Ideologie 040 - Die Definition einer Schönwetterideologie

in #deutsch7 years ago (edited)

28. Juli 2017

Heute will ich in einem einigermassen kurzen Artikel erklären, was nach meinem Verständnis eine «Schönwetterideologie» ist. In der Politik erfreuen sich Ideologien seit langem grosser Beliebtheit. Gleichzeitig wird ihre tatsächliche Praktikabilität und Krisenfestigkeit von ihren Anhängern selten thematisiert oder hinterfragt. Dabei ist es von essentieller Wichtigkeit, dass eine politische Doktrin in jeder Lage eines Staates funktioniert, insbesondere auch in einer Krise oder einer Phase temporären Niedergangs. In solchen Zeiten sollte die Doktrin funktionieren, damit dem Niedergang effizient entgegengewirkt werden kann. Grundsatzdiskussionen sind in solchen, meist spannungsgeladenen Zeiten nicht angebracht und werden auch nicht in grosser Zahl aufkommen, wenn die politische Doktrin auf Krisenfestigkeit ausgelegt war. Wenn dies nicht der Fall ist, werden Grundsatzdiskussionen und Proteste aufkommen, die in einer schweren Krise meist gewaltsam zu unterdrücken versucht werden.

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Wolkenverhangene Sommerabendstimmung im Klettgau bei Schaffhausen. Eigene Aufnahme vom 18. Juli 2017. Für eine hohe Auflösung bitte das Bild selbst öffnen.


Eine «Schönwetterideologie» ist das Gegenteil davon. Sie entsteht in der Regel in einer Phase des Aufstiegs, in der die Dimensionen des möglichen Wachstums und dessen Dauer gerne etwas überschätzt werden. In der Folge beginnt man damit, sichtbare, sogenannte Ungleichheiten zu beseitigen mittels Umverteilung und redet davon, dass durch den grossen Profit alle im Land glücklich und endlich weniger sorgenerfüllt sein können. Auch die, die in einer Phase des Aufstiegs in grösserem Masse profitieren, können damit einverstanden sein, da ihre Gewinne so gross sind, dass es nicht allzuviel ausmacht, wenn sie einige Prozente davon weitergeben, auch unter Zwang.

Das Problem bei diesem Vorgehen liegt darin, dass mit der Umverteilung bei den Empfängern Ansprüche geschaffen werden, deren finanzielle Deckung in Zukunft überhaupt nicht garantiert werden kann. Wenn es in diesem Fall zu einer Krise kommt, sinken die Profite der grossen Leistungsträger und die Zahl derer, die es nicht schaffen, im grünen Bereich zu bleiben, wächst. Als Folge davon wird die Zahl der Empfänger von Hilfeleistungen ansteigen. Im Zuge dieses Anstiegs werden irgendwann Schwierigkeiten bei der Finanzierung auftreten. Da die Erbringung der Hilfeleistungen meist gesetzlich geregelt ist, verfügen die Empfänger über einen gesetzlichen Anspruch. Selbst dann, wenn keiner da ist, der für die Kosten aufkommt und keiner da ist, der die Leistung erbringen kann.

Unter Umständen wie den gerade geschilderten, die heutigen Sozialstaaten sind ähnlich aufgebaut, müssen Krisen um jeden Preis verhindert werden. Dies ist zwar nicht möglich, aber da die meisten Systeme meines Erachtens nicht für die Krise gebaut sind, wird es durch Entwicklungen wie die eben geschilderte, unweigerlich zu empfindlichen Störungen des sozialen Friedens kommen. Es wird auch dazu kommen, dass sich Lager bilden, die jeweils die Schuld für die Misere beim anderen suchen und versuchen, laut zu protestieren, um durch Interessenvertretung vielleicht eine Verbesserung für ihr Lager zu erreichen. Da es sich bei einer Krise meist um eine temporäre Kontraktion einer Volkswirtschaft handelt, lassen sich neue Profite und neue finanzielle Mittel für die Bedürftigen garantiert nicht herbeiprotestieren. Sie müssen erarbeitet werden, in dem die Produktivität verbessert und neue Bereiche erschlossen werden. Wer mehr umverteilen und gleichzeitig den sozialen Frieden erhalten will, muss zusehen, dass der Kuchen grösser wird.

Wenn ein solches System sogar ganz scheitert, ist es aufgrund der vorhandenen Ansprüche fast unmöglich, es abzuwickeln, ohne dass es zu wirklich unschönen Dingen wie (ver-)hungernden Menschen oder zu grossem, unbehandeltem Leiden kranker Menschen kommt.

Die Lösung kann nur sein, alle Systeme grundsätzlich auf ein Funktionieren in argen Krisenfällen auszurichten, nicht auf andauernd schönes Wetter. Das schöne Wetter hingegen soll genossen und dazu genutzt werden, sich für die nächste Schlechtwetterphase zu motivieren und auszurüsten.


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