Geographie 010 - Auswirkungen der Regenfälle des Sturmtiefs Burglind auf Schweizer Flüsse

in #deutsch6 years ago (edited)

08. Januar 2018

Bisher ist es in meinen Artikeln der Rubrik Geographie meist um ausländische Themen gegangen. Um die Polargebiete, Russland, Zentralasien oder auch um den ganzen Planeten Erde. Mit dem Wintersturm Burglind [1] zog der stärkste Wintersturm seit dem Orkan Lothar [2] über Mitteleuropa hinweg und brachte für die Jahreszeit hohe Temperaturen, starke Böen und erhebliche Mengen an Regen. Kritisches Hochwasser und Sturzfluten gab es wohl keine, dafür aber erhebliche Waldschäden, da einige Bäume wegen des durch den Regen aufgeweichten Bodens nicht mehr in der Lage waren, dem Wind Widerstand zu leisten.

Interessant fand ich, anhand der Messwerte einzelner Messstationen die Natur verschiedener Flüsse in meiner Umgebung etwas näher zu betrachten. Die Webseite des Eidgenössischen Bundesamtes für Umwelt liefert einiges an Daten [4]. Im Artikel will ich mich aber auf die Flüsse Rhein und Thur beschränken. Die Daten aus Deutschland fand ich über die Webseite wasserstaende.de [5], die von der Wasserstrassen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, also der BRD, betrieben wird. Soweit mir bekannt, reklamieren beide Seiten alle Rechte an den Inhalten für sich, das heisst es gibt nur ein Recht, in Auszügen davon zu zitieren. Ausführliches Wiedergeben von Daten bedarf der schriftlichen Zustimmung des jeweiligen Amtes. In meinem Artikel finden sich deswegen nur ganz rudimentäre Veranschaulichungen, für alles weitere soll man direkt die verlinkten Webseiten konsultieren, was ich wiederum empfehlen kann.

IMGP4375_cred.jpg
Eine sehenswerte Abendstimmung, die ich vor einigen Jahren vom mittelalterlichen Städtchen Stein am Rhein [25] Richtung Südwest aufnehmen konnte (47.66067 N, 8.856339 O).


Der Hochrhein

In meiner Heimatregion Schaffhausen ist der Rhein [6] der wichtigste Fluss, die Stadt Schaffhausen [4] liegt am Hochrhein [5], etwa 45 Kilometer stromabwärts von Konstanz [5], wo die Rheinkilometerskala ihren Ursprung hat. Vom Bodensee [7] bis nach Schaffhausen, eine äusserst sehenswerte Landschaft für diejenigen, die sie nicht kennen, hat der Hochrhein kaum nennenswerte Zuflüsse, der grösste ist die Biber [8]. Der Fluss reagierte deswegen träge auf die Regenfälle. Folgende Werte von durchschnittlichen Abflussmengen habe ich manuell, also sehr ungenau, abgelesen. In Sachen Gefahrenstufen, fünffach abgestuft, blieb der Fluss bei weitem in der niedrigsten Stufe 1.

Datum02.01.04.01.06.01.08.01.max.
Abflussmenge [m3/s]330350415425425
relativ [%]100106126129129

Ziemlich anders sieht das sowohl weiter flussaufwärts, als auch flussabwärts aus. Weiter oben, bevor der Rhein in den Bodensee mündet, im Alpenrheintal [12], verfügt der Fluss über ein grosses Einzugsgebiet bei wenig Ausgleich, was in der Vergangenheit in regelmässiger Folge zu grösseren Hochwasserkatastrophen geführt hat. Vor allem dann wird es kritisch, wenn es zu heftigen Gewittern kommt oder wenn die Schneeschmelze im Frühling mit grösseren Regenfällen einhergeht. Wenn ein Sturmtief wie Burglind von Nordwesten her über die Schweiz zieht, ist es für diese Region meist nicht so kritisch, da dann wesentliche Regenmengen nicht im Alpenrhein, sondern in anderen Flüssen landen. Auch im Alpenrheintal unterhält das Bundesamt für Umwelt Messstationen, etwa in Diepoldsau [13]. Der Fluss blieb in der niedrigsten Gefahrenstufe 1.

Datum02.01.04.01.06.01.08.01.max.
Abflussmenge [m3/s]100225215165335
relativ [%]100225215165335

Weiter unten, in Rheinfelden vor Basel, sieht es ein wenig anders aus. Denn bis dorthin münden einige grössere Flüsse in den Rhein. So etwa die unbeständige Thur [14] und der grosse Fluss Aare [15], der bei Koblenz (CH), respektive Waldshut-Tiengen (D), dem Strom zumeist eindeutig mehr Wasser zuführt, als der Rhein. Der maximale Abfluss am 05. Januar 2018 reichte in Rheinfelden bis in die Hochwasser-Gefahrenstufe 3 hinein. Der Anstieg der Abflussmenge um mehr als Faktor 2 innerhalb zweier Tage ist eine eindrucksvolle Sache.

