Persönlichkeiten 005 - Rolf Peter Sieferle, Historiker

in #deutsch7 years ago (edited)

12. Juni 2017

Rolf Peter Sieferle war ein deutscher Historiker (05. August 1949 - 17. September 2016) und ordentlicher Professor, der im September 2016 freiwillig aus dem Leben schied [1]. Er lehrte zunächst an der Universität Mannheim, später an der Universität St. Gallen in der Schweiz. Seine Arbeitsschwerpunkte lagen in der Umweltgeschichte und der Sozial-, Kultur- und Ideengeschichte der Industrialisierung. Einige seiner Publikationen gerade über die Industrialisierung gelten als Standardwerke, von denen ich leider bisher nicht eines gelesen habe, auch wenn ich mich für Industriegeschichte interessiere. Was mir bei der Beschäftigung mit der Geschichte von Innovationen am meisten aufgefallen ist, ist die Langsamkeit, mit der im frühen Industriezeitalter Innovationen auf die Märkte kamen. Es kam zwar zu einer ganzen Reihe wirklich bahnbrechender Erfindungen - Grossproduktionsanlagen für Stahl, Guss, Chemikalien, die Dampfmaschine, Elektrizität in Grossproduktion und Vernetzung. Deren Verfeinerung und Weiterentwicklung nahm aber erst mit fortlaufender Kultivierung des Ingenieurwesens und der Naturwissenschaften im betriebswirtschaftlichen Kontext wirklich Fahrt auf.


Rolf Peter Sieferle in einer Aufnahme aus dem Jahr 2005 [2].

Inwiefern Sieferle in seinen Werken auf die wirtschaftlichen Entwicklungen einging oder ob er die wie viele Historiker eher ausgeblendet hat, ist mir nicht bekannt. Sollte er das getan haben, würde ich spontan von extrem wichtigen Werken sprechen und fühle mich stark aufgerufen, mir diese Werke anzusehen.

Spätestens im Jahr 2015 schien Sieferle mit der Entwicklung Deutschlands sehr unzufrieden geworden sein. Er äusserte sich sehr negativ dazu, dass einer nie dagewesenen Zahl von Menschen erlaubt wurde, Deutschland ohne Identitätsprüfung und ohne Aufenthaltsgenehmigung zu betreten. Was keinem Touristen aus visumspflichtigen Ländern erlaubt ist, wurde 100'000en Menschen, die zumeist aus Krisengebieten stammen, ohne kritisches Abwägen der Risiken erlaubt. Nicht vergessen werden sollten dabei die Tatsache, dass sich längst nicht jeder von denen, die aus Libyen oder Syrien hergekommen sind, sich tatsächlich und ehrlich als mit dem Westen verbündet sehen.

In Libyen etwa wurde der frühere Herrscher Muammar Gadhafi als nicht mehr tragbar erklärt und gewaltsam gestürzt. Dessen geheimdienstliche Aktivitäten und Vernetzungen scheinen in der Welt recht undurchsichtig gewesen sein. Er soll auch in die Finanzierung von europäischen Sezessionsbewegungen involviert gewesen sein, über die russiche Medien auch immer wieder berichten, währenddessen in Europa selber nur sehr wenig darüber gesprochen wird, es sei denn, es kommt zu gewalttätigen Ausschreitungen. In den Wirren des Krieges in Libyen wurden vorwiegend Anhänger des Gadhafi-Regimes aus dem Land gedrängt und in Europa wurde verkündet, man müsse Kriegsflüchtlinge aus Libyen gefälligst aufnehmen. Dass diese aber weitgehend mit dem vorherigen, von Europa her gestürzten Regime verbündet waren, wurde verschwiegen. Den erklärten Gegner bei sich aufzunehmen, ist auch schwer vermittelbar.

Im Falle Syriens war die ganze Sache noch verwirrender. Nicht nur, dass dort eine Vielzahl von Konfliktparteien aktiv sind, sondern auch die Tatsache, dass es sich bei dem Land um einen Verbündeten Russlands und des Irans handelt. Beide Länder werden vom Westen her sanktioniert und zumeist als Gegner gehandelt. Sinn ergibt also folgende Massnahme, wenn es in einem gegnerischen Land zu Konflikten kommt. Man gewährt Dissidenten, Aktivisten und anderen echt politisch Verfolgten Asyl. Im grossen Stil Asyl zu gewähren, ist sicherheitstechnisch höchst bedenklich, da es sich bei den aufgrund ihrer schieren Zahl nicht mehr überprüfbaren Menschen handelt und man keinerlei Ahnung mehr haben kann, ob sich vielleicht nicht gegnerische Agenten oder Saboteure in die Menschenmenge geschlichen haben.

