Wie meine Helden aus dem Lande des Klassenfeindes meine Kindheit beeinflusst haben

in #deutsch6 years ago

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Tennis, da fallen mir insbesondere zwei Namen ein. Steffi Graf und Boris Becker! Und dann fühle ich mich plötzlich alt.

Steffi Graf hat nach ihrer Hochzeit mit Andre Agassi, einem weiteren Tennishelden des vergangegenen Jahrtausends, genau das richtige gemacht, und sich aus der Öffentlichkeit zurück gezogen um ihr Familienleben zu genießen.

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Von Boris Becker hört und sieht man leider in diesen Tagen immer wieder etwas. Entweder erscheint er auf irgendwelchen dubiosen Poker-Webseiten oder die Geschichte seines finanziellen Bankrottes wird von allen Seiten in den Medien ausgeschlachtet. Und das war einmal einer meiner Sport-Helden!

Aber zurück zum Thema!


In meiner Kindheit war Tennis für die Menschen um uns herum nie ein Thema gewesen. Ich kannte nicht einen, der Tennis gespielt hatte und ich wusste noch nicht einmal, ob und wo es in meiner Stadt (Ost-Berlin!!) einen Tennisplatz geben würde. Das einzige was ich mit Tennis verband, waren diese zwei alten Schläger, welche irgendwo im Schuppen von besseren Zeiten geträumt haben. Der eine Schläger hat wohl einmal meiner Großmutter gehört, der andere meiner Mutter. Und obwohl ich von keiner von beiden jemals gehört hatte, dass sie diese Schläger auch geschwungen und über den Court gehetzt sind, sahen beide Schläger ziemlich abgenutzt aus. Es muss wohl einmal Zeiten gegeben haben, als diese Schläger auch für irgendeine Tätigkeit benutzt wurden.

Und eines Tages muss es dann mich selber auch gejuckt haben, diese Zeitzeugen anzufassen und auszuprobieren. In unserem eigenen Garten wurde unser ganz spezieller Tenniscourt abgesteckt und ich und mein kleiner Bruder haben und an diesem Spiel der oberen Zehntausend versucht. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass unsere Versuche für Außenstehende und eventuelle Zuschauer wohl ziemlich befremdlich und amüsierend gewirkt haben müssen. Den fehlende Platz haben wir mit doppelter Kraft versucht wett zu machen. Soweit man bei uns damals von Kraft hätte sprechen können, aber die uralten Tennisbälle, welche wir irgendwie aufgetrieben haben, wurden dann bald in den Gärten der Nachbarn gesichtet. Und da mussten wir natürlich allen Mut aufnehmen und uns in die Höhle der Löwen begeben und unsere runden Schätze versuchen zurück zu erobern. Und da uns das leider nicht immer gelungen ist, waren die Spiele dann auch teilweise recht schnell wieder vorbei. Aber wir waren Helden, es gab immer einer strahlenden Sieger und einen tragischen Zweiten. Und staubig und schmutzig waren wir am Ende des Tages auch immer.

Das erste Mal richtig auf einem Tennisplatz stand ich vor circa 10 Jahren in Vancouver. Ich bin damals für einige Monate bei einem deutschen Landsmann untergekommen, welche zu dieser Zeit von Tennisfieber angesteckt wurde. Und der mich dann auch auf den Court hinter dem Hause mitschleppte und mich dazu brachte, das Racket zu schwingen. Ich muss gestehen, ich hatte großen Spaß am Spiel mit dem kleinen Filzball! Und -in meinen Augen- war ich noch nicht einmal so schlecht. Auf jeden Fall besser als mein Freund, der das Spiel schon etwas länger betreiben hatte. Aber sobald ich dann einen weiteren Bekannten vor Augen hatte, der das Spiel schon vor vielen Jahren erlernt hatte, wurde mir schnell klar, wo ich mich mit meiner sehr bescheidenen Leistung denn befinden würde. Aber es hat Spaß gemacht!

