Der Nestlé-Boykott schlägt Wellen

in #deutsch6 years ago

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Ostelsheim: Der Getränkehändler Marco Grözinger will mit regionalen Produkten den großen Konzernen die Stirn bieten und kann sich jetzt vor Post kaum retten

Ein Getränkehändler tritt eine Lawine los: Das Ostelsheimer Familienunternehmen Grözinger nimmt alle Nestlé-Produkte aus dem Programm, informiert die Kunden in knappen Worten – „und jetzt quillt mein Postfach über“, sagt Inhaber Marco Grözinger.

15 Zeilen hat die Nachricht, die der 39-Jährige vor zwei Wochen auf die Facebook-Seite der Getränkehandlung stellte. Nach Perrier, Nestea und Vittel verschwand auch San Pellegrino aus dem Angebot, außerdem gibt es in der Stuttgarter Straße 15 auch kein Nuts und kein Kitkat mehr zu kaufen. „Wer die Gründe erfahren will, braucht nur mal googeln: Nestlé, Wasser, Privatisierung, Skandal etc. Wir bitten unsere Kunden um Verständnis, aber solche Machenschaften und Entscheidungen können wir nicht weiter durch einen Vertrieb dieser Produkte verantworten“, schreibt Marco Grözinger im Internet.

Innerhalb weniger Tage teilen über 5000 Menschen diese Nachricht auf ihren Seiten. Die Kommentare stapeln sich, per E-Mail werden die Ostelsheimer sogar aus Kalifornien angeschrieben. Focus, Handelsblatt, chip.de, Utopia, alle berichten – wobei Marco Grözinger nicht mit allem einverstanden ist, was da berichtet und geschrieben wird. Wenn das Handelsblatt titelt „Nestlé-Boykott macht schwäbischen Getränkehändler berühmt“, dann ist das zwar für den Moment nicht falsch, führe aber in eine falsche Richtung.

Denn hinter dem Glanz des Augenblicks liegt im Schatten der Verdacht, die ganze Aktion sei Effekthascherei und eine kluge Marketingkampagne. Marco Grözinger kann da nur den Kopf schütteln: „Wir leben in einem Ort mit 2500 Einwohnern, unser Betrieb besteht aus 5 Menschen und unser Einzugsgebiet hat einen Radius von 20 Kilometern. Was für umsatzsteigernde Ziele hätten wir mit dieser Aktion provozieren wollen? Richtig … keine!“, stellt Marco Grözinger klar: „Außerdem ist der Betrieb so, wie er heute ist, genau richtig.“

Auch auf den Edeka-Express wollte er nicht aufspringen. Denn deren Streit mit Nestlé sei etwas ganz anderes: „Hier geht es ausschließlich um Preispolitik. Das hat nichts damit zu tun, was mich antreibt. Ich möchte im Rahmen meiner Möglichkeiten den großen Konzernen Regionalität entgegensetzen. Ich kann unsere Konsumgesellschaft nicht ausstehen, die Möbel im Internet statt beim Schreiner bestellt. Der Einzelhandel ist den Menschen nichts wert“, sagt Marco Grözinger.

Aus diesen Gründen des Lokalkolorits denkt der Unternehmer schon einen Schritt weiter. Bis Dienstag ist der ehemalige Fußball-Torjäger und heutige Trainer und stellvertretende Abteilungsleiter beim VfL Ostelsheim mit den Kickern im Trainingslager am Lago Maggiore. Dann soll sich das regionale Rad weiter drehen. „Radeberger und Warsteiner fliegen früher oder später sicher raus“, hat er schon beschlossen. Stattdessen will er verstärkt auf regionale Marken wie Schönbuch Bräu, Alpirsbacher oder Hochdorfer setzen.

Auch Coca-Cola steht auf Grözingers schwarzer Liste – wobei das schwierig wird: „Sprite, Fanta oder Mezzo-Mix könnte ich ersetzen. Aber ich kenn doch meine Fußball-Jungs. Wenn die ein Cola-Weizen wollen, ein Jackie-Cola oder ein Havanna-Cola, dann muss es Coca-Cola sein.“ Deshalb wäre er „gottfroh, wenn es eine echte Alternative aus der Heimat geben würde“.

Eben die braucht es, wenn man sich von namhaften Produkten trennen will, die vorher nachgefragt waren. Im Grunde ging der Prozess in Ostelsheim schon im Jahr 2012 los, als Marco Grözinger das Perrier-Mineralwasser aus dem Programm nahm. 2016 folgten die nächsten Schritte: „Nestea lief bei uns wie Sau, aber ich sah im Teinacher Eistee eine regionale Alternative. Nestea flog raus – und es gab keinerlei Einbrüche in unseren Verkaufszahlen“, sagt Marco Grözinger, der danach auch Vittel verbannte.

Für den radikalen Schnitt vor zwei Wochen gingen im Netz jede Menge Daumen hoch. Von einem Sturm auf den Laden in Ostelsheim kann man dagegen nicht sprechen. „Einige Kunden haben mich direkt angesprochen. Einer ist mit dem Fahrrad extra aus Darmsheim zu uns gefahren, um hier seine Flasche Bier zu kaufen“, sagt Marco Grözinger. Dafür treibt die Geschichte jetzt andere Blüten. Aus dem Gaza-Streifen kam die Anfrage, ob man in Ostelsheim nicht eine Spendenaktion starten wolle, um ein Wasser-Hilfsprojekt zu unterstützen. Und aus Italien kam ungefragt eine Palette Wasser als Ersatz-Angebot. Marco Grözinger: „Aber mit Regionalität hat das alles jetzt wirklich nichts zu tun.“

Dreieinhalb Kisten San Pellegrino stehen bei Marco Grözinger jetzt noch hinten im Hof. Was damit passiert? „Keine Ahnung. Entweder trinken wir das selbst, oder wir gießen damit Blumen.“

Marco Grözinger verbannt die Waren der Nestlé-Palette aus seiner Getränkehandlung in der Stuttgarter Straße 15. Bild: Wegner

Quelle:
https://www.bbheute.de/nachrichten/der-nestle-boykott-schlaegt-wellen-3-3-2018/

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Find ich gut, aber wird wahrscheinlich nicht so viel bringen da nestle ein gigantischens Monopol hat. Da müsste mehr als nur die Leute in Deutschland mitziehen.

bin ich auch ganz bei Dir , aber zumindest fängt wenigsten einer mal mit an und ich kann nur hoffen ,das welche nachziehen . Das mit der Idee mit dem regionalen finde ich persönlich ganz gut , man kann vieles regional beziehen und damit den Standort stärken

Gute Aktion =)

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