Rolf Peter Sieferle hat zum Ende seines Lebens zwei Werke zu aktuellen Themen verfasst und darin wohl seiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen versucht. Sie trugen den Titel "Das Migrationsproblem: Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung" [3], respektive "Finis Germania" [4]. Beide Werke wurden bei Amazon zumeist sehr gut bewertet und rezensiert. Lediglich in einem Fall wurde das zweite Buch als eine geistige Verwirrung eines weissen Mannes bezeichnet, ein Vorwurf, der bei mir überhaupt nicht zieht. Ich stamme aus sehr einfachem Hause und habe mein Wissen weitestgehend selbst erarbeitet. Meine Karriere verläuft bis heute schleppend. Aber dies treibt mich an, mir noch viel mehr Wissen aneignen zu wollen, mich weiterzuentwickeln und mich mit den Menschen in Verbindung zu setzen, die teilweise meine Interessen auch teilen und die mir auch zu Fortschritt verhelfen können. Mit einem Privileg hat das nicht besonders viel zu tun, auch nicht mit einem weissen Privileg. Ich sehe nämlich keinen Grund, warum ein Mensch anderer Hautfarbe nicht ähnliches leisten können soll. Darüber hinaus schreibt der Rezensent noch von Holocaust-Leugnung in seinem Titel, die er im Text dann relativiert und von einem Nahevorbeischrammen spricht, wobei er nicht weiter ausführt, worin Sieferles Verfehlung genau besteht oder inwiefern sich Sieferle antijüdisch auslegbarer Aussagen bedienen muss, um die aktuelle Transformation Europas zu erklären.

Das letztere Buch von Rolf Peter Sieferle, "Finis Germania" hat aktuell für eine Kontroverse gesorgt, weil es in einer Bestsellerliste und in vom medialen Mainstream - etwa dem NDR oder der Süddeutschen Zeitung - publizierten Literaturempfehlungen gelanden ist. Dieses Buch und wohl nicht zuletzt auch der Verlag, bei dem es erschienen ist, sorgten für einen gewissen Aufruhr. Es ist beim von Götz Kubitschek geführten Antaios Verlag erschienen, der als rechtslastig angesehen wird, was mich nicht weiter beeindruckt, wenn ich das Buch lesen möchte. Als Beispiele von im medialen Mainstream veröffentlichten Artikel über die Kontroverse, seien drei Artikel genannt [5, 6, 7]. Es wird in einigen Medien aktuell von einem Skandal gesprochen und von einer schweren Verfehlung, dass dieses - übrigens ohne Altersbeschränkung frei zu erwerbende - Buch überhaupt auf der Liste empfohlener Literatur landete. Der NDR hat darüber hinaus verlauten lassen, dass die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten der Literaturempfehlungen vorübergehend ausgesetzt werde [8], wohl angesichts einer angeblich vorhandenen Tragweite des Falles, die sich mir nicht wirklich erschliesst. Wenn nicht zwischendurch ein tiefergehend kritisches Buch in den Literaturempfehlungen auftauchen dürfen soll, wie dünnhäutig, dogmatisch und eigentlich in sich schwach sind diese Medienschaffenden aufgestellt?

Ganz aktuell ist zu diesem Thema heute bei Philosophia Perennis auch ein Artikel erschienen [9].