Zurück zu Boris Becker und Steffi Graf!


Das waren die deutschen Tennishelden des letzten Jahrtausends. Ja, anders kann man das wohl nicht beschreiben. Für den heutigen Tennisnachwuchs muss die Hochzeit dieser beiden großartigen Athleten wohl schon Ewigkeiten zurück liegen. Aber ich erinnere mich noch genau, wie ich auf einmal vor dem Fernseher lag und mir ganze Spiele und Tie-breakes reingezogen hatte. Wenn Boris spielte und gewann, hatte ich auch gewonnen. Mein Anfeuern vor der Flimmerkiste muss ihm die Flügel verleiht haben, um uns mit seinen Hechtsprüngen zu beeindrucken und zu begeistern. Auf einmal konnte ich die Namen der großen Turniere auswendig und wusste sogar was ein Stop-Ball ist. Nur das Punktezählen kam mit immer ziemlich merkwürdig vor, normal und verständlich war das für mich damals jedenfalls nicht. Keine Ahnung, wem dies eingefallen war.

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In der Öffentlichkeit konnte ich zuerst natürlich nicht mit meinen Helden prahlen. Sportler aus dem Land des Klassenfeindes eigneten sich nicht wirklich für Gespräche auf dem Schulhof und im Klassenzimmer. Die unzähligen Siege in Wimbledon und im ganzen Rest der Welt musste ich für mich behalten oder durfte die Siegesmeldungen nur im kleinen und ganz vertrauten Kreis verbreiten. Aber dafür habe ich dann alleine um so lauter gejubelt. Die Zeichen der Zeit standen aber zum Glück auf Wechsel und auf einmal befanden wir uns alle in ein und demselben Land, und durften ganz offiziell für einander jubeln.

Das deutsche Tennis war damals auf dem Höhepunkt und meine Tennisleidenschaft auch. Meine Helden wurden dann älter und auch ich kam in ein Alter, als plötzlich ganz andere Dinge interessant wurden. Aber im Rückblick kann ich nur sagen, dass Steffi Graf und Boris Becker mit ihrer Leidenschaft am Sport zu den vielen Menschen zählen, die mein Leben begleitet und positiv beeinflusst haben. Es waren schöne Stunden, in denen ich ihnen zusah, wie sie über den Platz sprinteten und versuchten jeden, jeden noch so unmöglichen Ball wieder zurück über das Netz zu schlagen. Kampfes- und Siegeswille pur!

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Der deutsche Tennis hatte anschließend eher maue Zeiten durch zumachen aber gerade in diesem Jahr gibt es für die Nachwuchsfans wieder neue Helden zu bejubeln. Der Wimbledonerfolg von Angelique Kerber und der Sieg von Alexander Zverev ATP Finale auch in London geben Anlass zu neuer und großer Hoffnung. Ich bin mir sicher, dass diese beiden großartigen Spieler gerade eine neue Generation von Kindern und Jugendlichen begeistert und motiviert, und hoffentlich den einen oder anderen dazu bringt, einen Schläger in die Hand zu nehmen.

Und auch wenn es dann mit dem Tennis nichts wird, eventuell wird es ja ein anderer Sport. Es gibt so viel zu probieren und unsere Zeit ist leider zu knapp. Deshalb mein Rat an alle, die noch zögern. Lieber heute als morgen, raus aus dem Haus und auf den Sportplatz. Ich bin mir sicher, für jeden ist etwas dabei.

Man muss es nur suchen und versuchen!!

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Ohne die großen Helden und Vorbilder geht ein großer Teil der Motivation sofort verloren. Wie ich bereits einmal erwähnte:
Ohne Yukio Endo hätte ich es nie und nimmer von der Teppichstange ans Hochreck geschafft! Das war der Held schlechthin. Auch in den Zeiten der Verletzungen, denn ohne die kam auch das große Vorbild nicht über die Runden.

Grüße über den Teich
Wolfram

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