Medien 022 - Ein sinnvoller Vergleich?

in #deutsch6 years ago (edited)

11. September 2018

Der menschliche Verstand erlaubt es nicht nur, sich Gedanken zu ganz praktischen Dingen im Alltag anzustellen, sondern auch Dinge verschiedenster Art zu vergleichen. In der Folge davon wird man, sofern man das nochmals reflektiert, merken ob ein Vergleich sinnvoll war oder nicht.

Auch in medialen Erzeugnissen werden täglich viele Dinge verglichen. Das kann sinnvoll und hilfreich sein, manchmal ist es das aber gerade nicht. Es wurde auch schon versucht, sehr weit hergeholte Zusammenhänge zu konstruieren. Oder es wurden Dinge miteinander verglichen, die aus meiner Sicht überhaupt nicht zusammen gehören. Wenn es um das folgende Beispiel geht, bin ich mit meiner Sicht hoffentlich nicht alleine. Es betrifft einen Tweet, der neulich bei der Süddeutschen Zeitung erschienen ist [1].


Bildschirmaufnahme des Vergleichs, der auf der Twitter-Seite der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde [1].

Das Bild zeigt zwei Fälle unnatürlicher Todesursachen bei Menschen. Einerseits die Menschen, die 2017 auf den Strassen Europas ums Leben kamen, es sollen 25'300 (69,3 pro Tag) gewesen sein im letzten Jahr und andererseits die, die durch terroristische Taten ihr Leben verlieren, da soll es zu 68 Todesopfern (0,19 pro Tag) gekommen sein. Zwischen den beiden Opferzahlen liegt ein Faktor 372, also gut zwei Grössenordnungen.

Auf mich wirkte das direkt wie eine freche und völlig unangemessene Verharmlosung des Terrorismus, was ich in meiner Antwort zum Ausdruck brachte:

Ich verstehe diesen Wahnsinn je länger desto weniger! Der Individualverkehr ist vor allem Mittel zum Zweck wirtschaftlichen Treibens. Es ist ein ziviler Zweck, der Risiken beinhaltet. Terrorismus allerdings ist eine Doktrin des kriminellen Verbreitens von Angst und Schrecken!

Wer sich auf die Strassen begibt, ist sich, so hoffe ich jedenfalls, durchaus bewusst, dass das Risiko eines Unfalls nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Es ist auch nicht notwendig, dass man selbst daran Schuld ist, wenn es zu einem Unglück kommt, sondern man kann darin verwickelt werden. Deswegen ist es auch ganz wichtig, dass jeder selbst so eigenverantwortlich handelt und nur dann auf den Strassen unterwegs ist, wenn er selbst und sein Fahrzeug fahrtüchtig sind. Dafür kann man selbst weitgehend sorgen. Viele Verkehrsteilnehmer, die täglich unterwegs sind, sind hellwach hinter dem Lenkrad und bügeln heikle Situationen aus, die von weniger verantwortungsvollen Fahrern verursacht werden. Das Risiko, dass man in einen Unfall gerät ist eben nicht gleich Null.

Wie in meinem Tweet gesagt, dient die individuelle Mobilität vor allem dem Zweck des wirtschaftlichen Treibens. Nicht alles kann von einem Büro in direkter Nachbarschaft zum Wohnort erledigt werden. Es gibt notwendige Kundenbesuche, Installationen, die vor Ort einzurichten sind, Reparaturen, die auch am Ort vorgenommen werden müssen usw. Dazu ist die Distribution von Waren mittels Paketdiensten aus vorstädtischen Lagerhäusern im industriellen Stil nachgewiesen effizienter als der Verkauf über ein hübsch dekoriertes, aber mit wesentlich geringerer Warendichte gefülltes Ladenlokal. Die wirtschaftliche Bilanz der individuellen Mobilität ist eine sehr positive, auch wenn die Strassen auch benutzt werden, um wirtschaftlich nicht produktiven Freizeitaktivitäten nachzugehen und um zu reisen.

Kriminell unterwegs sind nur diejenigen, die durch ihren Fahrstil oder ihre mangelnde Fahrtüchtigkeit mutwillig in Kauf nehmen, andere in Mitleidenschaft zu ziehen. Alle anderen, geschätzt 99,5 % bewegen sich gesetzeskonform und verantwortungvoll auf den Strassen.

