Kleine Erwiderung

in #deutsch8 days ago

Letztens hatte ich eine interessante Diskussion mit @ty-ty . Dabei ging es um die Frage ob Zweifel und Glaube zusammen passen. Auch das Thema Wissen kam auf.

Als erstes einmal muss ich mich entschuldigen dafür, dass die Antwort etwas spät kommt. Doch ich denke, besser spät als nie. Hier noch der Link zum Ursprungpost: https://steemitdev.com/hive-146118/@ty-ty/in-dubio-pro-dubio#@ty-ty/sfyi1i
Viel Spaß beim mitlesen!

Der Glaube beginnt wo es um Gemeinschaft mit Gott geht

"Der Glaube beginnt wo es um Gemeinschaft mit Gott geht", tatsächlich weiß ich auch nicht wer das gesagt hat und googeln will ich nicht.
Ich finde den Gedanken sehr interessant denn er hat viel für sich. Tatsächlich würde ich sogar sagen, dass der wahre Glaube eine Gemeinschaft, wenn nicht erzwingt, so doch notwendig macht. Unter wahrem Glauben verstehe ich hier einen tatsächlichen Glauben und kein schnödes Lippenbekenntnis.
Denn, wahrhaft an Gott zu glauben, würde ja bedeuten, gewiss zu sein nie mehr alleine und verloren zu sein, da ja Gott immer gegenwärtig wäre. Was allerdings nur möglich ist wenn man eine, wie auch immer geartete, Beziehung mit Gott unterhält. Ansonsten wäre es seltsam Gottes Gegenwart anzunehmen, jedoch nicht mit ihm Gemeinschaft zu pflegen.

Dabei sehe ich allerdings nicht wie mir der Zweifel dabei behilflich sein könnte?
Ich denke hier ist eine wichtige Unterscheidung notwendig.

Zweifel, richtig angewendet, ist, zweifelsfrei, eine feine Sache. Nehmen wir die Kriminalistik oder die Theologie. In beiden ist der Zweifel von großer Bedeutung. Würde man einfach kommentarlos alles einfach glauben oder übernehmen, so wären wir nicht nur unseres Lebens sondern auch unseres Seelenheiles nicht mehr sicher. Oder man denke an Entdecker und Erfinder, alles Menschen die NICHT glaubten, dass alles so passt wie es ist, sondern daran zweifelten.
In all diesen Bereichen ist es wichtig und richtig zu zweifeln, will man seinen gottgegebenen Verstand recht nutzen. Doch im Bereich des Glaubens ist der Zweifel fehl am Platz.
Nehmen wir den Eingangssatz wonach der Glaube beginne wo es um die Gemeinschaft mit Gott geht.
Wenn ich nun Zweifeln würde, dass Gott existiert oder es sinnvoll wäre sich mit ihm zu unterhalten, was gemeinhin als beten bekannt ist, so könnte ich nicht glauben. Wie auch vor einer Gottheit niederknien die man anzweifelt? Entweder man betrügt sich im Zweifel oder im Glauben.
Der Unterschied ist gewaltig!

Ich glaube, dass alles was in dieser Welt geschieht einen Grund und einen Sinn hat. Ich glaube dies nicht aus blinden Gehorsam oder weil ich zu faul wäre meinen Verstand zu nutzen. Nein, ich glaube das weil ich, jedes mal wenn ich nachsehe wie es um eine Sache bestellt ist, es sich so verhält. Es gibt kein Chaos!
Wenn man solche Untersuchungen lange genug durchführt kommt man eines Tages an eine Weggabelung an der man sich folgende Frage stellt: "Kann ich mir selber trauen?"
Wenn mich mein Leben etwas bestimmtes gelehrt hat, sollte ich es dann weiterhin bezweifeln?
Wenn ich wieder und wieder Gottes Gegenwart, in welcher Form auch immer, wahrgenommen habe, sollte ich dann an meiner Wahrnehmung zweifeln?
Wenn ich die Naturwissenschaften und die Universalwissenschaften studiere und immer wieder zum selben Ergebnis komme, sollte ich sie dann, in toto, studieren um Gewissheit zu haben?
ist es überhaupt möglich je Gewissheit zu haben?
Es hat schon einen Grund warum aus Zweifel Verzweiflung werden kann. Auf alle diese Fragen gibt es nur eine Antwort, nein!

