Gerade wenn man wie ich ein "übersteigertes" Gerechtigkeitsempfinden hat, ist man schnell dabei über andere zu urteilen und zu fordern "Gleiches mit Gleichem zu vergelten". Dabei vergisst man allzu leicht, dass man sich selbst in die Opferrolle katapultiert und dadurch sich selbst mit giftigen Gedanken am meisten schädigt. Ich kenne mich da persönlich leider sehr gut aus und weiß nur zu gut, wie schlecht und unproduktiv es ist sich als Opfer zu fühlen und in "Bestrafungsphatasien" zu schwelgen. Mit dieser Mentalität besteht zudem auch die Gefahr, dass man sich (in Gedanken) vom Opfer zum Täter macht und der Teufelskreis mit den Ungerechtigkeiten immer weiter geht.

Erst seitdem ich Kinder habe, habe ich angefangen mich mit dieser Thematik näher zu beschäftigen, da ich mir für meine Kinder nicht wünsche diese "Bestrafer"-Mentalität zu übernehmen. Dabei bin ich auf Desmond Tutu, einem südafrikanischen Menschenrechtsaktivisten gestoßen, der während der Apartheid-Zeit unermessliches Grausames miterlebt hat und dennoch für Vergebung plädiert, um den Opfer-Täter-Teufelskreis zu durchbrechen und durch Versöhnung diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dabei geht es ihm nicht nur um Vergebung im politischen und gesellschaftlichen Kontext, sondern in jedem Bereich unseres Lebens und das schließt auch die Vergebung uns selbst gegenüber, z.B. für unsere "Bestrafungsphantasien" mit ein. In diesem Sinne bedeutet Vergebung nicht das Gleiche wie Verzeihen und soll nicht Unrecht entschuldigen oder gutheißen, sondern uns selbst von dieser selbstauferlegten mentalen Last des Leidens befreien und uns selbst wieder zum Schöpfer unseres eigenen Lebens machen. Tutu sagt dazu folgendes:

“Without forgiveness we remain tethered to the person who harmed us. We are bound with chains of bitterness, tied together, trapped. Until we can forgive the person who harmed us, that person will hold the keys to our happiness; that person will be our jailor. When we forgive, we take back control of our own fate and our feelings. We become our own liberators.”

Leider ist es nicht leicht diese neue Mentalität der Vergebung zu praktizieren, denn man kann sich schlecht vornehmen sofort zu vergeben und das wars dann. Vergebung kann man nicht erzwingen, es ist ein Prozess, bei dem man sowohl rational als auch mit dem Herzen an sich selbst arbeiten muss, bis man diese Fesseln der "Bestrafungsphantasien" nicht mehr verspürt und sich stattdessen wieder frei fühlt. Ich habe beschlossen diesen Weg zu gehen, um meinen Kindern das Konzept der Vergebung vorzuleben (leider gibt es ja, wie du schon geschrieben hast nicht so viele Vorbilder in der Politik etc.), obwohl ich gestehen muss, dass ich dabei noch viel zu oft scheitere;-)

Danke für den Kommentar!
Da er etwas länger ausgefallen ist, musste ich mir auch ein wenig mehr Zeit nehmen, um ihn zu beantworten.

Dem ersten Abschnitt habe ich nichts hinzuzufügen.

Die Vergebung und Versöhnung ist einerseits etwas, was in der christlichen Lehre sehr gross geschrieben wird. Dann ist es, wie du gesagt hast, auch ganz wichtig für einen selbst, dass man Konflikte nicht länger andauern lassen sollte. Ich sehe es mittlerweile so, dass man sich entweder direkt wehrt oder seine Interessen geltend zu machen versucht oder aber wohl hinnehmen muss, was geschehen ist. Da es aber unangenehm ist, mies behandelt zu werden, sollen einem schlechte Erfahrungen auch ein Ansporn sein, seine Hausaufgaben so gut zu erledigen, dass es nicht mehr dazu kommt. Angegriffen wird man immer wieder. Das Resultat der Angriffe ist aber von der eigenen Stärke abhängig. Und ins Leere laufen lassen ist meist besser als auf direkte Konfrontation zu setzen.


Mit der Persönlichkeit Desmond Tutu möchte ich mich auch einmal etwas eingehender beschäftigen. Südafrika war bei mir auf dem Blog schon mehrfach ein Thema. Durch die hohe Kriminalität haben sie in Südafrika gerade auch bei kirchlichen Kreisen viel mit Tragödien zu tun und möglicherweise ganz besondere Gedanken für die Bewältigung von Konflikten.