Datum02.01.04.01.06.01.08.01.max.
Abflussmenge [m3/s]1'4002'0202'2001'9003'050
relativ [%]100144157136218

Viel weiter rheinabwärts, in Köln [16] am Niederrhein, Rheinkilometer 688, wurde auch ein Hochwasserstand erreicht und nähert sich am Montag, 08. Januar 2018 wohl langsam dem maximalen Pegelstand [17]. Um 16:15 Uhr lag er bei 878 cm, was einer Abflussmenge von etwas über 7'600 m3/s entspricht. Bis dorthin fliessen noch eine ganze Reihe weiterer Flüsse in den Rhein und bis das Wasser aus der Schweiz mit vielleicht 2 m/s Geschwindigkeit dort ankommt, vergehen ca. 3 Tage. Steemit-User @shortcut war in Bonn vor Ort und hat einige sehenswerte Bilder des aktuellen Hochwassers aufgenommen [18].


Die Thur

Ein zweiter Fluss, der sich zu betrachten lohnt, ist die bereits erwähnte Thur [14], die wenige Kilometer nach dem Rheinfall [19] in den Rhein mündet. Sie entspringt in der im Schweizer Kanton St. Gallen [20] gelegenen Landschaft Toggenburg [21], gibt dem Kanton Thurgau [22] seinen Namen und schlängelt sich in einem ziemlich langen Flusslauf von 135 Kilometern Länge ohne ausgleichende Seen durch die Landschaft. Eine Messstation der Abflussmenge befindet sich in Andelfingen, nicht weit von der Mündung in den Rhein entfernt [23]. Der maximale Messwert vom 05. Januar 2018 befindet sich um mehr als einen Faktor 7,5 oberhalb des ersten Wertes, in Sachen Hochwasser-Gefahrenstufe liegt er etwa in der Mitte der Stufe 2.

Datum03.01.04.01.06.01.08.01.max.
Abflussmenge [m3/s]8020017590605
relativ [%]100250219113756

Vom Surfen bei Hochwasser in der Thur gibt es auch Videos aus dem vergangenen Jahr 2017, in einem Artikel bei 20min.ch wurden einige gesammelt [24]. Anfängern kann das Austesten bei solchen Wasserständen kaum mit gutem Gewissen empfohlen werden. Ich bin am Hochrhein bei Gailingen (D), an einem der schönsten Badeplätze schon bei mehr als 700 m3/s Abflussmenge schwimmen gegangen, schon dann gestaltet sich das Aussteigen aus dem Fluss in der Strömung nicht ganz einfach, bei Wasserständen wie im Video zu sehen, würde ich mich definitiv nicht in den Fluss trauen. Generell muss das Schwimmen in offenen Gewässern, besonders aber in Fliessgewässern geübt werden. Auch im ziemlich friedlichen Hochrhein zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen sterben pro Badesaison 1-2 Menschen, auch wenn kein Hochwasser herrscht.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Sturmtief_Burglind
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Orkan_Lothar
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Rhein
[4] https://www.hydrodaten.admin.ch
[5] https://www.wasserstaende.de
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Schaffhausen
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Hochrhein
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Konstanz
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Bodensee
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Biber_Rhein
[11] Rhein - Neuhausen, Flurlingerbrücke, 2288, Hydrodaten Admin, 08. Januar 2018 https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2288.html
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Alpenrheintal
[13] Rhein - Diepoldsau, Rietbrücke, 2473, Hydrodaten Admin, 08. Januar 2018 https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2473.html
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Thur_Rhein
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Aare
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Köln
[17] https://www.wasserstaende.de/gast/stammdaten?pegelnr=2730010
https://www.wasserstaende.de/gast/karte/standard
[18] Rhine flood / Rheinhochwasser in Bonn [English/Deutsch], @shortcut, 08. Januar 2018 https://steemit.com/photography/@shortcut/rhine-flood-rheinhochwasser-in-bonn-english-deutsch
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinfall
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Kanton_St_Gallen
[21] https://de.wikipedia.org/wiki/Toggenburg
[22] https://de.wikipedia.org/wiki/Kanton_Thurgau
[23] Thur - Andelfingen 2044, Hydrodaten Admin, 08. Januar 2018 https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2044.html
[24] Bürglen TG - «Die Hochwasser-Welle ist nichts für Anfänger». 20min.ch, 05. September 2017, von (jeb) http://www.20min.ch/schweiz/ostschweiz/story/-Die-Hochwasser-Welle-ist-nichts-fuer-Anfaenger--25923707
[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Stein_am_Rhein