wenn man etwas oft genug wiederholt hat bekommt man eine gewisse Gewissheit ohne tatsächlich alles je überprüft zu haben. Man hätte ja sonst nur Gewissheit darüber, dass Materie sich anzieht wenn man es mit aller Materie probiert hätte. Was mir als ein aussichtsloses Unterfangen erscheint.
Doch nur dann, und nur dann, kann man mit Fug und Recht behaupten, Ich weiß! Oder, anders formuliert, ich müsste nicht mehr zweifeln.
Deshalb, weil man im Glauben keine letzte Gewissheit haben kann, ist der Zweifel der größte Feind des Glaubens, da er uns etwas suchen lässt das wir in dieser Welt niemals finden können, Gewissheit!

Nun zu der Frage ob man alles wissen kann.

Die Gegenbehauptung war ja man könne nicht alles wissen da das wissen aus Brüchen und nicht als etwas ganzes bestehen würde.

Ich denke es ist hier wichtig zunächst zu klären was denn Wissen eigentlich ist.
Wissen meint von seiner Wortherkunft her "etwas das man gesehen hat" (vergleiche dazu englisch wizzard!). Was ja auch Sinn macht, da man nur GEWISS sein kann wenn man etwas GESEHEN hat. Weswegen streng genommen die meisten Wissenschafter wenig wissen aber viel glauben. Was streng genommen eine Religion aber keine Wissenschaft ist!

So gesehen ist Wissen etwas, das, in dieser Welt, begrenzt ist, da niemand alles wissen kann.
Ich lehne mich an dieser Stelle mal aus dem Fenster und behaupte, dass der Glaube zur Conditio humana gehört. Ich denke, wollte ein Mensch nur annehmen was er zuvor selbst überprüft hat, so wäre er lebensunfähig. Wie sollte man auch Jahrtausende der Wissenssammlung in einem einzigen Leben nachvollziehen können?
Das scheint mir mehr als ungereimt zu sein.

Wenn nun allerdings klar ist, dass alles zu wissen nicht möglich ist, warum unterscheiden wir dann, auch sprachlich, zwischen "etwas wissen" und "dem Wissen"?
Hier hilft ein Blick auf die Nahtodforschung und die alten Griechen.
Die alten Griechen kannte bereits ein Konzept namens Anamnesis. Darin geht es darum, dass sich der Mensch an das Wissen erinnert. was spannend ist, denn Worte wie Einfall, Erinnerung oder verstehen schlagen allesamt in die gleiche Kerbe. Bedenkt man hier, dass Deutsch und Griechisch beides Indogermanische Sprachen sind, also die gleichen sprachlichen Wurzeln haben, lässt sich schwer an ein Hoppala glauben. Wissen ist etwas dass in uns eintritt, nichts das wir autonom selbst geschaffen haben.

Etwas ähnliches berichten die Nahtodforschungen.
Wie es scheint kann man mehrere "Ebenen" des Erlebens nach dem "Tod" unterscheiden. Die letzte dieser Ebenen über die Menschen die offiziell tot waren und zurück gekommen sind, berichten, ist ein "Zustand" absoluten Wissens. Es scheint als ob alles Wissen in diesem Moment gegenwärtig sei, gleichsam als ob es in ihnen zusammenfallen würde.
Ich denke es ist das was Nikolaus von Kues gemeint hat.
In der Mystik ist es ebenfalls sehr ähnlich, auch bei Traumgesichtern. Ein Zustand absoluter Klarheit die man nur erleben nicht aber in Worte fassen kann. "Die innere Burg" von Theresa von Avila oder das "Sci vias" der Hl. Hildegard von Bingen versuchen sowas. Das Unaussprechliche in Worte zu fassen.

Ferner würde ich sagen, ja das Wissen besteht aus Bruchstücken. zumindest was das Wissen des je einzelnen Menschen betrifft. Dies ergibt sich folgerichtig aus dem oben genannten.
Ich würde daher Descart ergänzen.
Seinem "Dubio, cogito ergo sum" würde ich ein "Credo, cogito ergo sum" an die Seite stellen.