Die Bewegung ANC, welche 1994 an die Macht kam, war leider auch nicht gerade ein Musterbeispiel an Friedlichkeit und Einigungsfähigkeit, obwohl sie das selbst von sich sehr offensiv behaupteten. Sie haben sich ja auch bereitwillig von der Sowjetunion unterstützen lassen und teilweise eine ziemlich sozialistische, aber auch kleptokratische Linie. Das macht mich gegenüber Menschen die sich in diesem Umfeld bewegen oder bewegt haben erst einmal eher skeptisch. In den 1970ern kamen auch christliche Black Consciousness Bewegungen auf, die für ein nachhaltigeres Gedankengut standen, aber in ihrem Machtanspruch weniger zielstrebig waren.

Die Zahl der Tötungen und Morde in Südafrika ist heute mit offiziell ca. 20'000 pro Jahr bedeutend höher als in der meisten Zeit der Apartheid. Da gab es in der Anfangszeit 1948-1965 weniger als 5'000 Tötungen. Mit den Protestbewegungen wurde das Problem grösser und bis heute sind gerade die Konflikte unter Schwarzen leider nicht weniger gewalttätig geworden. Sich für Friedlichkeit einsetzende Menschen wie Tutu wird das bestimmt nicht fröhlich stimmen.

Wow mit so einer ausführlichen Antwort hatte ich nicht gerechnet, vielen Dank für deine Zeit lieber @saamychristen:-)))
Du hast Recht, das Prinzip der Vergebung ist tief im religiösen Bereich verwurzelt und hat für religiöse Menschen eine große Bedeutung, wie man an dem Gebot “und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ sehen kann. Aber ich sehe dass auch so, dass es unsere Schuld bzw. Verantwortung ist, unsere Interessen zeitnah zu vertreten, so dass man sich nicht nachher mit "Bestrafungsphantasien" quälen muss;-) Und da hilft regelmäßig zu trainieren oder nach einer unfairen Konfliktsituation Lehren daraus zu ziehen und sich konsequent in Schlagfertigkeit und Rhetorik weiterzuentwickeln. Insofern ist es wohl besser zuerst das Prinzip "Selbstverantwortung" zu praktizieren und danach die Vergebung;-) Bezüglich Südafrika kann ich nicht viel sagen, aber was du dazu geschrieben hast klingt zwar traurig, ist aber sehr aufschlussreich. Ich werde mir mal bei Gelegenheit deine anderen Posts zu diesem Land mal ansehen, um meine Kultur- und Geschichtskenntnisse zu verbessern - vielen Dank für den Hinweis:-))))

"Dein Video über das "Alltagsgespräch" war nur allzu bezeichnend, wie wichtig vielen Leuten das Zuhören respektive das Eingehen auf den Mitmenschen und das Spüren von dessen Empfindungen ist."
Empathie, einfühlen, 'connection', Verbundenheit.
GfK - gewaltfreie Kommunikation.
Dazu passend: http://heuler.de/gfk/

Danke für den Kommentar und den Link!

Je intelligenter ein Mensch ist, desto intelligenter können auch die Arten von Selbstbetrug sein, denen er zum Opfer fällt [4], das ist unbedingt zu beachten

Das kann man gar nicht oft genug wiederholen

Betrafungsphantasien sind doch etwas ganz Normales, würde ich sagen. Sie entspringen dem Gedanken, dass alles Handeln irgendwie eine Folge haben muss. Dabei geht jeder von seinem eigenem Gerechtigkeitssinn aus. Deswegen kann man schlecht darüber diskutieren, ohne sich auf eine Norm geeinigt zu haben. Ich denke, dass Leben ist insgesamt, für sich gesehen, als Zeitrahmen des Menschen, sinnlos und ungerecht. Erst wenn man sich in die geistig-spirituelle Welt des Denkens begibt, ändert sich das Bild. Einem einfachen Menschen könnte man zusammenfassend erklären: Du wirst geboren um zu sterben. Einen gläubigen oder spirituellen Menschen kann man sagen: Es ist Deine Aufgabe diesem Zeitrahmen einen Sinn zu geben, weil am Ende eben doch nicht Schluss ist :-).

Danke für den Kommentar! Schön gesagt.

Mir ging es im Artikel nicht darum, den Bestrafungsphantasien die Natürlichkeit oder Nachvollziehbarkeit abzuerkennen. Es ging darum, ein wenig darzulegen, warum es eher nicht förderlich ist, solche Gedanken zu weit zu entwickeln. Dass daraus keine positive Perspektive erwächst.

Was ist eine positive Perspektive? Selbst aus einer Schandtat kann eine positive Entwicklung folgen. Allein die Begriffe Positiv oder eben Negativ sind für sich selbst gesehen nur neutrale Worte, deren Wert ohne einen konkreten Standpunkt nie klar definiert ist. Darum diskutieren wir Menschen bis in alle Ewigkeit, weil jeder in einer anderen (seinen eigenen) Welt lebt.

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