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Peter_Sieferle
[2] Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“. Urheber ist Hans Jürgen van der Laar.
[3] Das Migrationsproblem: Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung. Manuscriptum, Waltrop 2017. https://www.amazon.de/dp/394487241X/ref=cm_sw_r_cp_dp_T1_skXpzbQY73WSB
[4] Finis Germania. Rolf Peter Sieferle, Antaios, Steigra 2017 https://www.amazon.de/dp/3944422503/ref=cm_sw_r_cp_dp_T1_5lWpzbB37YQJE
[5] ""„Rechtslastige Verschwörungstheorien“ in „Finis Germania“: NDR Kultur setzt Zusammenarbeit mit „Sachbücher des Monats“-Jury aus.**meedia, 12. Juni 201, von Alexander Becker http://meedia.de/2017/06/12/rechtslastige-verschwoerungstheorien-in-finis-germania-ndr-kultur-setzt-zusammenarbeit-mit-sachbuecher-des-monats-jury-aus/
[6] Buch-Empfehlung für NDR und SZ Redakteur des "Spiegel" gab rechtsextreme Leseempfehlung. FAZ, 12. Juni 2017 http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wer-setzte-rechtsextremes-finis-germania-auf-ndr-buchliste-15055693.html
[7] Finis Germania - Ein Sieg für die dumme Linke. Junge Freiheit, 12. Juni 2017, von Karlheinz Weissmann https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2017/ein-sieg-der-dummen-linken/#comments
https://phinau.de/jf-archiv/online-archiv/file.asp?Folder=17&File=201722052642.htm
[8] NDR Kultur setzt Zusammenarbeit aus. NDR, 12. Juni 2017, von Ulrich Kuhn http://www.ndr.de/kultur/NDR-Kultur-setzt-Zusammenarbeit-mit-Jury-Sachbuecher-des-Monats-aus,sachbuecher110.html
[9] Medien - Kritik an Migrationspolitik: NDR will Bücherverbote. Philosophia Perennis, 13. Juni 2017 https://philosophia-perennis.com/2017/06/13/kritik-an-migrationspolitik-ndr-will-buecherverbote/

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Das ist mal schönen Content. Danke sagt Detlev

Danke für den Kommentar und ja, ich hoffe, dass ich den Geschmack der Leser gut treffe.

Geht doch nix über den gepflegten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Schon immer meine Rede. Spitzentruppe. Unterstütze ich auch weiterhin. ... Armes Deutschland, das Ende kann nicht mehr weit sein

Bin eben auf den Link von der FAZ gegangen, den Du oben gesetzt hast. Hab ich seit Monaten nicht mehr gelesen. Mein Gott, was ein DRECK. Ich denke, ich werde das Blatt bald abonnieren. Zusätzlich zur GEZ.

Danke für den Kommentar!
Das Verlinken von Mainstreamquellen ist nicht wirklich als Werbung zu verstehen. Ich versuche meine Quellen ähnlich wie etwa Oliver Janich zu handhaben. Dieser versucht auch stets seine Theorien auf im Mainstream erschienenen Texten aufzubauen.
So ist wenigstens der Vorwurf, ein typischer RT-, KenFM-, Christoph Hörstel oder Honigmann-Höriger Durchschnittskritiker oder Verschwörungstheoretiker zu sein, einfach als nicht zutreffend zurückzugeben ... ;-)

Allerdings, wenn man einmal aus allen Rohren denunziert wird, hat man es vielleicht doch schwer, wobei z. B. bei Xavier Naidoo der Nazivorwurf auch nicht mehr wirklich zu funktionieren scheint.

Danke für Deine Antwort. Um Himmels Willen, ich wollte Dich nicht kritisieren für das Verwenden von FAZ- oder Spiegel-Links - alles prima. Es war nur ein unkontrollierter Aufschrei des Ekels meinerseits, als ich dem Link nachgegangen bin.
Denunziert wirst Du sowieso irgendwann, wenn Du so weiter machst, Freundchen! Da werden Dir auch Deine Spiegel-Online-Links nicht helfen. Aber keine Sorge, ich als 100% linientreuer Blockparteier werde ein gutes Wort vor dem Bevölkerungstribunal für Dich einlegen. ;-)
Xavier Naidoo ist bekannt genug und außerdem auch herkunftsmäßig erstmal zumindest teilweise problematisch, den können sie nicht so fertig machen wie Dich als Käseschrippe. Und außerdem ist es ihm einfach scheißegal, denn er fängt nicht an, sich öffentlichen Demütigungs- und Selbstkritikritualen zu unterziehen wie die anderen Strategen, die sich mal 'nen halben Meter vorgewagt hatten.

That is a good looking man.

It may be, that he was considered a good looking man.
But this probably does not help him a lot at the moment, since he is no longer with us.

Ganz aktuell ist zu diesem Thema heute bei Philosophia Perennis auch ein Artikel erschienen [1].


[1] Medien - Kritik an Migrationspolitik: NDR will Bücherverbote. Philosophia Perennis, 13. Juni 2017 https://philosophia-perennis.com/2017/06/13/kritik-an-migrationspolitik-ndr-will-buecherverbote/

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