Wenn es hingegen um Terrorismus geht, spricht man von einer weit überwiegend kriminellen Aktivität. Aus meiner Sicht ist es eine Doktrin mit dem Zweck der Verbreitung von Angst und Schrecken. Kriminelles Verhalten wird dabei in der Regel nicht zu vermeiden versucht, sondern ganz bewusst mit eingebaut, weil sie dem Zweck dienlich ist. Auf einer einigermassen geringen Eskalationsstufe und wenn es gegen Einzelpersonen oder kleinere Gruppen wie Familien geht, ist es teilweise möglich, Gängelungen, Einschüchterungen und Sabotage so zu betreiben, dass es noch nicht justiziabel ist. Aber auch auf geringer Eskalationsstufe wird bereits die Integrität des Individuums und dessen Recht auf Privatbesitz beschädigt. Auf jeder höheren Eskalationsstufe dominiert hingegen die Ansicht, dass der Zweck die Mittel heiligt und es wird bewusst in Kauf genommen, mit der terroristischen Aktivität gegen Gesetze zu verstossen und Menschen, Tiere, Umwelt und Sachen gezielt zu beschädigen. In der Regel sind Terroristen auch in keiner Weise in der Lage, den Schaden, den sie Anrichten, wieder in Ordnung zu bringen.

Zwischen einer Aktivität, die Risiken beinhaltet, die man durch kollektive Disziplin und Verantwortungsbewusstsein klein bekommt, zu der jeder aufgerufen ist und einer anderen Aktivität, die bewusst die Risiken für den ahnungslosen Menschen vergrössern will, gegen diese grundsätzlich kriminell und auch gerne gewalttätig vorgeht, besteht ein himmelweiter Unterschied, den man nicht durch solche aus meiner sicht stupiden Vergleiche verharmlosen oder zu verringern versuchen sollte. Selbstverständlich ist es in Europa nicht sinnvoll, akute Angst vor einem terroristischen Angriff zu haben. Aber es gibt Risiken, die man aus eigenem Antrieb gering halten sollte. Als Beispielen seien die Konfrontation mit unberechenbaren Menschen, die wenig zu verlieren haben und der Besuch von Orten, an denen es zu unerwünschten, überraschenden Begegnungen kommen kann, so dass man selbst in der Defensive ist. Ich halte mich konsequent daran und lasse mich mit niemandem ein, der mir verdächtig und unberechenbar vorkommt und mit dem ich mich nicht unterhalten kann.

Terrorismus ist nicht einfach eine Spielart oder eine Ausdrucksweise menschlichen Handels, die in irgendeiner Weise hinzunehmen ist. Ein terroristisches Verhalten ist im Ursprung kriminell und die Würde und den Wert des einzelnen Menschen verachtend und kann nicht mit verhältnismässig geringen Opferzahlen relativiert und kleingeredet werden. In einer Zivilisation, gerade auch in dicht besiedelten Städten und Gebieten ist man zu 100 % darauf angewiesen, durch die Menschenmengen gehen zu können, ohne dass einem dauernd jemand an die Wäsche gehen will oder einen bestehlen. Das Recht auf Unversehrtheit haben auch nicht nur junge Männer mit Elitekämpferfähigkeiten, sondern insbesondere auch Kinder, Frauen, Behinderte und betagte oder gebrechliche alte Menschen. Selbstverständlich kann man mit entsprechenden finanziellen Mitteln auch in gewaltdominierten Gebieten noch irgendwie überleben. Man braucht dann einen Wagen und fährt möglichst ohne anzuhalten von einem sicheren Gebiet zum nächsten. Man erhält sich am Leben durch Abgrenzung. Aber dadurch steigen eigentlich sinnlos alle Preise, da jedes Eigentum eigens und organisiert geschützt werden muss. Auch wenn davon wiederum Menschen wirtschaftlich profitieren sind das alles Ausgaben, die bei ausreichend zivilisiertem Verhalten inklusive gegenseitiger Hochachtung und Respekt überflüssig wären.


[1] Der Tweet im Original bei der Süddeutschen Zeitung: https://twitter.com/SZ/status/1039038263531458562 bei Tamara Wernli (freie Kolumnistin, Schweizerin aus Basel): https://twitter.com/TamaraWernli/status/1039172798223196162
[2] Meine Antwort auf [1]: https://twitter.com/Saamy48/status/1039175805476196359


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