Sort:  

"Der Glaube beginnt wo es um Gemeinschaft mit Gott geht", tatsächlich weiß ich auch nicht wer das gesagt hat

Der Satz stammt aus einem Artikel von Peter Knauer, SJ.
Er zählt für mich zu den wenigen Katholen, mit denen ich mich gewinnbringend beschäftigt habe.

...und googeln will ich nicht.

Ich denke, das ist genau das (kommunikative) Problem: Du willst keinen Input, der dich aus deinem Gleis bringen könnte. Du bist dir deines Outputs sicher, und du hältst Sich-sicher-fühlen für einen Ausdruck des Glaubens. Daher kannst du den Zweifel natürlich nur als Feind begreifen und ihm andichten, er führe in die Verzweiflung.
Dabei ist es genau umgekehrt: die Verzweiflung führt in den Zweifel. Aber leider meistens in eine bestimmte, unproduktive Art.
Verdrängung schützt gegen Verzweiflung. So lange sie gelingt.

Eigentlich google ich sowas nicht um mich nicht von Namen ablenken zu lassen. Zu leicht verführen Namen zu vorschneller Annahme von Positionen. Da denke ich die Position lieber selbstständig durch.
Du weißt ja, nur selber denken macht klug.

Zu leicht verführen Namen zu vorschneller Annahme von Positionen. Da denke ich die Position lieber selbstständig durch.

Sehr gut, bis dahin bin ich ganz bei dir!
Im übrigen bin ich der Meinung, dass die eigene Meinung ab dem Moment, wo sie einigermaßen fest steht, validiert und kalibriert werden sollte gegen weitere Informationen und weitere Meinungen, das soll heißen: weiter forschen, eigene Meinung prüfen und verbessern.
ABER!
Natürlich macht das jede/r, wie er/sie/es denkt, und es soll niemand dazu in irgendeiner Form gezwungen werden, auf diese Weise die eigene Meinung einer Fortbildung zu unterziehen.
Meist passiert das eh wie "von selber". Vielleicht durch die Hand Gottes . ;-))

Also das das jeder macht würde ich nicht behaupten. Meine Erfahrung sagt mir, dass die meisten Menschen nicht denken, auch nicht nachdenken. Mein Wissen sagt mir das selbe.
Es gibt schöne historischen Ereignisse die das deutlich machen. Der Fall der Demokratie in Griechenland. Vertrieben die einen Herren, schwangen sich selbst zu Herren auf, bekriegten sich bis aufs Blut um schließlich wieder fremden Herren zu dienen.
Der Fall Roms. Im Grunde das gleiche Spiel. Aus der Republik geht eine Oligarchie hervor, wird von Einzelnen "im Namen des Volkes" ausgeschaltet um am Ende in der Monarchie, schlimmer noch, in der Anbetung eines gottgleichen Genius zu enden. Die Einführung des Feudalwesens im Mittelalter. Zur Zeit der Völkerwanderung gab es so gut wie nur Freie, 500 Jahre später hatten sie sich alle in die Abhängigkeit verabschiedet. Weil man halt als Unfreier weder in den Krieg ziehen, noch Gericht halten muss. Dafür kann man schamlos über die Obrigkeit schimpfen.
Ich denke das 20. und 21. Jahrhundert hat ja zur genüge bewiesen, dass der Mensch mit der Aufklärung nichts anfangen kann. "Die Ausführung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit".
Er ist immer noch unmündig, nicht weil die bösen Juden, Banker, Russen oder wer auch immer sie unterdrückt, sondern weil sie es selbst zu lassen, deshalb selbstverschuldet. Sie könnten ja, wenn sie wollten, tun sie aber nicht. Deshalb beschreibt die Apokalypse des Johannes auch eine Szenario in dem locker 90 % der Menschheit zur Hölle fährt. Eben weil sie sich weigern ihren Verstand zu gebrauchen und sich damit selbst zum Sklaven machen.

Würde es von selber passieren bräuchten wir keine Wahlen, Polizei oder Armeen, schließlich würde die Lösung ja "von selber" passieren.

Du weißt ja, nur selber denken macht klug.

So hat Kant das aber nicht ausgedrückt, und ich denke, auch nicht gemeint, als er "sapere aude" als "Wahlspruch der Aufklärung" heraus destillierte.