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Sehr interessanter Artikel.
Ich wohne am Alpenrhein und habe nie bedacht, dass die anderen Rheinbewohner auch Hochwasser-Probleme haben.
Dort ist der Rhein ja viel breiter und träger, so mein Irrmeinung.
Vielleicht kennst du in Lustenau/Österreich das Rheinbau-Museum.
Wäre mal einen Ausflug wert an den Alpenrhein bzw. Obersee.IMG_1254.JPG
Liebe Grüße in die Schweiz

Kleines Geschenk für dich. Wir waren letzten Sommer an deinem Rhein Kanufahren. Foto anbeiIMG_1308.JPG

Danke für den Kommentar, die Bilder und den Ausflugstipp!
In Lustenau war ich noch nie, ich kenne die Umgebung dort nicht so gut. Im Schweizer Teil des Rheintals war ich schon, auch in Liechtenstein. Dort hat mir jemand, der in Schaan ziemlich tief gelegen wohnt, erzählt, dass man bei einigermassen hohem Rheinwasserstand recht bald Wasser im Keller begrüssen kann. Im angrenzenden Österreich habe ich mich noch nie umgesehen, bin da bisher nur durchgefahren. Die Gewässerkorrektur muss dort auch ein ziemlich grosses Unterfangen gewesen sein, das sollte ich mir schon einmal etwas näher ansehen. Im Juni 2016 war ich in Basel zum arbeiten, damals gab es auch Hochwasser. Ich erinnere mich, bei den Daten aus dem Alpenrheintal einen ziemlich krassen Peak-Wert gesehen zu haben.

Beim oberen Bild - Diessenhofen und Gailingen - gehe ich am liebsten Schwimmen, dort ist der Rhein superschön, weil es kaum Grünzeug hat. Es ist auch meist ziemlich belebt, was mir gerade im Sommer schon gefällt. Von zu Hause eine kleine Radtour entfernt, ca. 30 km, ist das ideal im Sommer. Entspannung und ein bisschen was tun gleich zusammen.

Wie gesagt, gibt es schon Orte mit relativ geringem Hochwasserrisiko. Alles direkt unterhalb des Bodensees ist wohl sehr wenig kritisch. Weiter unten ist es in der Schweiz gerade nach dem Zufluss von Thur, Aare und Birs teilweise heikel. In Deutschland nimmt irgendwann auch die Fliessgeschwindigkeit ab, das heisst, es kommt alles langsamer, läuft aber auch langsamer wieder ab.

Es ist schon erschreckend was ein Unwetter so alles anrichten kann.
Es wird wieder viel Wasser die Aare runter fliessen:)

Danke für den Kommentar!
Ein weiterer Schweizer bei Steemit, da folge ich doch gleich. Die Aare habe ich zwar erwähnt, von der kurzen Analyse aber ausgenommen, die ist sonst mal einen ganzen Artikel Wert.

Gerne doch. Danke für den gut geschriebenen Artikel. Ich finde das auch toll, ich dachte Steemit schafft es so schnell nicht in die Schweiz. Ich habe mühe meine Freunde dazu zu bewegen.
Der Spruch mit der Aare war auch mehr eine Anspielung an das Sprichwort, aber ein guter Artikel über die Aare klingt toll!

Doch, doch. Steemit schafft es auch in die Schweiz. Allerdings wurde ich von einem Deutschen darauf aufmerksam gemacht und habe alleine entschieden, da loszulegen und Energie hineinzustecken. Jetzt, nach knapp 1,5 Jahren siehts einigermassen ansehnlich aus.

Trotzdem, jemanden zu überzeugen, stelle ich mir nach wie vor schwierig vor, denn man muss einiges auf sich nehmen, bis die Sache Fahrt aufnimmt. Jemanden, den ich wohl mit überzeugt habe, ist der Deutsche Elektro-Musiker @andyjaypowell (Uplifting-Trance, seit gut 20 Jahren tätig). Er hat mich eine Zeit lang im Internet lose mitverfolgt. Dann gab es einige Dialoge, er hat mit Steemit losgelegt und jetzt läuft es bei ihm ziemlich gut, er hat mich teilweise überholt. Auf einer solchen, eher losen Basis läuft das mit dem Überzeugen recht gut, sonst kriege ich das auch nicht zusammen.

Über die Aare könnte ich einiges schreiben, die Gewässerkorrektur, Teile ihres Einzugsgebietes, den wunderschönen Verlauf von Thun nach Bern, wenn ich mal die Laune dazu habe.

Danke für deinen sehr informativen Beitrag und die Erwähnung meines Foto-Posts ;-)

Danke für den Kommentar!
Da ist jemand aufmerksam und ich fand den Artikel mit den Bildern wirklich gut.

Danke dir! Das freut mich :-) Dank der Steemify-App bekomme ich es meistens mit, wenn mich jemand in einem Post erwähnt.

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