Irrationalität auf Umwegen

in #deutsch6 years ago (edited)

Was ist irrational?

360px-Monochord.png

Quelle

Der Eine oder Andere denkt jetzt vielleicht eine falsche Entscheidung oder das Huldigen einer Ideologie ist irrational. Das ist aber natürlich nicht die Irrationalität, welche gemeint ist. Gemeint sind irrationale Zahlen.
In der Welt der Zahlen lassen sich einige Sonderlinge finden. Schon die 1 oder 0 sind sehr wichtige Zahlen, auf die ich aber hier nicht weiter eingehen werde. Eine der berühmtestes Zahlen wäre die Kreiszahl π. Nicht weniger wichtig ist die eulersche Zahl e. Leider ist die eulersche Zahl nicht so prominent wie π. Es gibt beispielsweise den π-Tag oder die Pibel. Aus Sicht der Mathematik sind beide Zahlen sehr wichtig. Dann sei noch die Imagnäreinheit i erwähnt. Sie steht aber nicht im Fokus dieses Posts, auch wenn i sicherlich Rampenlicht verdient hätte.
Wenn wir über Zahlen reden dürfen wir natürlich nicht die wichtigsten Zahlenmengen vergessen. Diese habe ich mal auf Folie 1 dargestellt.

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Folie 1

Ich denke die natürlichen und ganzen Zahlen sind selbsterklärend. Rationalen Zahlen sind alle Zahlen, welche sich als Bruch darstellen lassen. So habe ich sie in Folie 1 auch definiert. Die reellen Zahlen lassen sich nicht in Kürze definieren. Aber um meiner Leserschaft eine Vorstellung zu vermitteln, möchte ich zumindest eine anschauliche Erklärung liefern. Möchte man die reellen Zahlen anschaulich beschreiben, so könnte man die Zahlengerade benutzen. Jeder Punkt auf der Zahlengerade ist eine reelle Zahl und es lässt sich auch jede reelle Zahl auf der Zahlengerade finden. Die komplexen Zahlen sollen nicht Gegenstand diese Posts sein. Ich konnte es mir aber nicht verkneifen sie mit auf die Folie 1 zu nehmen.
Kommen wir zurück zur Irrationalität. Rationale Zahlen sind also alle Zahlen, die eine Bruchdarstellung besitzen. So ist z.B. 0,5=1/2, 5/1=5 oder 0,2018=2018/10000. D.h. natürliche und ganze Zahlen sind schon mal rationale Zahlen, da sie sich als Bruch darstellen lassen. Auch endliche Dezimalzahlen lassen sich immer als Bruch darstellen.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob sich auch alle Zahlen als Bruch darstellen lassen. Werfen wir hierzu einen Blick auf Dezimalzahlen mit unendlichen vielen Nachkommstellen. Das einfachste Beispiel hierfür wäre 1/3=0,33333... . Es geht auch noch komplizierter.
1/7=0,142857142857142857... .
Solche Brüche werden periodische Dezimalzahlen genannt (Es gibt auch noch gemischt periodische Dezimalzahlen.). Diese Zahlen haben unendlich viele Nachkommastellen. Es sind aber nicht die einzigen Zahlen mit unendlich vielen Nachkommanstellen.
Ein solches Beispiel wäre π.
π=3,14159265359...
π ist ein Beispiel für eine Zahl, die keine Bruchdarstellung besitzt. Man kann sich solche Zahlen am einfachsten so vorstellen, dass ihre Nachkommastellen keine Regelmäßigkeit besitzen, was bei periodischen bzw. gemischt periodischen Zahlen nicht der Fall ist.
Auch lässt sich π auf den Zahlenstrahl darstellen. π liegt nämlich irgendwo zwischen 3 und 4. Diese Zahlen nennt man irrationale Zahlen.
Vereinigt man die rationalen und die irrationalen Zahlen, erhält man die Menge der reellen Zahlen. Die reellen Zahlen ohne die rationalen Zahlen bilden die Menge der irrationalen Zahlen (siehe Folie 1). Gäbe es die rationalen Zahlen nicht, hätte die Zahlengerade kleine Löcher - z.B. dort wo sich π befindet1.

Ein Blick in die Geschichte

Hippasos von Metapont war der erste Mathematiker, der zeigen konnte, dass es irrationale Zahlen gibt. Die beiden Zahlen, welche er untersuchte, waren der goldene Schnitt φ und die Wurzel aus 2. Hier mal die ersten 10 Nachkommastellen beider Zahlen:

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Folie 2

Hippasos war Mitglied der Pythagoreer. Das war ein Geheimbund, der glaubte, dass die Welt aus rationalen Zahlen aufgebaut ist(zumindest würden wir es heute so ausdrücken). Die Pythagoreer hatten auch Regeln. Es war ihnen beispielsweise untersagt Erkenntnisse des Bundes mit der Außenwelt zu teilen. Wer gegen diese Regeln verstieß wurde bestraft. Hippasos hat mit seiner Forschung gegen das Weltbild der Pythagoreer verstoßen. Vermutlich hat man ihn deshalb bei einer Überfahrt getötet. Das ist aber historisch nicht genau beleget. Aufgrund der strengen Regeln der Pythagoreer halte ich es aber durchaus für möglich.
Die Pythagoreer betrieben also Forschung in Bezug auf Zahlen. Auch der berühmte Satz des Pythagoras gehärt dazu. Sie waren die ersten, welche ihn bewiesen haben. Sie untersuchten auch Zahlenverhältnisse. Zum Beispiel am Instrument dem Monochord (siehe Titelbild). Sie erkannten, dass durch Abdrücken sich die Töne änderten. Drückt man zum Beispiel so ab, dass das Verhältnis 3:4 beträgt, macht man einen Tonsprung um eine Quarte. Bei einfachen Verhältnissen erhält man besonders schöne Tonsprünge. Solche Untersuchungen prägten das Weltbild der Pythagoreer.
Auch der goldene Schnitt ist eine Verhältnis. Er ist jedoch keine rationale Zahl 4.