Wie wer was gemeint hat ist immer so eine Sache. Das denke ich korreliert stark mit dem was ich dir auf dein anderes Kommentar geantwortet habe.

Meine Erfahrung und mein Wissen sagen mir, dass die Menschen nicht zu dumm dazu sind etwas zu verstehen, ganz im Gegenteil.
Deshalb meinte Kant ja auch "Wage zu wissen". Sonst hätte er wohl gesagt wage die zu bilden oder zu lernen oder so etwas in der Art. Hat er aber nicht, er meinte man solle das Wagnis eingehen und etwas wissen.
Ich denke der Grund warum der Mensch immer wieder daran scheitert eine geordnete Welt zu hinterlassen ist, dass sich die meisten Menschen nicht darum kümmern was um sie herum passiert. Der Mensch ist ja schließlich auch ein Gefühlswesen, Mitleid ist etwas das zur Conditio humana gehört. Wir brauchen sowas nicht erst zu lernen, wir brauchen unser Gegenüber dazu nicht einmal verstehen, meistens reicht ein Blick schon aus ( weswegen man durch die Augen auch tatsächlich in die Seele eines Menschen blicken kann).
In der Regel weiß der Mensch das was nicht stimmt, doch würde er nachschauen, wüsste er was das Problem ist. Doch etwas das wir nicht wissen macht uns zunächst Angst, weswegen ja Christus schon sagte "Fürchtet euch nicht!". Den Furcht lähmt, mehr als man zugeben will. Da ist es für die Menschen "leichter" wegzusehen. Das das kein theoretisches Geplapper ist, hat die Impfdebatte zu Corona ja gezeigt. 85% haben es einfach hingenommen dass man 15% der Bevölkerung einfach die Menschenrechte aberkannt hat. Punkt.
Moralisches Totalversagen, setzen, 5.
Deshalb sollte man sich Wissen aneignen. Nur so kann man den Fallstricken entgehen. Was allerdings des Mutes bedarf.

Und ja du hast vollkommen Recht, man muss seine Standpunkte immer wieder an sein neues Wissen und seine neuen Erfahrungen anpassen. Allerdings muss man sich auch dazu erstmal trauen! Ein freundliches "Fürchtet euch nicht", wirkt da wahre Wunder.

Etymologisch sehe ich "Zweifel" am ehesten bei "Zwiespalt", also eine Art "sich nicht entscheiden zu können". In Bezug auf den Gottglaube schließt sich das wohl aus. "Im Zweifel für den Angeklagten". Das ist wieder ein anderes Ding.
Bezug der Logik zum Glaube: Logisch gesehen wohnt dem Glaube, nach meiner Ansicht, ein Zweifel inne, weil Glauben eben nicht Wissen ist. Demnach muss im Glaube etwas enthalten sein, eine Art Ungewissheit.

Letztlich ist wohl der Glaube ohnehin nicht mit der Logik vereinbar.

Also ich kann es nur so beschreiben wie ich es selber erlebe.
Ich habe keinen Zweifel. Für mich ist klar, dass mein Gott immer für mich da ist und mich niemals dem Feuer der Hölle aussetzen wird. Warum?
Weil ich mich dazu entschlossen habe, ihm zu vertrauen. Vielleicht beantwortet das das Mysterium, Vertrauen.
Natürlich hast du Recht, zu glauben bedeutet immer etwas nicht zu wissen. Ich vertraue aber darauf, dass alles was mir im Leben begegnet letztlich sich offenbaren wird, in der einen oder anderen Art. Schließlich spricht schon das Alte Testament davon das alles offenbar werden wird und nichts ewig verborgen bleibt. Ich kann das nur bestätigen. Doch man muss schon selbst danach suchen. Niemals wird Gott oder ein Engel kommen und dir alles offenbaren, wenn dann nur einen kleinen Teil, vielleicht.
Was ja auch Sinn macht. Wären wir perfekt hätten wir ja alles, wüssten alles, könnten alles. Es gäbe nichts für uns zu tun. Wie langweilig. Man schätzt nur wirklich was man sich selbst geschaffen hat. Sonst wäre unser freier Wille auch ziemlich sinnlos.

Zweifel, richtig angewendet, ist, zweifelsfrei, eine feine Sache.

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