Mein Geschichtsverständnis 2.1

in #deutsch6 years ago (edited)

Guten Morgen liebe Steemer!

Da ich am Wochenende verhindert war, kommt nun der erste Teil des zweiten Abschnittes über mein Geschichtsverständnis. Ich denke so sind meine Gedanken am leichtesten zum Nachvollziehen geeignet.

Viel Interesse beim Lesen!

Mein Geschichtsverständnis 2.1

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Foto von mir.

Ein weiterer Punkt ist der Unterschied zwischen einem Geschichtswissenschafter und einem Geschichtsschreiber. Oder, fachlich, Historiker und Historiograph. Der Unterschied ist schnell erklärt. Der Historiograph ist jemand der ein Ereignis für die Nachwelt festhält. Um welches Themengebiet es dabei geht ist zweitrangig, weil dem Interesse des jeweiligen Verfassers geschuldet. Kurz gefasst könnte man sagen, das den Historiographen das WAS ist geschehen interessiert.
Der Historiker wiederum ist jemand der ein bestimmtes Themengebiet oder Thema gezielt erforscht. Ihn interessiert dabei das WARUM ist es geschehen.
Historiograph kann dabei jeder sein, der eine mehr der andere weniger. Entscheidend ist nur, dass Geschehnisse festgehalten werden. Beispiele wären Jahrbücher, Jubiläen, Vereine oder die eigene Familiengeschichte.

Die Geschichtswissenschaft entsteht, als Wissenschaft, erst im Zuge der Aufklärung. Historiker gab es zwar vorher auch schon, doch war das alles dem Zufall überlassen. Dies sollte sich durch ein kritisches Studium vergangener Zeiten ändern. Dem Punkt Kritik kommt dabei eine zentrale Stellung zu.

Man erkannte im 18. Jahrhundert, dass reine Geschichtsschreibung ein ganz großes Problem hat, sie ist befangen. Befangen nicht aus Vorsatz, sondern befangen, weil es in der Natur der Sache liegt. Man nehme die Familiengeschichte. Wer ist schon unbefangen, wenn er über die Geschichte der eigenen Familie schreibt? Oder wenn man die Geschichte eines Vereines schreibt, dem man seit Jahrzehnten angehört und zig Ämter darin übernommen hat. Usw. usf.
Und auch im größeren Maßstab ist das problematisch. Man nehme z.B. das Thema Gesundheitswesen. Wer einen Pflegefall in der Familie oder im Freundeskreis hat wird über dieses Thema niemals unbefangen scheiben können. Zwar kann man es zu weiten Teilen ausblenden, doch unterbewusst wird man trotzdem vieles einfließen lassen.
Und das ist grundsätzlich auch gut so! Was einen bewegt lässt einen in der Regel auch die Wahrheit sagen.
Oder man denke an das Thema Flüchtlingskrise. Je nachdem ob man im Arbeiter- oder Villenviertel lebt, wird man fundamental anderer Ansicht sein, die einen aus Ignoranz, die anderen aus Not. Die einen meinen das sich ihre besseren Lebensverhältnisse auf alle Menschen übertragen lassen, weswegen sie gar nicht auf die Idee kommen das sie in einem Glashaus sitzen. Die anderen wissen das sie mit den Problemen alleine gelassen worden sind, und helfen sich dann halt selbst. Da wählen halt dann die einen die Grünen und die anderen die FPÖ. Unbefangenheit ist da in der Regel Fehlanzeige. Und so werden dann auch die Geschehnisse niedergeschrieben.

Das heißt, Historiographen sind (fast immer) befangen!
Dieses Defizit zu beheben, war das Anliegen der Geschichtswissenschaft. Und in der Tat hat man im 19. und 20. Jahrhundert, vor allem auf dem Gebiet der Hilfswissenschaften, enorme Fortschritte erzielt. Diese haben zahlreiche Nachschlagewerke hervorgebracht, welche das Studium vergangener Zeiten wesentlich verbessert haben. Man denke hier nur, beispielhaft, an die MGH, die Monumenta Germaniae Historica (welche auch digitalisiert vorliegt).
Eine lesbare Transkription weiß man erst dann richtig zu schätzen, wenn man mal handschriftliche Aufzeichnungen aus Barock und Rokoko entziffern durfte. Da steigt dann schon das eine oder andere Mal die Verzweiflung auf!
Doch das Problem der Befangenheit konnte damit nicht gelöst werden. Auch die unterschiedlichsten Theorien zur Geschichte konnten keinen dauerhaften Rahmen finden.
Ich denke, dass dies zwei Gründe hat. Die Aufklärung und die Politik.

Der Punkt Politik dürfte am einfachsten zu erklären sein.
Denn schnell hatte man verstanden, dass man im Massenzeitalter auch massentaugliche Erzählungen braucht. Und nein, das brauchte man davor nicht. Davor lebten wir nämlich in einer Aristokratie bzw. in einer Monarchie. In solch einer Staats- und Regierungsform entscheidet nicht die Masse, sondern entscheiden einzelne. Daher machten massentaugliche Erzählungen (um das mal so nonchalant zu formulieren) früher nur in Ausnahmesituationen Sinn, z.B. bei größeren militärischen Konflikten.
Erschwerend kommt heute der Problemkreis der Ideologien hinzu, Stichwort Überbau. Hier pickt sich jede Seite bis heute die Fakten heraus die zur je eigenen Anschauung passt. Und übergeht geflissentlich alle anderen!
Zwei konkrete Beispiele. Das Verbotsgesetz und der Sklavenhandel.

In Zeitn des Kalten Krieges mag es durchaus berechtigt gewesen sein Rücksicht auf die Sowjetunion zu nehmen. Doch es spricht schon Bände, dass bis heute nur die NSDAP verboten ist, die Kommunistische Partei allerdings nicht (KPÖ). Immerhin, die eine Ideologie hat mindestens 15x so viele Menschen ermordet wie die andere, und bringt auch heute noch täglich Menschen um. Doch geht es bei dieser Frage nicht um Gerechtigkeit oder Objektivität sondern ausschließlich um politische Interessen.

Wenn es um Sklaverei geht liegen die Dinge ebenfalls gerne im Argen. Zwar wird gerne, und auch völlig zu Recht, betont wieviel Leid der europäische Sklavenhandel über Afrika gebracht hat. Der islamische wird hingegen nur am Rande erwähnt, Stichwort Algier. Dabei dauerte dieser mehr als doppelt so lange, teilweise sogar bis ins 20. Jahrhundert.
Und wer hat noch schnell das Kolosseum erbaut? Die Römer haben es nämlich geplant, gebaut haben es Sklaven!
Und auch hier geht es nicht um die Darstellung historischer Ereignisse, sondern nur um Politik.

Vielen Dank für euer Interesse!

Parzifal

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