Die Fibonacci-Zahlen und der goldene Schnitt

Wo die Fibonaccifolge her kommt habe ich bereits hier verarbeitet.
0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 ... ist die aufzählende Form. Es lässt daraus leicht die rekursive Form ermitteln. In Folie 3 habe ich aus der rekursiven Form die explizite Form hergeleitet.

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Folie 3

Hierzu habe ich die homogene Gleichung mithilfe der charakteristischen Gleichung gelöst. Der erste Eigenwert λ _1 ist exakt der goldene Schnitt. Der zweite Eigenwert ist der negative Kehrwert des goldenen Schnittes. Anschließend habe ich die Eigenwerte in die Lösungsform eingesetzt und mit Hilfe der Anfangswerte das Anfangswertproblem gelöst. Dadurch erhält man die explizite Form für den goldenen Schnitt. Es gibt noch andere Methoden diese zu erhalten. Aber ich fand die Variante mithilfe des Fundamentalsystems recht elegant. Natürlich bin ich nicht der Erste, der auf die Idee gekommen ist2.
Jedenfalls sehen wir hier den ersten Zusammenhang. Der goldene Schnitt taucht als Lösung der charakteristischen Gleichung auf und ist auch in der expliziten Form. Beides trifft auch auf den negativen Kehrwert zu.
Teilt man zwei benachbarte Fibonacci-Zahlen erhält man annährend den goldenen Schnitt. Werfen wir doch einen näheren Blick darauf.
Hierzu berechnen wir den Grenzwert dieses Quotienten.

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Folie 4

Als Grenzwert erhalten wir den goldenen Schnitt φ5. Somit erhält mit größer werdenden Fibonacci-Zahlen mit dem Quotienten aus benachbarten Fibonacci-Zahlen auch den goldenen Schnitt. Das ist ein sehr beeindruckender Zusammenhang.

Die Irrationalität von φ

Nun wollen wir uns noch der Irrationalität von φ widmen. Für den Beweis der Irrationalität benötigen wir die charakteristische Gleichung aus Folie 3. Als Beweisansatz benutzen wir den Widerspruchsbeweis. Wir nehmen also an, dass φ sich als gekürzter Bruch p/q darstellen lässt (siehe Folie 5). Sollte diese Annahme absurd sein, muss das Gegenteil gelten, d.h. φ lässt sich nicht als Bruch darstellen und ist damit irrational.

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Folie 5

Die Bruchdarstellung in Form eines gekürzten Bruches p/q setzen wir in die quarakteristische Gleichung ein. Da φ einer Lösung dieser ist, muss diese Gleichung wahr sein. Diese Gleichung stellen wir nach q2 um und faktorisieren die rechte Seite der Gleichung. Daraus folgt unmittelbar, dass p ein Teiler von q2 ist und folglich auch von q (siehe Folie 5)6.

Wir haben jetzt also die Irrationalität von φ gezeigt. Der goldene Schnitt taucht in unglaublich vielen Zusammenhängen auf (Natur, Kunst, Geometrie, Physik etc.). Viele diese Zusammenhänge haben auch mit der Fibonaccifolge zu tun. Auch diesen mathematischen Zusammenhang haben wir diskutiert. Die Erkenntnis über die Irrationalität war zudem ein historisch interessantes Ereignis. Über den golden Schnitt selbst, könnte man viele Artikel verfassen. Immerhin gibt es auch zahlreiche Bücher darüber. Die Irrationalität haben wir zumindest schon abgehakt. Vielleicht gehe ich in weiteren Posts noch auf den goldenen Schnitt selbst ein. φ hat jedenfalls noch weitere Umwege verdient.

Quellen:

[1]:
[2]:
[3]:
[4]:Simon Signh, Fermats letzter Satz
[5]:
[6]:

Sort:  

Nice post.

The link under your first image does not link to the image but to the page. Steemstem would love if you could add a link to the image :D

Done. Thanks for the feedback.

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Surπrise! A π - reward XD.

2018-10-01 (2).png

I didn’t noticed that. What a wonderful coincidence 😂

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Den geschichtlichen Abschnitt mag ich sehr, von all den Zahlen erfasst mich leichter Schwindel - diesen Beitrag muss ich mir wohl ausdrucken!!

Toller Post - Resteem

Danke. Vlt. hätte ich den geschichtlichen Teil noch länger machen sollen. Die Pythagoreer haben nämlich kein gutes Ende genommen.

Jemand der Pythagoreer werden wurde bei einem Vorstellungsgespräch von Pythagoras und seiner Frau abgelehnt (hehe die waren richtig emanzipiert). Derjenige kam später zu Macht und hatte ein Herr, welches er dazu nutzte die Pythagoreer blutig nieder zu strecken.

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die länge des geschichtsteils war gut gewählt. viele haben ja seit schulzeiten arge probleme mit geschichte und deren verständnis. in kleinen dosen fällt das leichter und ist gut verdaulich.

LG



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